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Digital In Arbeit

Der Arbeitsinspektor kommt jetzt ins Haus

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Telearbeit, das wurde auch in den vorangegangenen Beiträgen vielfach bestätigt, führt sehr oft zu größerer Arbeitszufriedenheit uud damit zu einer Leistungssteigerung.

Telearbeit ermöglicht aber auch die Ausnutzung regionaler Gehaltsgefälle bis hin zum Ausweichen in Billiglohnländer, verführt zu Arbeit in den Nachtstunden und an Wochenenden und zum Einsatz selbständiger Arbeitskräfte auf Werkvertragsbasis. Den Menschen mit seiner Arbeitsaufgabe „nicht ausschließlich auf die Möglichkeiten des Datenaustausches zu reduzieren”, fordert daher die Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) in ihren „Vorschlägen zur Gestaltung der Telearbeit”.

Telearbeit kommt für sie eigentlich nur auf der Basis von alternierenden Arbeitsplätzen, Nachbarschaftsbüros oder Satellitenbüros (siehe dazu Seite 13) in Frage, wobei Ausnahmen die Regel bestätigen.

Abgelehnt wird auch ein Berufsbild „Telearbeit” sowie reine Tele-heimarbeit. Letzteres schon wegen der häufig mangelhaften sozialen Absicherung.

Telearbeit ist eine sehr flexible Arbeitsform. Flexibilität heißt jedoch nicht die beliebige Ausdehnung der Arbeitszeiten oder gar Arbeit auf Abruf. Die GPA fordert daher einen Te-learbeitszeitrahmen in Form eines Dreiphasenmodells im Arbeitsrecht zu verankern: Danach wäre eine Te-learbeitswoche so dreizuteilen, daß je-—*-1weils eine zeitlich begrenzte Phase für die Arbeit im Betrieb zur Verfügung steht; ein zweiter Zeitraum für die Arbeit zu Hause oder im Satellitenbüro mit fixer Erreichbarkeit des Telear-beite/s während der Normalarbeitszeit. Die dritte, ebenfalls zeitlich limitierte Phase bleibt dann ausschließlich der Disposition des Teleange-stellten vorbehalten.

Telearbeit, so befürchtet die Gewerkschaft wohl nicht zu Unrecht, kann in eine formelle, „erzwungene” Selbständigkeit abtriften. Das soll verhindert werden, indem

■ der Arbeitnehmerstatus unbedingt erhalten bleiben muß,

■ der gesetzliche Schutz auch auf arbeitnehmerähnliche Personen, etwa freie Mitarbeiter und Teledienste auf Werkvertragsbasis, ausgedehnt wird,

■ über Auf- und Verteilung der Arbeitszeiten klare Vereinbarungen und Aufzeichnungspflichten festgeschrieben werden und

■der Schutz der bestehenden Freiräume (Ruhezeiten, Krankheit, Pflegefreistellung, Abwesenheiten) gesetzlich verankert wird.

Wann ist ein Unfall eines Telear-beiters auch wirklich ein Arbeitsunfall? Passiert das Malheur beim Be-treten'des Arbeitszimmers, ist die Sache klar.

Ist jedoch kein Arbeitsraum vorhanden, wird die Abgrenzung zwischen Freizeit-, Weg-, und Arbeitsunfall zur reinen Interpretationssache. Diesen Graubereich zwischen Arbeits- und Freizeitunfall soll die Verpflichtung des Arbeitgebers zum Abschluß einer zusätzlichen Unfallversi--icherung für Teleangestellte abdecken, so der Vorschlag der Gewerk: schaft. Weiters wird befürchtet, daß Telearbeit den Leistungsdruck enorm verstärken wird,” vor allem dann, wenn Leistungen termingerecht eingefordert werden.

Geleistete Mehrarbeit bleibt dann nicht selten unbezahlt oder wird, wenn überhaupt, nur pauschal abgegolten. Mit der kollektivvertraglichen Absicherung der Entgeltfindung und gegen belastenden Arbeitsdruck will daher die Gewerkschaft dieser drohenden Gefahr begegnen. Abgelehnt wird seitens der Gewerkschafter auch die elektronische Überwachung der Telearbeiter.

Betriebliche Solidarität zerfällt

Telearbeit in den eigenen vier Wänden setzt entsprechende häusliche Standards voraus. Der Aufwand für die Errichtung und Betreibung eines Arbeitsplatzes zu Hause darf nicht zu Lasten des Arbeitnehmers gehen. Kostenersatz für anteilige Miet- und Betriebskosten ist daher genauso zu regeln wie voller Kostenersatz für Mitbenützung von Privatgeräten.

Bei ausschließlich zu Hause geleisteter Telearbeit ist die Gewerkschaft in Sorge, wie der gesetzliche Gesundheitsschutz gesichert werden kann. Gestaltungsvorschläge dazu sind:

■ Pflicht des Arbeitgebers die Errichtung von Teleheimarbeitsplätzen bei der zuständigen Arbeitsinspektion anzuzeigen,

■ Pflicht der Arbeitgeber zum Führen einer aktuellen Liste aller zu Hause arbeitenden Telearbeiter und diese einmal jährlich der Arbeitsinspektion vorzulegen und

■ Recht auf Kontrolle der Arbeitsbedingungen am Teleheimarbeitsplatz für Sicherheitsvertrauenspersonen, Betriebsrat und Arbeitsinspektion.

Der Haken dabei ist, der Teleangestellte kann derartige Kontrollen unter Berufung auf sein Hausrecht jederzeit verhindern.

Zur Diskussion gestellt wird ferner die Rolle der Betriebsräte und die Gewerkschaftsarbeit. Telearbeit, so wird angenommen, führt zur Abnahme der betrieblichen Solidarität. Zudem macht die Isolation am dezentralen Arbeitsplatz „die wirksame Durchsetzung sowohl der individuellen als auch der gemeinsamen Interessen von Telearbeitern” schwierig.

Die neuen Arbeitsformen werden daher auch neue Organisationsformen bei den Interessensvertretungen bedingen: so empfehlen die Autoren dem Betriebsrat und der Gewerkschaft empfehlen die Autoren, eigene Informationsnetze aufzubauen, über die Angestellte und Gewerkschaftsmitglieder kontaktiert werden können.

Diese hier zitierten Vorschläge zur Gestaltung der Telearbeit sind derzeit noch als Diskussionsgrundlage gedacht.

Ob sie tatsächlich realisiert werden können, ist noch gänzlich offen.

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