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Der Hahn wird zugedreht

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In letzter Zeit haben Ereignisse auf dem Wirtschaftssektor Erdöl das Interesse auch von Nichtfachleuten gewonnen: Zuerst kam es zum Zusammenschluß der Verteilerfirmen Martha Ges. m. b. H. und örop AG mit der Erdöl und Erdölprodukte produzierenden Firma ÖMV AG, sodann war von der Gründung der Adria—Wien-Pipeline (AWP) zu lesen, an der die ÖMV AG mit 51 Prozent sowie die Shell, die BP, der CFP (Total), der Socony Mobil sowie der Standard Oü mit zusammen 46 Prozent beteiligt sind. Die AWP hat die Aufgabe, eine Rohrleitung vom Räume Triest nach Wien zu bauen, in der jährlich 6 Millionen Tonnen Rohöl nach Österreich gebracht werden können. Weiter wurde über den Baubeginn einer Transalpinleitung (TAL), ebenfalls aus dem Räume Triest nach Ingolstadt in der Bundesrepublik, berichtet, die im Endausbau 40 Millionen Tonnen Rohöl Jährlich mittels 11 Pumpstationen an den Zielort zu den dort befindlichen Raffinerien befördern soll. An dieser Gesellschaft sind die Firmen Esso, Shell, BP, Mobil Oil, Marathon, Gelsenkirchner Bergwerks-AG, DEA, Schulden Texaco, Continental (SOP) und Wintershall beteiligt.

Erdölland Österreich

Die Häufung der Ereignisse ist nicht zufällig, Österreich wird immer mehr zu einem bedeutenden Verbraucher von Erdöl, Erdölprodukten und Erdgas. Der Anteil des Erdöls am gesamten Energieaufkommen Österreichs steigt ständig. Im Jahre 1960 noch knapp 25 Prozent, hat die Anteilquote bereits 1964 etwa 32 Prozent erreicht. Schätzungen für 1970 ergeben einen Anteil von fast 43 Prozent. Damit steigt aber auch der Anteil der kalorischen Energie im Verhältnis zu der aus Wasserkraft erzeugten, also gegenüber jener Energiequelle, über die wir im eigenen Land in einem fast unbegrenzten Ausmaß verfügen.

Die Ausgangsstoffe für die kalorische Energie, Erdöl, Erdölprodukte und Kohle sowie in Zukunft auch Erdgas, werden in einem steigenden Umfang aus dem Ausland bezogen. Während 1960 der Import (in Prozent vom gesamten Rohenergieauf-kommen) noch etwa 31 Prozent betrug, stieg er 1964 bereits auf ca. 36 Prozent und wird 1970 wahrscheinlich in einem beträchtlichen Sprung auf ca. 51 Prozent steigen. Während i960 erst ca. 8 Prozent des Rohenergieaufkommens in Form von Erdöl und Erdölprodukten nach Österreich importiert werden mußten, war 1964 bereits ein Anteil von ca. 16 Prozent erreicht. Für 1970 schätzt man die Importquote mit 31 Prozent.

Abgesehen vom Aufwand an Devisen, gerät unsere Wirtschaft hinsichtlich der Verfügbarkeit über Energie und die dafür zu zahlenden Preise immer mehr in Abhängigkeit vom Ausland bzw. von den privaten und halbstaatlichen internationalen ölgesellschaften. Diese haben zwar in Österreich eigene Niederlassungen errichtet, empfangen aber ihre Weisungen doch von den im Weltmaßstab organisierten Muttergesellschaften mit dem Sitz in London, New York, Amsterdam, Paris usw.

In dem Maße, in dem Erdöl und Erdölprodukte sowie Erdgas ihre Stellung in Österreichs Energieversorgung ausweiten, und in jenem Maße, in dem der Anteil Österreichs am Aufkommen dieser Energie zurückgeht, verringert sich gegenüber der Politik der ausländischen Erdölfirmen bei der Festsetzung der Preise und bei der Beherrschung des Prp-duiktenimarktes (Benzin, Hei/.öl, Dieselkraftstoff) das inländische Gegengewicht. Daher ergibt sich die Frage zu stellen, ob es sich Österreich als neutraler Staat zwischen den Blökken leisten kann, auf die Dauer hinsichtlich seiner Energiebasis von den halbstaatlichen oder privaten Gesellschaften, die in den NATO-Ländern ihre Heimat haben, praktisch abhängig zu werden.

Österreich produziert Erdöl und Erdgas

Wesentlicher Produzent in Österreich ist die ÖMV AG. In ihrer Pressekonferenz v. 15. März 1965 bezeichnet sie ihre sicheren und wahrscheinlichen Erdölreserven mit 28 Millionen Tonnen. Bei der derzeitigen Förderung von 2,4 Millionen Jahrestonnen wäre dies ein Vorrat für fast 12 Jahre. Nach den bekannten technischen Erfordernissen der Lagerstätten wird aber mit einer

Drosselung der Förderung um mindestens 10 bis 15 Prozent unbedingt zu rechnen sein. Die Erdgasreserven wurden bei der genannten Pressekonferenz mit 24 Millionen Nm1 angegeben. Ein Rückgang der Erdgasförderung wurde schon für 1968 in Aussicht gestellt. Derzeit beträgt die Jahresförderung ibei einem sehr hohem Niveau) 1,7 Millionen Nm3. Eine Halbierung dieser Förderung liegt nach 1968 durchaus im Bereich der Möglichkeit. Allein um den bisherigen Verbrauch zu befriedigen, wird der Import von Erdöl und Erdölprodukten steigen müssen und ist für den Import von Erdgas Vorsorge zu treffen. Für 1964 wurde gegenüber 1963 eine Zunahme bei Verbrauch von Erdöl und seinen Derivaten von 14 Prozent festgestellt. Diese Erhöhung hat daher die Steigerung des gesamten Energieverbrauches von ca. 3 Prozent beträchtlich überflügelt.

Die Versorgung des Erdölmarktes

Während nach der Übernahme der Sowjetischen Mineralölverwaltung durch die Republik Österreich noch 90 Prozent des Marktes von dem damals in ÖMV AG umgetauften Unternehmen versorgt wurden, ist die ÖMV AG heute nur noch in der Lage, etwas weniger als die Hälfte des derzeitigen österreichischen Bedarfs an Erdölprodukten zu decken. Wenn die ÖMV AG im Jahr 1970 auf ihr eigenes Rohölaufkommen beschränkt bleibt, werden es bestenfalls noch 10 bis 12 Prozent sein.

Die ÖMV AG betreibt eine Raffinerie in Schwechat mit einer Verarbeitungskapazität von 4 Millionen Jahrestonnen Rohöl. Damit besitzt sie praktisch 90 Prozent der Raffineriekapazität Österreichs neben den 10 Prozent der Shell-Raffinerie in Floridsdorf und der Raffinerie Ka-gran der Firma Mobil Oil. Bereits jetzt sind also zur Auslastung der Kapazität der Raffinerie Schwechat

Rohöl importe erforderlich. In Zukunft sollen die Importe im wesentlichen über die eingangs erwähnte AWP durchgeführt werden.

Die Verteilung der Erdölprodukte österreichischer Provenienz an die Verbraucher erfolgt zum Teil über die Firmen Martha und örop, die einen Marktanteil von zusammen ca. 25 Prozent haben. Damit sind die beiden österreichischen Verteilerfirmen nicht einmal in der Lage, die Hälfte der Produkte der ÖMV AG abzusetzen. Eine Reihe kleinerer und kleinster Unternehmungen betreut zusammen 10 Prozent des Marktes. Der Rest (65 Prozent) wird im wesentlichen von den internationalen Gesellschaften Shell, BP, Mobil, Esso, Total vertrieben. Diese Firmen sind es auch, die durch ihre Importe die Lücke zwischen der Erzeugung der ÖMV AG (bzw. Shell-Floridsdorf und Mobil-Kagran) und dem tatsächlichen Bedarf an Erdölprodukten decken.

Die verstaatlichte ÖMV AG würde die aufgezeigte Versorgungslücke gerne selber schließen. Dazu wäre jedoch notwendig, Rohöl auf dem freien Markt, das ist nach unserer geographischen Lage aus dem Nahen Osten, aus Afrika oder auch Rußland, selbst zu kaufen und in eigenen Leitungen nach Österreich zu befördern.

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