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Der Lösung entgegen

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In den vergangenen Jahren haben nicht nur die politischen Parteien, sondern auch eine Reihe von Verbänden und Instituten Vorschläge zur Neuordnung der Wohnungswirtschaft erstattet. Solche mehr oder minder weitreichende Vorschläge gingen einmal von den Interessenvertretungen der Hauseigentümer und Mieter — Österreichischer Haus- und Grundbesitzerbund beziehungsweise Mietervereinigung Österreichs und Mieterund Siedlerbund — aus, dann vom Gewerkschaftsbund, dem Österreichischen Gewerbeverein, dem Katholischen Familienverband, dem Österreichischen Familienbund, dem Österreichischen Akademikerbund, von der Sozialwissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft, der Katholischen Sozialakademie, der Forschungsgesellschaft für den Wohnungsbau und noch einigen anderen Institutionen.

Sowohl die von diesen Stellen als uch die von den politischen Parteien erstatteten Vorschläge weichen natürlich nicht nur im einzelnen, sondern auch in wesentlichen Fragen voneinander ab. Sie haben aber auch viele gemeinsame Gedanken; es zeigt sich zum Teil auch bei den Vorschlägen sehr gegensätzlicher Organisationen eine gewisse Übereinstimmung. So hat eine Reihe von Konzepten und Vorschlägen die Forderung nach einer weitgehenden Vereinheitlichung der Wohnbauförderung gemeinsam, nach einem Übergang von der Objekt- zur Subjektförderung, nach einer steuerlichen Begünstigung der Beschaffung von Privatkapital für den Wohnungsbau, so für Arbeitgeber- und Verwandtendarlehen, nach einer stärkeren Begünstigung des Bausparens für Familien, auch nach einer etappenweisen Neuordnung der Mietzinse in den Altwohnungen, besonders aber nach Einführung einer echten Mieten-und Lastenbeihilfe, die das Familieneinkommen, den Wohnungsaufwand und den Familienstand besonders berücksichtigt.

Wenn diese verschiedenen Vorschläge von den politischen Parteien, vor allem von den Regierungsparteien, studiert würden, könnte dies eine wesentliche Bereicherung für die Arbeiten an den wohnungspolitischen Konzepten bedeuten. Die beiden Regierungsparteien arbeiten heute an solchen Konzepten als Verhandlungsgrundlage. Vergleicht man die bisher von den Regierungsparteien im Nationalrat eingebrachten Gesetzentwürfe in Fragen der Wohnungswirtschaft, erscheinen die Gegensätze zwischen den Regierungsparteien unüberbrückbar. Diese Gesetzentwürfe beider Parteien stellen aber kein einheitliches Konzept für die Neuordnung der Wohnungswirtschaft dar, sondern sie geben nur die Grundlage für die Lösung von Teilfragen des gesamten Wohnungsproblems. An einheitlichen Gesamtkonzepten hat es bisher bei beiden Regierungsparteien gefehlt. Werden aber solche einheitliche Konzepte einmal vorgelegt, werden schon dadurch die heute als so tiegreifend erscheinenden Gegensätze viel an ihrer Schärfe verlieren. Dies allerdings nur dann, wenn es sich um echte Konzepte für eine Neuordnung der gesamten Wohnungswirtschaft handelt und nicht so wie bisher nur um einige kleinere Teillösungen.

Initiativanträge der Parteien

Die Österreichische Volkspartei hat sich schon bisher immer für die Notwendigkeit einer Generalreform in der Wohnungswirtschaft ausgesprochen. Allgemein gehaltene Vorschläge in dieser Richtung wurden vor allem in den Wahlaufrufen und Wahlprogrammen vorgelegt, auch von einzelnen Politikern skizziert, insbesondere vom Generalsekretär der Partei, Dr. W i t-h a 1 m, bei der Wohnungsenquete der ÖVP im November 1961. Im übrigen stehen heute die noch unerledigten Initiativanträge für ein Wohnbau-förderungsgesetz 1963 (mit dem Vorschlag zur Einführung einer Tilgungshilfe für Wohnbaudarlehen) zur Diskussion, weiter eir Jungfamiliengesetz, das eine besondere Begünstigung der jungen Familien bei den überwiegend aus öffentlichen Mitteln erbauten Wohnungen vorsieht, schließlich ein Öbdachlosenschutzgesetz und eine Reihe von Einzelvorschlägen zur Nö-

vellierung des Mietengesetzes und des Wohnbauförderungsgesetzes 1954. Darüber hinaus aber laufen Arbeiten zur Erstellung eines Gesamtkonzeptes, die schon weiterentwickelt und fortgeschritten sind.

Die Sozialistische Partei Österreichs hat bisher vor allem die Forderung nach einer möglichsten Erweiterung des Wohnungsneubaues herausgestellt und Vorschläge in dieser Richtung erstattet, so etwa die Festsetzung eines fixen Budgetanteiles für den Wohnungsbau verlangt. Darüber hinaus stehen die Initiativanträge nach Einführung eines Wohnraumversorgungsgesetzes (mit einer Wohnungsanforderung in bestimmten Fällen), eines Wohnraumsicherungsgesetzes zur Verhinderung besonders des Leerstehens und der Zweckentfremdung von Wohnungen, eines Wohnhaus-Instandhaltungsfondsgesetzes mit dem Ziel einer Einführung eines solchen Fonds zur Diskussion; dieser Wohn-haus-Instandhaltungsfonds sollte vor allem durch Beiträge der Vermieter aus den Mieteinnahmen finanziert werden und Darlehen, Zinsenzuschüsse und nicht rückzahlbare Instandsetzungskostenzuschüsse an die Be-

itzer reparaturbedürftiger Althäuser gewähren. Weiter stehen die Initiativanträge zur Einführung eines Assanierungsgesetzes und eines Baugrundbeschaffungsgesetzes noch zur Diskussion; diese Fragen liegen den Sozialisten besonders am Herzen.

Bisher: wenig Gemeinsames

Diesen von den beiden Regierungsparteien vorgelegten Initiativanträgen ist tatsächlich nicht allzuviel gemeinsam. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, daß beide Parteien in ihren Initiativanträgen diejenigen • Teilfragen besonders herausgestellt haben, an deren Lösung ihnen vor allem gelegen ist. Ändern die Regierungsparteien aber ihre bisherige Haltung und legen sie endlich Gesamtkonzepte vor, die zu allen Teilfragen der Wohnungswirtschaft Stellung nehmen, so müssen sie endlich aus ihrer Reserve heraus und auch jene Fragen angreifen, die der einen oder der anderen Partei nicht besonders genehm sind. Mit der bisherigen Praxis, nur die angenehmen und populären Dinge zu sagen, muß endlich ein für allemal Schluß gemacht werden.

Die wichtigsten Teilfragen

Eine solche Gesamtlösung des Wohnungsproblems in Österreich ist nur möglich, wenn einmal die Fragen des Wohnungsneubaues, der öffentlichen Wohnbauförderung gelöst werden; hier drängt sich eine Vereinheitlichung geradezu auf. .Die Zersplitterung auf ungezählte Förderungsformen auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene

— dazu noch etliche Sonderaktionen — ist geradezu unsinnig. Soll die öffentliche Wohnbauförderung auch soziale Zielsetzungen haben (was angeblich unbestritten ist), dann muß ein Übergang von der Objektförderung zu einem mehr subjektbestimmten Finanzierungssystem gefunden werden, bei dem das Ausmaß der öffentlichen Hilfe von den Einkommens- und Familienverhältnissen des Wohnungswerbers abhängt.

Unerläßlich ist auch das Aufgreifen der schwierigsten Frage, des Mietenproblems. Wir können noch 30 Jahre weiterbauen, ohne das Wohnungsproblem zu lösen, wenn zu gleicher

Zeit die Altwohnungen verfallen und sich die Nachfrage auf Grund der gegebenen Mietpreissituation weit über den echten Bedarf ausdehnt, immer mehr Wohnungen leer stehen oder aber immer mehr zweckentfremdet werden.

Beide Teilfragen, Neuordnung der öffentlichen Wohnbauförderung und Lösung des Mietenproblems, machen die Einführung einer gezielten und echten Wohnungsbeihilfe unerläßlich, die unzumutbare Belastungen für einkommensschwache Schichten ausgleicht. Eine solche Wohnungsbeihilfe muß aber den Wohnungsaufwand, die Einkommensverhältnisse und den Familienstand in vollem Umfang berücksichtigen.

Man muß auch über Fragen der Wohnraumsicherung reden! Es ist nicht zu vertreten, einen Kündigungsschutz für zweckentfremdete Wohnungen aufrechtzuerhalten, so für Absteigquartiere, gehortete oder für andere als für Wohnzwecke verwendete Wohnungen. Weiter müssen gezielte Maßnahmen gegen die spekulative Nutzung von Wohnungen, die aus öffentlichen Mitteln erbaut wurden, ergriffen werden. Auch vernünftige bodenpolitische Maßnahmen — die sich auf eine Beschaffung von ausreichendem Baugrund zu erträglichen. Preisen richten — sind unerläßlich. Hier gleich immer einen Anschlag auf das Privateigentum zu vermuten, ist geradezu absurd; in der Bundesrepublik Deutschland, in der das Privateigentum höher geschätzt wird als in Österreich, bestehen sehr einschneidende Maßnahmen der Bodenpolitik.

Schluß mit der Demagogiel

Eine solche Fragestellung und eine sachliche Beantwortung dieser Fragen in den Konzepten der Regierungsparteien müßte die heute bestehenden Gegensätze sehr entschärfen. Mit der bisherigen Demagogie in Fragen der Wohnungspolitik muß freilich Schluß gemacht werden. In beiden Parteien gibt es Politiker, die zu einer sachlichen Auseinandersetzung entschlossen sind. Freilich wird es auch in beiden Parteien notwendig sein, Kräfte zurückzudrängen, die noch in Kategorien des Klassenkampfes und im Geist der Ersten Republik an die Lösung der Wohnungsfrage herangehen und eine Lösung finden wollen.

Im geltenden Arbeitsübereinkommen der beiden Regierungsparteien ist festgesetzt, daß „bis 31. Dezember 1964 zwischen den Regierungsparteien eine einvernehmliche gesetzliche Regelung zustande kommen soll“. Ansonsten steht es „jeder der beiden Regierungsparteien frei, Gesetzentwürfe zur Regelung der Wohnungsfrage in Form von Initiativanträgen im Parlament einzubringen und unverzüglich eine Beschlußfassung im Wege der freien Mehrheitsbildung herbeizuführen. Beide Regierungsparteien verpflichten sich, ihren Abgeordneten zu empfehlen, für die Durchführung einer Volksabstimmung über einen .in dieser Angelegenheit zustande gekommenen Gesetzesbeschluß zu stimmen, sofern dies von der überstimmten Partei verlangt wird“.

Diese Bestimmungen des Arbeitsübereinkommens versprechen einigen Aufschluß nicht nur über die Frage, wie die Regierungsparteien das Wohnungsproblem lösen werden, sondern auch darüber, ob sie zu einer dauerhaften und sinnvollen Lösung wichtiger innenpolitischer Fragen noch fähig sind. Gerade die österreichische Jugend, welche die vollen Lasten einer sinnwidrigen und unfähigen österreichischen Wohnungspolitik zu tragen hat, ist nicht mehr länger gewillt, diese untragbaren Zustände hinzunehmen. Gelingt eine Lösung nicht in der im Arbeitsübereinkommen festgesetzten Zeit, sind schwerwiegende Auswirkungen auf das innenpolitische Leben unseres Staates unvermeidlich. Dies alles sollte dazu drängen, die Wohnungsfrage nicht mehr länger zurückzustellen; die im Arbeitsübereinkommen festgelegte Zeit ist für die Behandlung einer so verfahrenen und komplizierten Frage bestimmt nicht zu lang.

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