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Differenzierung der Bestimmungen

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Soziale Erwägungen kommen ins Spiel, wenn der Entwurf einen eigenen Tatbestand für die Überanstrengung eines noch nicht Achtzehnjährigen oder Schonungsbedürftigen enthält oder wenn nunmehr die vorsätzliche Beeinträchtigung von Schutzvorrichtungen in einem Betrieb, ebenso wie die fahrlässige Begehungsart, und wenn die vorsätzliche oder fahrlässige Hinderung eines lebenswichtigen Betriebes unter Strafe gestellt wird.

Sozialpolitisch ist die Ausweitung des Schutzes gegen Gefährdung durch Kernenergie oder ionisierende Strahlen oder gegen Gefährdung des Bahn-, Schiffahrts- oder Luftverkehrs und die Schaffung besonderer Bestimmungen gegen die Gefährdung im Straßenverkehr zu betrachten.

Wirtschaftspolitisch ist es begründet, den Schutz des einzelnen gegen Auskundschaftung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses im allgemeinen und besonders zugunsten des Auslandes strafrechtlich zu verankern. Aus ähnlichen Erwägungen wurde für die unrechtmäßige Entziehung von Energie ein eigener Tatbestand geschaffen und wurden nunmehr die Eingriffe in fremdes Jagd- und in fremdes Fischereirecht als gerichtlich strafbare Handlungen pönalisiert. Der Schutz gegen Hehlerei wurde durch einen eigenen Tatbestand auch auf fahrlässiges Ansichbringen, Verheimlichen oder Verhandeln von Sachen ausgedehnt. Schließlich läßt die Bezugnahme darauf, daß durch die Tat die Volkswirtschaft erschüttert oder die wirtschaftliche Existenz einer großen Zahl von Menschen geschädigt wird und die Festlegung dieser Voraussetzung als einen im Gesetz festgelegten Erschwerungsgrund, den wirtschaftlichen Aspekt nicht vermissen.

Zu den staatspolitischen Aufgaben eines Strafgesetzes gehört vor allem der Schutz des Staates gegen Hochverrat, also gegen Unternehmungen, die darauf abzielen, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt die Verfassung der Republik Österreich oder eines ihrer Bundesländer zu ändern oder ein zur Republik Österreich gehöriges Gebiet abzutrennen, ebenso wie gegen Landesverrat, ein bisher dem österreichischen Recht fremder Deliktstyp, der darin besteht, daß jemand ein Staatsgeheimnis verrät, preisgibt oder ausspäht oder geheimen Nachrichtendienst zum Nachteil Österreichs oder schließlich Verrat im Kriege betreibt. Begründet ist der Perfektionismus, wenn auch andere Angriffe auf die verfassungsmäßige Ordnung, nämlich auf die abschließend aufgezählten Rechtsgüter: die Unabhängigkeit, die in der Verfassung festgelegte Staatsform oder eine verfassungsmäßige Einrichtung, pönalisiert werden. Die obersten Staatsorgane (Bundespräsident, verfassungsmäßige Vertretungskörper, Regierung und Verfassungsgerichtshof) werden ebenso gegen Angriffe geschützt wie die Republik oder eines ihrer Bundesländer sowie 'die österreichischen S y m b o 1 e , geg*n ihre Herabwürdigung. Neu, wie der Schutz österreichischer Symbole, ist der Schutz fremder Symbole gegen HeraS-würdigung, sei es in einem Druckwerk, im Rundfunk, im Fernsehen oder sonst auf eine Weise, daß die Tat einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wird. Unter Symbolen werden die Farben, die Flagge oder das Wappen Österreichs oder eines seiner Bundesländer oder eines fremden Staates oder einer Überoder zwischenstaatlichen Organisation und schließlich die Bundeshymne beziehungsweise die bei einem offiziellen Anlaß vorgetragene Hymne eines fremden Staates verstanden.

Da Österreich ein neutraler Staat ist, wurde der Kriminalisierung der Neutralitätsverletzung ebenso ein besonderes Augenmerk zugewendet wie dem Schutz der Institution, die nötigenfalls zur Wahrung der Neutralität eingesetzt werden muß, nämlich des Bundesheeres. Umgehung der Wehrpflicht, Wehrmittelsabotage und militärischer Nachrichtendienst für einen fremden Staat sind nunmehr gerichtlich strafbare Handlungen.

Daß die strafbaren Handlungen bei Wahlen und Volksabstimmungen aus dem Sondergesetz, nämlich dem Wahlschutzgesetz des Jahres 1907, übernommen, zum Teil verändert und vor allem auch den veränderten verfassungsmäßigen Voraussetzungen angepaßt wurden, wie dies insbesondere wegen der Bedachtnahme auf Volksabstimmungen notwendig war, soll nicht unerwähnt bleiben.

Begrüßenswert ist die Zusammenfassung und systematische Neuordnung der strafbaren Handlungen gegen die Rechtspflege. Dazu zählen die falsche Beweisaussage vor Gericht und auch vor einer Verwaltungsbehörde — dem verschiedenen Unrechtsgehalt wird durch verschiedene Strafen, nämlich drei Jahre bzw. ein Jahr, Rechnung getragen —, die Herbeiführung einer falschen Beweisaussage, die Beweisfälschung, Unterdrückung eines Beweismittels, die falsche Anschuldigung und die Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung, um nur die wesentlichsten Delikte aus diesem Abschnitt anzuführen. Hier haben wir es allerdings mit einem Abschnitt zu tun, der nicht die allseitige Zustimmung der Kommission fand. Dies drückte sich insbesondere darin aus, daß Minderheitsvoten in größerer Zahl eingebracht wurden, die sich insbesondere gegen die in diesem Abschnitt wiederholt vorgesehene Möglichkeit, von Strafe abzusehen, richten. Damit wollten wir einer Aufweichung des Schutzes der Rechtspflege entgegentreten. Es war dies um so mehr notwendig, weil, entgegen den Bestimmungen des geltenden Rechtes, bei den strafbaren Handlungen gegen die Rechtspflege die 'tätige Reue als Strafaufhebungsgrund , eingebaut - wurde. Die Bedenken, die- gegen diese Neuerung bestehen, kamen teilweise zum Tragen durch Minderheitsvoten, die sich auf die Formulierung und demnach Umschreibung dieses Strafaufhebungsgrundes bezogen.

Der offenbaren Milde im Kapitel Rechtspflege steht gegenüber eine besondere Strenge bei den strafbaren Verletzungen der Amtspflicht. Strenge deshalb, weil die Tatbestände einerseits hinsichtlich des Personenkreises über das geltende Strafgesetz hinaus erweitert wurden und weil anderseits die Höhe der Strafsätze zeigt, welcher besondere Unrechtsgehalt diesen Delikten zugemessen wird. Es wird demnach, nicht wie im geltenden Recht, die Geschenkannahme nur bei Beamten bestraft, die bei Verwaltung der Gerechtigkeit, bei Dienstverleihungen oder bei Entscheidungen über öffentliche Angelegenheiten ein Geschenk annehmen, sondern es fällt nunmehr jeder Amtsträger darunter, der für die pflichtgemäße Vornahme oder Unterlassung einer Amtshandlung Geschenke annimmt.

Der Kreis wurde erweitert auf Organe öffentlicher Unternehmen — es fand diese Bestimmung keine allseitige Zustimmung —, soweit sie mit leitenden Aufgaben betraut sind. Auch die letztangeführte Umschreibung fand wegen ihrer mangelnden Präzision nicht allgemeine Zustimmung. Man beschränkte sich schließlich, weitergehende Anträge des Bundesministeriums für Justiz fanden keine Zustimmung, auf öffentliche Unternehmungei die zu mehr als der Hälfte einer ode mehreren Gebietskörperschaften odeinem oder mehreren solchen Untei nehmen gehören. Weitergehend Schaffung eigener Tatbestände, wie s: vor Jahren in einem sogenannten Ant korruptionsgesetz enthalten warei fanden keinen Eingang in die Bessin mungen der zweiten Lesung, obwo' solche Anträge gestellt worden sin Hier sind wir bereits bei Fragen, die a strittig angesehen werden könnei wie weit nämlich der Gesetzgebi bei der Kriminalisierung gehen so! Geht er z u weit — ich erinnere an d Zeiterscheinungen der Jahre 1938 b 1945 —, so benimmt er, ja beraubt i seine Anordnungen der entsprechend Wirksamkeit.

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