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Im Bereich des Experimentellen

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Der Lebenssinn des Menschen äufjert sich in seinen Interessen; durch sie nimmt er seinen Nächsten und damit die Gesellschaft wahr. In der Gesellschaft selbst begegnen Sich die Interessen der einzelnen, welche in dem Mähe, in dem sie Übereinstimmung und Deutlichkeit erlangen, die Eigenschaft der Öffentlichkeit annehmen. Von den öffentlichen Interessen der Gesellschaft unterscheiden sich die Zwecke des Staates. Man versteht darunter jene Zwecke, welche durch Rechtssätze als die zu verfolgenden Ziele des Staates angegeben werden. Während sich die öffentlichen Interessen nach den Anliegen des einzelnen und der Gesellschaft wandeln können und einmal mehr und ein andermal weniger deutlich werden, ist dies bei den Staatszwecken, die zum Inhalt einer staatlichen Norm geworden sind, nicht der Fall; sie sind vorhersehbar und berechenbar. Da die Verfassung die höchstrangige staatliche Rechtsnorm ist, sind die Staatszwecke Inhalt von Verfassungsrechtssätzen und dem Handeln des Staates In Ausübung seiner Gewalt in Gesetzgebung, Gerichtsbarkeit und Verwaltung gleichsam als Zielsetzung vorgeschrieben. Eine solche Staatszielsetzung ist etwa dann gegeben, wenn in einer Verfassung ausdrücklich vorgeschrieben ist, dafj ein Staat Rechtsstaat oder Sozialstaat sein soll.

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Der Lebenssinn des Menschen äufjert sich in seinen Interessen; durch sie nimmt er seinen Nächsten und damit die Gesellschaft wahr. In der Gesellschaft selbst begegnen Sich die Interessen der einzelnen, welche in dem Mähe, in dem sie Übereinstimmung und Deutlichkeit erlangen, die Eigenschaft der Öffentlichkeit annehmen. Von den öffentlichen Interessen der Gesellschaft unterscheiden sich die Zwecke des Staates. Man versteht darunter jene Zwecke, welche durch Rechtssätze als die zu verfolgenden Ziele des Staates angegeben werden. Während sich die öffentlichen Interessen nach den Anliegen des einzelnen und der Gesellschaft wandeln können und einmal mehr und ein andermal weniger deutlich werden, ist dies bei den Staatszwecken, die zum Inhalt einer staatlichen Norm geworden sind, nicht der Fall; sie sind vorhersehbar und berechenbar. Da die Verfassung die höchstrangige staatliche Rechtsnorm ist, sind die Staatszwecke Inhalt von Verfassungsrechtssätzen und dem Handeln des Staates In Ausübung seiner Gewalt in Gesetzgebung, Gerichtsbarkeit und Verwaltung gleichsam als Zielsetzung vorgeschrieben. Eine solche Staatszielsetzung ist etwa dann gegeben, wenn in einer Verfassung ausdrücklich vorgeschrieben ist, dafj ein Staat Rechtsstaat oder Sozialstaat sein soll.

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Als Staatszwecke werden der Rechte- md Machtzweck mrad der Kulte- uind Wohlfalhrtsizweck genannt, dii'e, nach dem Maße ihrer Beachtung und Ausführung, dien Staat durch einen liimitiierenidea oder expansiven Staatszweck kennzeichnen. Es darf nicht angenommen werden, daß der Rechte- und Machtzweck ein den Staat besonders qualifizierender Zweck sei; bann doch ein Herrschaftsverhand erst dann als Staat bezeichnet wenden, wenp er mit dauerndem Erfolg imstande ist, Ruhe, Ordnung und Sicherheit hersteilen zu können. Dabei dürfen der Rechte- und Machtzweck nicht als Gegensatz, sondern müssen als wechselweise Entsprechung gedacht werden; denn gerade im Staat wird die Macht in den Dienst des Rechtes gesteht und dem Wollen des an die Gesetze gebundenen und letztlich der Verfassung unterworfenen Staates die Möglichkeit der Rechtsdurchsetzung in einem Prozeß der Verfassungisaus- führiung geboten. In dieser Sicht sind aber nicht nur der Rechts- und Machitziweck, sondern auch 'der Kulte- und Wohlfahrtszweck keine Paare von Gegensätzlichkeiten, sondern vielmehr Etappen staatlicher Zielsetzung, die ihren Ursprung in dem einen Bemühen halben, dem einzelnen die erforderliche Freiheit zu sichern. Durch das Recht, hat der Staat die Freiheit nicht allein bezweckt,, sondern der Staat -1st die Freiheit selbst, „weil er das Rechtegesetz ist“1. Setzt nun der Staat das Recht in den Dienst des Kultur- und Wohlfahrtszweckes, so ändert sich nicht die Rechtsform — für die weiter das Gesetz vorgesch,rieben ist —, sondern es erweitert sich nur der Rechtsinhalt.

Diese Erweiterung der staatlichen Tätigkeit vom Rechte- und Machit- zweck zum Kultur- unid Wohlfahnts- zweck ist dann gegeben, wenn sich der Staat nicht nur zur Herstellung einer Friedensordnung nach innen und nach außen, sondern auch dazu verpflichtet fühlt, dem einzelnen die sozialen und wirtscbafitlichein Voraussetzungen zu schaffen, damit er die ihm durch den erfüllten Rechtsund Machtzweck gewährte Freiheit zur vollen, auch kulturellen Entfaltung seiner Persönlichkeit nutzen kann.

Wie weit der Staat in der Aufnahme von Staatszwecken auf die Belange des einzelnen und der Gesellschaft bedacht nimmt, hängt davon ab, wieweit das öffentliche Interesse durch Rezeption von seiten des Rechtes zum Zwecke des Staates wird. Der einzelne und die Gesellschaft können nur in dem Maße eine Entsprechung ihrer Interessen durch den Staat erwarten, als diese ver- recbflichl zum Staateizweck geworden sind.

Entwicklung zum Parteienstaat

Stellt sich die Frage nach den Staatszwecken Österreichs, muß festgesitellt werden, daß die österreichische Rechtsordnung durch einen Stu'fenJbau gekennzeichnet ist, nach dem die Verfassung die Grundlage für jede Tätigkeit des Staates in der Ausübung seiner Funktion der Gesetzgebung, Gerichtsbarkeit und Verwaltung ist. Auf Grund der Verfassung ergehen die sogenannten einfachen Gesetze, die durch Verordnungen näher aiuageführt werden. Diese generellen abstrakten Normen sind wieder die Grundlage für die individuell konkreten Vollzugsakte der Straf- und Zivilurteilie der Gerichte und der Bescheide der Verwaltungsbehörden, welche ihre Ausführung durch die Volilstrek- kungsbeschlüsse, sei es als Exe kutionsbeschlüsse oder als Verwal- tangsvoEstreckungsfoeschlüsse, erhalten.

Unter der Verfassung versteht man in Österreich die Verfassungs- gesetze, die in einfachen Gesetzen enthaltenen Verfasswngsbestimmun- gen und dlie verfassoragsüraÄemden Staateverträge. Die wichtigste Ver- fagsungsrechtscIualle ist das Bünides- verfassungsigesetz vom 1. Oktober 1920 in der Fassung von 1929, weil es die-grundilegenden Bestimmungen über den Aufbau des österreichischen Staates beinhaltet.

Da auf Grund des Stufenbaues der Rechtsordnung alle österreichischen Rechitssätze dm Dienste der Verfassung sitehen und sich als Akte ihrer Aus- und Durchführung erweisen, ist zur Beantwortung der Frage nach den Staatszwecken Österreichs in erster Linie das Bundesvertfaissungs- gesetz 1920 heramzuzieben.

D ieses Bundesverf assumgsgesetz ist in sieben Häuptstücke gegliedert, die nach allgemeinen, Österreich als demokratische Republik mit bundesstaatlichem Aufbau kennzeichnenden Bestimmungen, die Gesetzgebung des Bundes, die Vollziehung des Bundes, die Gesetzgebung und Vollziehung der Länder, die Rechnungs- und Gebarunggkon- trolle, die Garantien der Verfassung und Verwaltung regeln und Schluß- bestimmungen beinhalten. Von diesen ist Artikel 149 von besonderer Bedeutung. Er erklärt, daß neben dem Bundesverfassungsgesetz 1920 unter anderem auch das Staats-, grundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger vom 21. Dezember 1867 als Verfassungsgesetz gilt.

Betrachtet man das Bundesverfassungsgesetz und seine Entwicklung, so können die Prinzipien der Demokratie, des Bundesstaates und des Rechtsstaates als leitende Grundsätze der Verfassung festgestellt werden. Darüber hinaus ist eine Entwicklung zum Parteienr- und Kaimmerstaalt zu erkennen. Eigene Staatszwecke, die der Verfatssumgs- gesetzgeber ausdrücklich vorgeschrieben hätte, können nicht aufgedeckt werden, da sie das Bundes- verfassungsgesetz wie das Staatsgrundgesetz gleich, dem übrigen österreichischen Verfassungsireeht nicht enthält. Es verbleibt nur die Möglichkeit, aus den genannten Grundsätzen des österreichischen Verfassungsrechtes und ihrer Entwicklung das Wirken von Staatszwecken festzustellen.

Jeder „Staatszweck“ möglich

So läßt der ganze Aufbau des demokratischen Rechtsstaates in

Österreich mit all seinen Befehlsformen und Einrichtungen auf eine Anerkennung des Rechts- und Machtzweckes auch dann schließen, wenn er seihst nicht genannt wird. Dafür zeugen unter anderem besonders die Bindung der Vollziehung an die Gesetze, die Amtisfeaftung, die Gewaltenteilnng, die Venfassungs- und yerwaitungsgerichtstoarkeit und die- Grundrechte. Die Macht des Staates wird in dieser Weise in den Dienst des Rechtes gestellt und trägt damit zur Gesetzesautoriität bei. Durch dieses Gebot des etwa an keiner Stelle der Verfassung gleich dem Bundesstaat ausdrücklich genannten Rechtsstaates wird auch der Dienst am Kultur- und Wohlfahrtszweck nicht ausgeschlossen. Da diese Staatszwecke nicht ausgeschlossen wurden, sind sie als mögliche Staatszwecke amzusehen; so ihnen der Staat in Gesetzesform entspricht, sind auch sie als Geset- zesinlhailt möglich. Ihre Grenzen finden diese möglichen, weil nicht ausgeschlossenen Staatszwecke nur an den Grundrechten deis Staatsgrund- gesetzes, die durch Artikel 149 Bun- desverfassiumgsgesetz übernommen wurden. Darin kann eine klare Wertentscheiduing, nämlich eine Anerkennung der Freiheit und Würde des Menschen, erblickt werden.

In Zusaimmemsehau von Bundes- verfaissungagesetz und Staatsgrund- gesetz ergibt sich daher, daß in Österreich jedem Staiatszweck entsprochen werden kann, sofern dies in Gesetzesform geschieht und mit den Grundrechten des Staatsgrundgesetzes vereinbar ist.

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