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In Linz wohnt man teuer

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In wenigen Bundesländern wird das Wohnungsproblem so systematisch durchleuchtet wie in Oberösterreich, und wenige Städte verfügen über eine so gründliche Statistik wie Oberösterreichs Landeshauptstadt Linz. Dieses Lob fällt paritätisch der Landesregierung (mit Oberrat Dr. Lackinger) und dem Magistrat Linz (mit Senatsrat Dr. Heidenwag) zu, die nicht nur ambitioniert Statistiken zu erstellen verstehen, sondern deren ausgesprochenes Steckenpferd auch das Wohnungsproblem darstellt.

So verfügen wir gerade aus dem oberösterreichischen Raum über hieb-und stichfeste Unterlagen über den Wohnungsbau, die Wohnungsgröße, die Bauherrn, die Wohnungsfinanzierung und anderes. Von besonderem Interesse — gleichzeitig ein Schlüsselproblem — ist natürlich auch die Frage der Miethöhe. Die vorhandenen Zahlen, die in den nächsten Wochen und Monaten noch weiter ausgebaut werden, zeigen auf, wie rein zufällig, gleichzeitig aber auch brutal ungerecht die Miethöhe verteilt ist, ohne daß heute überhaupt noch im einzelnen auf soziale Belange Rücksicht genommen werden kann. „Das Mietenniveau kann in Linz als sehr hoch bezeichnet werden“, heißt es lapidar in dem vom Magistrat Linz herausgegebenen Statistischen Jahrbuch. Gewiß unterscheiden sich die durchschnittlichen Altmieten (mit 2.14 Schilling Quadratmeterpreis für “vor 1900 errichtete Häuser; mit 2.66 Schilling für die in der Zwischenkriegszeit erbauten Wohnungen; mit Mieten von 4.91 Schilling je Quadratmeter für nach 1945 gebaute und Miethöhen von 6.82 Schilüng für die in den letzten fünf Jahren errichteten Wohnungen) kaum von denen anderer Bundesländer. Viel entscheidender ist aber eine Übersicht, wie hoch der Prozentsatz derer ist, die diese Mieten zahlen müssen, und welche Bevölkerungsgrup-pen Mieten von zwei oder Mieten von acht und zehn Schilling zu zahlen haben.

Nur noch 17 Prozent Mieterschutzwohnungen

Die meisten Linzer, mehr als ein Drittel (35 Prozent), zahlen eine Miete, die zwischen 100 und 200 Schilling liegt, ein Viertel (26,6 Prozent) eine, die unter 100 Schilling liegt. Aber auch die Zahl jener Mieter, die monatlich mehr als 200 Schilling zahlen, ist hoch: 16,9 Prozent aller Linzer Mieter geben monatlich 200 bis 300 Schilling führ ihre Wohnungsmiete aus, 10,9 Prozent zwischen 300 und 400, rund zehn“ Prozent mehr als 400 Schilling.

Aber vielleicht sagt eine andere Betrachtungsweise der Mieten mehr aus: Nur 15 Prozent der Linzer zahlen einen Quadratmeterpreis von weniger als einem ' Schilling je Quadratmeter, bei einem knappen Drittel (31 Prozent) liegt er zwischen einem und drei Schilling, bei einem reichlichen Viertel (26,4 Prozent) liegt der Qua-, dratmeterpreis der Nutzfläche zwischen drei und sechs Schilling. Es müssen aber bereits die Inhaber von mehr als elf Prozent aller Linzer Wohnungen bis zu zehn Schilling und fast vier Prozent mehr ab zehn Schilling je Quadratmeter bezahlen!

Es gibt schließlich noch eine dritte — nicht minder interessante — Zusammenstellung: Sehr wenig, nur 10.930 der 61.300 bewohnten Linzer Normalwohnungen, sind nach dem Mietengesetz vermietet, also sogenannte „Mieterschutzwohnungen“; das sind nur etwas mehr als 17 Prozent! Die Hälfte aller Linzer Wohnungen ist „nach anderen gesetzlichen Bestimmungen“ vermietet, zwölf Prozent nach freier Vereinbarung. Etwas mehr als zehn Prozent der Linzer Wohnungen stehen in der Eigenbenutzung des Hauseigentümers. Fast gleich hoch ist die Zahl der Dienst- und Natural-wohnungen. Der Anteil der Eigentumswohnungen ist mit etwas mehr als drei

Prozent aller Linzer Wohnungen ebenfalls nicht gering.

Die Bedeutung dieser Zahlen erkennt man eigentlich erst dann so richtig, wenn man gesamtösterreichische Vergleichszahlen und die anderer Bundesländer heranzieht. Während in den meisten der österreichischen Bundesländer die Zahl der Mieterschutzwohnungen verständlicherweise niedriger ist als in ihren Landeshauptstädten, ist es in Oberösterreich umgekehrt: Hier macht der Anteil der Mieterschutzwohnungen an der Gesamtzahl der Wohnungen wohl nur 21,5 Prozent aus (also wesentlich weniger als ein Viertel aller Wohnungen!), wird aber in der Landeshauptstadt Linz mit 17 Prozent noch weiter unterboten. Die gesamtösterreichische Zahl macht weit mehr als das Doppelte aus: in ganz Österreich erreicht der Anteil der Mieterschutzwohnungen (nach der Volkszählung von 1961) 52,4 Prozent, in Wien springt er allerdings bis auf 70,3 Prozent. Innerhalb der anderen österreichischen Bundesländer macht der Anteil der Mieterschutzwohnungen 46 Prozent (Steiermark), 39 Prozent (Tirol und Niederösterreich), 34 Prozent (Salzburg), 28 Prozent (Kärnten), 26 Prozent (Vorarlberg) und — als einziges Bundesland, das verständlicherweise noch unter Oberösterreich liegt — im Burgenland 16 Prozent aus. (Informierte Kreise halten allerdings diese Prozentsätze noch für ungenau und leicht überhöht, weil die Frage auf dem blauen Fragebogen der Volkszählung vermutlich bewußt ungenau „Mieten nach dem Mietengesetz“ gestellt war.)

Arbeiter in teuren Wohnungen!

Aber auch auf die Frage, auf welche Bevölkerungsschichten sich die „billigen“ und die teueren Wohnungen verteilen, bekommen wir heute schon eine Antwort. Von den sogenannten „billigen“ Wohnungen, also jenen, deren monatliche Miete weniger als hundert Schilling ausmacht (ob sie im Vergleich zu ihrer Größe, Ausstattung und Lage tatsächlich als „billig“ zu bezeichnen sind, darüber sagt die Statistik natürlich nichts aus), sind 46 Prozent im Besitz von Rentnern und Pensionisten, 24 Prozent im Besitz von Arbeitern. Der Anteil der Arbeiter an den teueren Wohnungen ist aber weit höher: er macht bei denen mit einer monatlichen Miete von 400 bis 500 Schilling fast das Doppelte, nämlich 42 Prozent aus.

Werden die Wohnbewerber die künftigen Mieten bezahlen können?

Verständliche Sorge macht man sich natürlich mit der weiteren Entwicklung und stellt die Frage, ob die derzeitigen Wohnungsanwärter (das städtische statistische Amt nennt die vermutlich auch überhöhte Zahl von 16.000 Wohnungsanwärtern für Linz) die derzeit üblichen Mieten, die je nach Lage und Ausstattung der Wohnungen zwischen sechs und elf Schilling je Quadratmeter schwanken, überhaupt bezahlen können. Die berufliche Gliederung der Wohnungsanwärter hat nämlich ein ganz anderes Gesicht, ab es die derzeitigen Wohnungsinhaber zeigen: von 100 sind 57 Arbeiterhaushalte, 22 Haushalte von Angestellten, 14 von Rentnern, fünf von Beamten, einer von Selbständigen und ein sonstiger Haushalt. Derzeit bewohnen aber 100 Normalwohnungen 27 Rentner und Pensionisten, 26 Arbeiter, 22 Angestellte, 14 Beamte, acht selbständige Gewerbetreibende und drei sonstige.

Starkes „Gefälle“

In Kürze schon werden gründliche Untersuchungen über die Mietensituation in Oberösterreich vorliegen, die noch etwas genauer ab die Repräsentativuntersuchung der Landeshauptstadt Linz und vielleicht noch sensationeller sein werden. Heute schon sickern einige Nachrichten durch, so etwa daß allein die Mieten der 1961 fertiggestellten Wohnungen so viel ausmachen wie die Mieten aller Mieterschutzwohnungen Oberösterreichs zusammengenommen.

Eine gewiß nicht allgemeingültige Repräsentativbefragung der Pendler aus dem Mühlviertel hat wieder ergeben, daß die Durchschnittsmiete dieser Pendler 78 Schilling ausmacht und daß nur ein sehr kleiner Prozentsatz, nämlich 3,5 Prozent der Pendler eine Miete hat, die höher als 200 Schilling ist.

Eine Zwischenstellung nimmt die Stadtregion rings um Linz, die nicht zum Linzer Stadtgebiet gehört, ein. Die Zahl der Wohnungen, deren Miete unter 100 Schilling liegt, erreicht hier immerhin 40 Prozent, 34 Prozent der Wohnungen haben Mieten zwischen einem und drei Schilling je Quadratmeter. Noch nicht allzusehr fällt die Zahl der Mieter, die mehr ab sechs Schilling zahlen müssen (insgesamt ein Prozent), ins Gewicht.

Was sagen nun diese Zahlen?

Ein Vergleich dieser unterschiedlichen Mieten dürfte vorerst eine interne oberösterreichische Folge haben: Die Mietenhöhen der Neubauwohnungen bilden für sehr viele der Pendler kaum einen Anreiz, nach Linz zu ziehen, zumal für jene, deren Zufahrtsweg nicht allzu lang und allzu umständlich ist. So dürfte vielleicht auch die Zahl der errechneten Wohnungsanwärter überhöht sein.

Die Vergleiche mit anderen Bundesländern, aber vor allem auch mit Wien zeigen, daß sich das Wohnungsproblem — auch von der Mietenseite her betrachtet — nicht über einen Leisten schlagen läßt. Bei allen Zentralisierungstendenzen, die zum Teil kaum zu umgehen sein werden, ist gerade hier ein Gebiet, wo bundeseinheitliche Lösungen nur schwer zu finden sind — und ja auch seit 46 Jahren (I) nicht gefunden werden konnten. Immerhin zeigen die absolut geglückten, mutigen Lösungsversuche im Ausland, daß das Wohnungsproblem auch heute keineswegs unlösbar ist; die immer gründlicher und vollständiger werdenden österreichischen Statistiken zeigen daneben auf, daß das Problem auch bei uns für eine Lösung reif ist.

Die Teiluntersuchungen aus Oberösterreich lassen aber auch die nicht mehr neue Frage als aktuell erscheinen, ob unser sogenannter sozialer Wohnungsbau wirklich das Prädikat „sozial“ verdient. Es geht heute ja keineswegs nur darum, endlich einmal eine gerechte Lösung zu finden, sondern eine Lösung, bei der solche Schwerpunkte gebildet werden können, daß in Hinkunft Mieten von den noch verbliebenen Wohnungsuchenden überhaupt noch bezahlt werden können.

Ein letztes müßten schließlich noch die Zahlen erreichen: daß das Wohnungsproblem aufhört, ein Politikum zu sein.

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