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Keine Einsätze zur Durchsetzung von Großmachtinteressen

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Sowohl an einem internationalen Sicherheitssystem als auch an der Verteidigung des EU-Territoriums könnte sich Österreich beteiligen. Der Präsident des Österreichischen Studienzentrums für Frieden und Konfliktlösung (ÖFSK) im bur-genländischen Stadtschlaining, Gerald Mader, konstatiert im Gespräch mit der FURCHE heute eine grundlegende Veränderung der Natur des Krieges. Zwischenstaatliche Kriege sind heute seltener, innerstaatliche Kriege häufiger geworden. Das erfordere ein „Umdenken und eine neue Strategie der Sicherheitspolitik". Konkret heiße dies ein Zurücktreten der Bedeutung der Landesverteidigung, „während Friedenseinsätze komplexer, teurer, gefährlicher und multifunktionaler werden". „Da Frieden und Sicherheit nicht durch zwischenstaatliche Aggression bedroht sind, kann die militärische Verteidigung auf das unbedingt notwendige Maß reduziert werden", folgert Mader. Für Friedenseinsätze verweist er im militärischen Bereich auf die bekannten peace-keeping-Operationen, im zivilen Bereich auf jene nicht-militärischen Instrumente, die UNO-Generalsekretär Boutros-Ghali in seinen Agenda for Peace aufgezählt hat. Vorbeugende Diplomatie mit Früherkennung und Frühwarnung, early ac-tion, vorbeugende Dislozierung, zivile Komponenten von peace keeping, peace building und Friedenskonsolidierung einschließlich Mikro-Abrüstung in der Konfliktfolgezeit.

Mader fordert vor allem eine verstärkte Ausbildung ziviler Fachkräfte und die entsprechende Aufstockung von finanziellen Aufwendungen für zivile Einsätze. Friedenseinsätze der

Staatengemeinschaft sind - so Mader- „ein geeignetes und vorbeugendes Mittel zur Bekämpfung innerstaatlicher Konflikte und Kriege, aber sie erfordern zu ihrem Erfolg den rechtzeitigen Einsatz der nichtmilitärischen Instrumente des Friedens und der Sicherheit, deren personelle und finanzielle Bessourcen und Anwendungsmöglichkeiten verbessert werden müssen". Für die einzelnen Staaten und die internationale Staatengemeinschaft müßten - ähnlich, wie dies der US-amerikanische Kongreß für den Einsatz amerikanischer Trappen getan hat - Kriterien für die Teilnahme an einer „kooperativen Sicherheitspolitik" entwickelt werden.

Für Österreich könnte diesbezüglich nach Mader folgendes gelten:

Als UNO-Mitglied ist Osterreich grundsätzlich bereit, kooperativ an vom Sicherheitsrat beschlossenen Maßnahmen mitzuwirken. Als OSZE-Mitglied (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, aus KSZE hervorgegangen) gilt diese Bereitschaft auch für OSZE-Be-Schlüsse. Als EU-Mitglied wird sich Österreich an einem künftigen EU-Sicherheitssystem beteiligen - zur Bekämpfung von inneren Konflikten oder zur äußeren Verteidigung im Angriffsfall auf EU-Territorium. Ohne Deckung durch UNO- oder OSZE-Beschlüsse sollte nach Mader Österreich nicht bereit sein, „an militärischen Interventionen sowie an einer nuklearen Verteidigung und Außenpolitik der EU mitzuwirken beziehungsweise diese aufgrund einer automatischen Beistandspflicht politisch oder finanziell zu unterstützen".

Kriege zwischen EU-Mitgliedern erscheinen heute als unvorstellbar, „daher kann die militärische Verteidigung der Grenzen der einzelnen Staaten bis auf weiteres von jedem Staat selbst nach dem Subsidiaritäts-prinzip wahrgenommen werden".

An peace-keeping-Operationen, humanitären Einsätzen und sonstigen Nichtkampfeinsätzen der EU und anderer internationaler Organisationen (beispielsweise der WEU oder der NATO-Partnerschaft für den Frieden) kann und soll Österreich teilnehmen, wenn sie durch Sicherheitsrat oder OSZE gedeckt sind.

Vehement rät Mader ab, sich militärisch, politisch oder finanziell an EU- und NATOTnterventionen zu beteiligen, „welche primär auf die Durchsetzung von wirtschaftlichen und geopolitischen Großmachtinteressen gerichtet sind". „Davon unabhängig sollten Fjiforcement-Einsätze der EU und WEU nur aufgrund einstimmiger Beschlüsse der Mitgliedsländer erfolgen."

Schließlich sollte Österreich zu einem Paradigmenwechsel der Sicherheitspolitik beitragen, „welcher", so Mader zur FURCHE, „der Tradition einer auf friedliche Konfliktaustragung gerichteten österreichischen Außenpolitik entspricht".

Am Freitag, 22. März, veranstaltet die Österreichische Kommission lustitia et Pax in der Diplomatischen Akademie, Favoritenstraße 15a, 1040 Wien, einen Studientag zum Thema „Europäische Friedenssicherung". Eine Podiumsdiskussion leitet Franz Gansrigier.

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