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Österreichs Grundwasser wird zum Sanierungsfall

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Das Grundwasser in Österreich ist stark belastet. Der Umweltkontrollbericht weist drei Viertel der untersuchten Reservoire als Sanierungsgebiete aus. Hauptschuld an der schlechten Wasserqualität trägt die Landwirtschaft.

Österreich verfügt, zumindest mengenmäßig betrachtet, über einen beträchtlichen Wasserschatz. Die Versorgung mit Trinkwasser erfolgt zu über 99 Prozent aus hochwertigem Quell- und Grundwasser. Andere Länder sind bei weitem nicht in einer so glücklichen Lage. So bezieht etwa Großbritannien 70 Prozent seines Trinkwassers aus Oberflächenwasser (Seen und Flüssen).

Bei näherer Betrachtung sieht die Situation allerdings auch hierzulande nicht mehr ganz so rosig aus. Die Hälfte des Bedarfes an Trinkwasser wird durch unterirdische Reservoire abgedeckt. Dieses sogenannte Porengrundwasser ist im Vergleich zum Quellwasser alarmierend stark mit Schadstoffen belastet, wie der vom Wiener Umweltbundesamt veröffentlichte Umweltkontrollbericht 1996 dokumentiert.

Drei Viertel der untersuchten Gebiete sind dermaßen verschmutzt, daß die Landeshauptleute Sanierungsmaßnahmen anordnen müßten. Während die Wiener mit reinstem Quellwasser ihre Klos spülen, weist der Umweltkontrollbericht das Grundwasser der Bundeshauptstadt zu 100 Prozent als Sanierungsfall aus. Hauptverursacher der Verschmut-

zung ist die Landwirtschaft durch Überdüngung mit Jauche und massiven Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Die größten Probleme bereiten dabei der „Dauerbrenner" Nitrat und das Pflanzenschutzmittel Atrazin:

(In mehr als ein Drittel der vom Umweltbundesamt untersuchten Grundwassergebiete wird der Grenzwert für Nitrat von 50 Milligramm pro Liter überschritten. Nitrat kann im Organismus zu Nitrit umgewandelt werden. Nitrit ist krebserregend und kann in hoher Dosis den Sauerstoff transport im Blut behindern und bei Säuglingen zum Erstickungstod führen. Als „massives Problem" im Grundwasser wird in einer Aussendung des Landwirt-

schaftsministers Wilhelm Molterer das Pflanzenschutzmittel Atrazin bezeichnet. Der Umweltkontrollbericht hält fest: 40 Prozent aller untersuchten Grundwasserregionen liegen über dem gesetzlichen Grenzwert für Trinkwasser von 0,1 Mikrogramm pro Liter für Atrazin und dessen Abbauprodukte. Atrazin steht in Verdacht, langfristig krebserregend und erbgutverändernd zu sein.

Das in erster Linie für Mais, Kernobst und im Weinbau verwendete Pestizid, ist in Österreich seit 1994 nicht mehr zugelassen. Dennoch wurde bei einer Trinkwasser-Meßtour der Umweltschutzorganisation Greenpeace im Mai eine Grenzwertüberschreitung von Atrazin bei jeder vierten

Probe, teilweise um mehr als das zehnfache, festgestellt.

„Ich vermute, daß Atrazin immer noch verwendet wird" erklärt dazu der Greenpeace-Chemiker Thomas Belazzi. „Für eine Halbwertszeit von einem halben bis einem Jahr sind die Mengen an Atrazin viel zu hoch." Belazzi führt das auf eine „rege Schmuggeltätigkeit" des Pflanzenschutzmittels aus Osteuropa und Italien zurück.

Bei der zweiwöchigen Trinkwasser-Meßtour durch fünf Bundesländer - Wien, Nieder- und Oberösterreich, Steiermark und Burgenland -wurden von der Bevölkerung aus über 250 Gemeinden 1.128 Wasserproben abgegeben. „Die Ergebnisse sind überaus alarmierend", betont die Leiterin des Projektes, Sonja Oberleitner. So lagen etwa in Linz und in Wels 44 Prozent der abgegebenen Proben über dem Grenzwert für Atrazin.

Bei Nitrat fanden die Greenpeace-Chemiker in fünf Prozent der abgegebenen Proben zu hohe Konzentrationen. Spitzenreiter waren Eisenstadt und Wien-Umgebung.

Im Juli und August startet der WWF ebenfalls eine Trinkwasserkampagne. Die Umweltschutzorgani-satiön will durch Verschicken von Gratismeßstreifen und Überprüfung des Trinkwassers vor Ort eine flächendeckend Analyse in ganz Österreich durchführen. Gemessen wird das Nitrat sowohl in privaten Hausbrunnen (15 Prozent der Bevölkerung), als auch bei den öffentlichen Trinkwasserversorgern. Die Autorin ist

Chemikerin undfreie Journalistin

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