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Vor neuen Aufgaben

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Die Oberösterreichische Raiffeisenzentralkasse ist im Jahre 1900 gegründet worden und hat im Laufe der Zeit immer größere Bedeutung erlangt. So wie die örtlichen Raiffeisenkassen ist auch sie eine Kreditgenossenschaft nach dem System ,,Raiffeisen“. Während die örtlichen Kassen rund 105.000 Personen aus allen Berufsschichten der Landbevölkerung zu ihren Mitgliedern zählen, setzen sich die Mitglieder der Zentralkasse, die sich über ganz Oberösterreich erstreckt, aus 481 Genossenschaften zusammen. Davon entfallen 296 auf Kreditgenossenschaften und der Rest auf landwirtschaftliche Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften. Von den letzteren sind die über ganz Oberösterreich verstreuten 30 landwirtschaftlichen Lagerhausgenossenschaften mit _ rund 51.150 bäuerlichen Mitgliedern und die Oberösterreichische Warenvermittlung als der Verband der landwirtschaftlichen Lagerhausgenossenschaften, deren Mitglieder die Lagerhausgenossenschaften sind, sowie die 48 oberösterreichischen Käserei- und Molkereigenossenschaften mit rund 47.900 ebenfalls nur bäuerlichen Mitgliedern mit ihrem „Schärdinger“-Molkereiverband die bedeutendsten.

Als Genossenschaft bezweckt die Oberösterreichische Raiffeisenzentralkasse die Förderung des Erwerbes und der Wirtschaft ihrer Mitglieder. Die Förderung der Kreditgenossenschaften erfolgt in der Weise, daß die Zentralkasse die Raiffeisenkassen in geschäftlichen Angelegenheiten berät, für die Ausbildung von Kassenaragestellten und für die räumliche Ausgestaltung der Raiffeisenkassen Sorge trägt und sich um ihre maschinelle und sonstige technische Einrichtung kümmert. Aufgaben, die bei den landwirtschaftlichen Lagerhausgenossenschaften und den Molkerei-und Käsereigenossenschaften in den Wirkungsbereich ihrer Verbände fallen.

So verfügen die oberösteTreichischen Raiffeisenkassen heute allein über 47 Angestellte, die in den letzten zehn Jahren auf Kosten der Zentralkasse ausgebildet und nach ihrer Ausbildung als Kassenleiter oder sonstige fachkundige Kräfte in das Dienstverhältnis zu ober-österreichischen Raiffeisenkassen überstellt wurden. Nicht zuletzt dadurch war es möglich, daß heute bereits die Hälfte der 296 Raiffeisenkassen von hauptberuflichen Angestellten als Tageskassen geführt werden können, während vor zehn Jahren erst 32 Raiffeisenkassen Kassenangestellte hatten, die hauptberuflich bei ihnen beschäftigt waren. Im selben Zeitraum haben die Raiffeisenkassen mit Hilfe des Vertragsarchitekten der Zentralkasse 51 Kasseri- - netibauten“ errtcrlMt, uncT“ä“ü1Ter3em TiäberTITe 29 Häuser gekauft, von denen bisher 24 unter fachkundiger Betreuung des Bausachverständigen der Zentralkasse zu Kassengebäuden umgebaut worden sind. Bei 72 Raiffeisenkassen wurden mit Hilfe der Zentralkasse Buchhaltungsmaschinen eingestellt.

Primär ist es jedoch Aufgabe der Zentralkasse, Geldausgleichsstelle der Raiffeisenkassen, die zum 30. Juni 1962 1705 Millionen Schil-lintg Einlagen verwalteten und im Jahr 1961 einen Umsatz von 13,9 Milliarden Schilling verzeichneten, zu sein. An diesem Stichtag betrug ihr Kreditvolumen 1102,4 Millionen Schilling, das zum weitaus überwiegenden Teil an die Landbevölkerung in Oberösteireich aushaftete.

Mit dem Ausbau der landwirtschaftlichen Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften hat die Zentralkasse aber auch eine andere wichtige Aufgabe bekommen, nämlich als Kreditinstitut für diese Genossenschaften zu fungieren.

Die Kreditbasis stellen die Flüssigkeitsreserven samt den Ersteinlagen der Zentralkasse mit insgesamt 707,5 Millionen Schilling zum 30. Juni 1962 dar, welche es der Zentralkasse ermöglichten, ihrerseits 417,3 Millionen Schilling zu gewähren.

Das für die Wirtschaft in Oberösterreich zweifellos nicht unbedeutende Kreditvolumen konnte nur auf Grund eines sukzessiven Ausbaues der Raiffeisenorganisation zur Verfügung gestellt werden. Ein Ausbau erscheint um so notwendiger, als sich die Geldverhältnisse zwischen Stadt und Land infolge der Strukturveränderung des Landvolkes und der immer arbeitsteiliger werdenden Wirtschaft gerade in den letzten zwei Jahrzehnten immer mehr angeglichen haben und das Geld als allgemeine Tauschmittel eine immer größere Bedeutung erlangt hat.

Anderseits ist es aber auch zu einem immei wichtiger werdenden Organisationsmittel füi den Ausbau der landwirtschaftlichen Erwerbs und Wirtschaftsgenossenschaften geworden deren Bedeutung in dem Maße angewachsei ist, als die Landwirtschaft, die früher vor nehmlich der Deckung des Eigenbedarfs dei Betriebsangehörigen diente, aus ihrem Rahmet herausgewachsen und ein integrierender Be standteil der Marktwirtschaft geworden ist.

Mit den Aufgaben der Raiffeisenkassen unihrer Zentralkasse wächst aber auch ihre Proble matik, und zwar nicht allein deswegen, weil da größere Kreditvolumen auch ein größere Risiko beinhaltet.

Mit dem Ausbau der Raiffeisenkassen wirdas Geschäft komplizierter, was bedeutend meh Fachwissen vom Kassenleiter erfordert al .^ifüher.. „Das, krcmjIuiexisr^Gescfaft hit the vielfach einen gTÖßerert Bürokratismus tlm Formalismus zur Folge und stößt häufig auf da Unverständnis der Mitglieder der Kreditgenos senschaft, die dadurch in Gefahr geraten, sie der Kasse zu entfremden und sich nicht mehr ii dem Maße um sie und damit um ihre eigene: kreditgenossenschaftlichen Belange in gegen seifiger Verbundenheit kümmern, wie dies früher der Fall war. Dies rührt aber an den genossenschaftlichen Kern der Raiffeisenkassen.

Hier ist eine stetige Aufklärung vonnöten. Die Ausbildung von Kassenleitern allein genügt nicht. Die Aufklärung und Unterrichtung in geldwirtschaftlichen und kreditgenossenschaft-lichen Belangen muß vielmehr in breiter Streuung erfolgen. Deshalb besuchen die leitenden Beamten der Zentralkasse möglichst viele Vollversammlungen der Raiffeisenkassen, bei denen sie einschlägige Referate halten. Im vergangenen Jahr wurden 109 Vollversammlungen von Raiffeisenkassen durch Herren der Raiff-eisenzentralkasse besucht, an denen — im Durchschnitt — mehr als 100 Personen teilgenommen haben.

Um das Geschäft nach wie vor möglichst übersichtlich und für die Mitglieder überschaubar zu führen, muß es weiterhin dezentralisiert und kundennohe abgewickelt werden. Die Entscheidungsbefugnis muß soweit wie möglich den einzelnen Kassen verbleiben und darf ihnen nicht von der Zentralkasse entzogen werden. Das bedingt aber auf deT anderen Seite außer dem notwendigen Fachwissen eine entsprechende Disziplin der Kreditgenossenschaften, die viel mehr als früher \einer Zusammenarbeit bedürfen.

Dasselbe gilt natürlich auch für die landwirtschaftlichen Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften im Verhältnis zu ihren Verbänden. Gegenüber der Zentralkasse fehlt den kreditsuchenden Mitgliedsgenossenschaften mitunter das Verständnis dafür, daß der Kredit nur eine ergänzende Funktion hat und nur bei Vorhandensein eines entsprechenden Eigenkapitals gewährt werden kann.

Die landwirtschaftlichen Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften sind zwangsläufig zu kapitalintensiven Unternehmungen geworden, die für die einzelnen marktorientierten landwirtschaftlichen Betriebe notwendige markt-

regelnde Funktionen ausüben. Die Anlagenwerte der oberösterreichischen Lagerhausgenossenschaftsorganisation stehen allein mit rund 210 Millionen Schilling zu Buch. Den Mitgliedern dieser Genossenschaften fehlt aber vielfach noch das Verständnis für die ihren genossenschaftlichen Unternehmungen innewohnenden wirtschaftlichen Eigengesetzlichkeiten. Die Folge davon ist, daß sie sich immer weniger um sie kümmern und die Mitglieder nur geringe Bereitschaft zeigen, ihren Genossenschaften das notwendige Eigenkapital in Form von Geschäftsanteilen zur Verfügung zu stellen.

Auch hier ist eine aufklärende Tätigkeit in Kursen, Tagungen und Versammlungen ungeheuer wichtig; ist doch an sich schon eine genossenschaftliche Haltung der Mitglieder der Lagerhausgenossenschaften, die sich wegen ihrer viel größeren Anlagenwerte gegenüber den Raiffeisenkassen über viel ausgedehntere Räume erstrecken müssen, schwerer zu erzielen, wenn dieser Umstand auch zum Teil wieder dadurch wettgemacht wird, daß die Mitglieder der landwirtschaftlichen Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften nur dem Bauernstand angehören, während die Mitglieder der Raiffeisenkassen sich aus Angehörigen der verschiedensten Bemfsstände zusammensetzen.

Man wird jedoch immer trachten müssen, die ergänzenden Funktionen der landwirtschaftlichen Genossenschaften in Schranken zu halten und die einzelnen Betriebe möglichst kapitalstark zu machen, da der einzelne Betrieb ansonsten zu einer Funktion des genossenschaftlichen Unternehmens herabsinken könnte.

Für die Entwicklung des Genossenschaftswesens werden aber nicht nur die Genossenschaftsidee und das Verhalten der leitenden Funktionäre und Beamten maßgeblich sein, sondern nicht zuletzt auch der gute Wille, die Einsicht und die genossenschaftliche Haltung der Mitglieder.

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