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Wirtschaftskommentar

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Nicht erst während der vergangenen Jahre, sondern schon seit ihrer Gründung wurde neben den künstlerischen Leistungen der Salzburger Festspiele auch deren wirtschaftlicher Aspekt diskutiert. Dies geschah bisher fast ohne konkrete (oder mit nur sehr unvollständigen) Unterlagen. Nun hat der Inhaber und Leiter des Salzburger Residenz-Verlages, Wolfgang Schaffer, eine Studie in Auftrag gegeben, die von zwei Wirtschaftsfachleuten, Dr. Hanns Kettl und Elfriede Karl, durchgeführt wurde. Zwar basiert diese sehr gründliche und umfangreiche Untersuchung auf extern verfügbaren Zahlenangaben und Unterlagen, ist aber mit neuesten nationalökonomischen Methoden unter Berücksichtigung der Frage wirtschaftlicher Wechselwirkungen durchgeführt und in einem so angenehm sachlichen Ton verfafjt, daß sie genaue Beachtung verdient.

Die Rechtsgrundlage der gegenwärtigen Salzburger Festspiele bildet das am 12. Juli 1950 im Nationalrat beschlossene Gesetz über die Errichtung eines Salzburger Festspielfonds. Hieraus sei nur ein Satz zitiert; Der außerordentlichen Bedeutung der Salzburger Festspiele entsprechend gibt das beantragte Bundesgesetz die Möglichkeit, neben den Bestimmungen über die Fondsverwaltung auch die verbindliche Verpflichtung der Defizitdeckung festzulegen. Ferner: Die Tätigkeit des Fonds ist nicht auf Gewinn berechnet, die finanziellen Mittel des Fonds werden durch Zuwendungen von Bund, Land und Stadt Salzburg sowie des Salzburger Fremdenverkehrsförderungsfonds, durch Einnahmen aus den Veranstaltungen usw. aufgebracht. Die allfälligen Befriebsabgänge werden zu 40 Prozent vom Bund und zu je 20 Prozent von Land, Stadt und Fremdenverkehrsförderungsfonds getragen.

Werfen wir zunächst einen Blick auf die Produktion und die Kapazitätsausnutzung. Im Zeitraum von 1955 bis 1964 fanden innerhalb von jeweils fünf Wochen rund 88 Veranstaltungen statt, in den Jahren 1960 bis 1964 wurde die höchste Anzahl mit jeweils 94 Aufführungen erreicht. Zwischen 1955 und 1959 betrug die Zahl der verfügbaren Sitzplätze zwischen 90.000 und 100.000, nach der Eröffnung des Großen Festspielhauses erhöhte sich diese Zahl auf rund 112.000 Sitzplätze und erreichte im Jahr 1964 mit 126.000 ihr bisheriges Maximum. Zwischen 1955 und 1960 gelangten pro Aufführung etwa 850 Karten zum Verkauf, ab 1961 waren es etwa 1150. Die Kapazitätsausnutzung betrug während der letzten zehn Jahre 80 Prozent und erreichte im Jahr 1962 sogar 86 Prozent. Eine Kapazitätsausnutzung von 100 Prozent erreicht alljährlich, die gefragtesten Opern- und Schauspielaufführungen übertreffend, die C-Moll-Messe von Mozart im Dom.

Die finanzielle Gebarung der Salzburger Festspiele ist in den letzten zehn Jahren durch rasch ansteigende Ausgaben, durch steigende Einnahmen und ebenfalls steigende Zuwendungen der Subvenfionsträger gekennzeichnet. Die Gesamtsumme der Ausgaben des Festspielfonds betrug im Jahr 1952 11,33 Millionen Schilling und erhöhte sich bis zum Jahr 1964 auf 49,81 Millionen Schilling, also um 339,6 Prozent (hierbei sind die baulichen und technischen Investitionen, speziell die Errichtung des neuen Festspielhauses, nicht berücksichtigt). Diesen Ausgaben stehen Gesamteinnahmen von 6,77 Millionen Schilling im Jahr 1952 und 25,49 Millionen Schilling im Jahr 1964 gegenüber. Es ist also eine Erhöhung von 276,5 Prozent festzustellen. Trotz der Erhöhung der Eintrittspreise je nach Sitzkategorie zwischen 40 und 80 Prozent (und je nach der verschiedenen Art der Veranstaltungen) konnte für das steigende Defizit kein Äquivalent geschaffen werden.

Das Defizit erscheint auf den ersten Blick groß und bietet verständlichen Anlaß zu Kritik. Jedoch beträgt der Anteil der vom Bund für den Fesf- spielfonds aufgewendeten Beträge nur etwa 0,015 Prozent seines Gesamtbudgets. Auf die rund 4,5 Millionen Einkommensempfänger und österreichischen Steuerzahler entfällt als Zuschuß die Summe von etwa 4.36 Schilling. Aber auch sie stellt kein reales Opfer dar, wenn man bedenkt, wieviel davon den verschiedensten Wirtschaftszweigen und Einzelpersonen, aber auch der öffentlichen Hand in Form von Steuern wieder zurückfließt. Die privaten Netto- : einkommen allein befragen 31,265 i

Millionen und die öffentlichen 15,434 Millionen.

Woher kommen diese Einnahmen, das heißt wer sind die Besucher der Salzburger Festspiele? Von den rund 94.000 überprüften verkauften Karten wurden 71,1 Prozent von Ausländern, 9,5 Prozent von Bewohnern von Stadt und Land Salzburg und 19,4 Prozent von übrigen Österreichern erworben. Unter den Ausländern hält Deutschland mit 47,1 Prozent die Spitze, es folgen die USA und Kanada mit 13,7 Prozent, England und Irland mit 9,3 Prozent, Frankreich mit 7,3 Prozent und Skandinavien mit 3,9 Prozent.

Doch bleibt noch ein anderer sehr wichtiger Faktor zu berücksichtigen, den man mit dem Wort „Werbung" umschreiben kann und der im Falle der Salzburger Festspiele mit Begriffsinhalten wie „Musik", „Kultur", „Festlichkeit" assoziiert ist, Begriffe, die sich erfreulicherweise mit dem „Image Österreich” verbinden. Die direkte Werbung für die Salzburger Festspiele ist relativ gering, und wir werden abschließend noch zu zeigen haben, warum man sich das leisten kann. Die Salzburger Festspiele erfreuen sich nämlich durch die konstante und große Nachfrage einer außerordentlich günstigen „Marktposition". Sie behaupten diese dank ihrer Tradition und den mit ihrer Gründung verbundenen weltberühmten Namen eines Hofmannsthal, Reinhardt und Strauss, vor allem aber dank der kontinuierlichen indirekten Werbung durch Presse, Rundfunk und Fernsehen. Alljährlich kommen etwa 700 Journalisten nach Salzburg (in den Jahren 1960 und 1963 waren es rund 1000). Diese verfassen durchschnittlich drei Berichte, so daß man eine Zahl von 2500 bis 3000 Berichten über die Salzburger Festspiele annehmen kann. Die Autoren der angeführten Studie schätzen die Zahl der Leser dieser Berichte auf mehr als 150 Millionen. Berechnet man, was eine bezahlte Werbung in diesem Umfang kosten würde und zieht man in Befracht, daß ein Kunstbericht, voi allem wenn er mit kleinen Pikanterien und Sensationen garniert ist (die es ja bei Festspielen immer gibt), sc käme man auf Inserafkosten vor mindestens 126 Millionen Schilling, Daher erscheint die heurige Reduktion der Pressekarte um etwa ein Drittel crl wirtschaftlich nicht vertretbar.

Zum Schluß, aber keineswegs an letzter Stelle sind die von Radio Salzburg vermittelten Übertragungen zu nennen beziehungsweise die den ausländischen Rundfunkstationen zur Verfügung gestellten Tonbänder, derer Anzahl ständig im Wachsen ist. Insgesamt waren in den vergangenen Jahren an der Übernahme von Festspielaufführungen jeweils rund 50 bis 55 ausländische Sendestationen beteiligt, ohne die 70 inneramerikanischen Sender zu zählen, die der BFA angeschlossen sind. Fast jede der Veranstaltungen der Salzburger Festspiele wurde von 20 bis 30 Stationen übernommen, von denen jede einzelne rund 15 Übertragungen ausgestrahlt hat. Nimmt man von den 310 Millionen Rundfunkhörern nur 5 Prozent als an solchen Sendungen interessiert an, so kommt man auf 15 bis 20 Millionen Menschen, die die Salzburger Festspielveranstaltungen hören. Die An- und Absagen bei den Festspielveranstaltungen im zeitlichen Ausmaß von etwa 5 Minuten ergeben einen Werbewert von rund 5,6 Millionen Schilling. Wollte man diese Werbung etwa auf dem Wege von Drucksortenverschickung erzielen, so müßte datür ein Betrag von 22,5 bis 30 Millionen Schilling aufgewendet werden, und die Werbung wäre nicht halb so wirksam. Zieht man noch die Fernsehübertragungen durch die Eurovision ins Kalkül, so kommen von den rund 73 Millionen Menschen, die heute schon vor dem Fernsehschirm sitzen, weitere etwa 15 Millionen, die für Kunst Interesse haben. Berechnet man hier die Kosten, welche Werbesendungen im gleichen Umfang verursachen würden, so ergeben sich gigantische Summen. Insgesamt kann man also schätzen, daß rund 150 Millionen Menschen von den Salzburger Festspielen Kenntnis nehmen, die zu erfassen schätzungsweise 130 Millionen Schilling an Werbeausgaben erforderlich wären. Wenn man hiermit die Summe von 900.000 Schilling konfrontiert, die der österreichischen Fremdenverkehrswerbung für das Jahr 1966 zur Verfügung standen, so ist der werbewirtschaftliche Wert der Salzburger Festspiele wohl für jeden

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