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Digital In Arbeit

„20 Schillin; pro Stunde'

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Unser organisch-biologisch bewirtschafteter Bauernhof liegt im Rosental/Roz zwischen Klagenfurt/Celovec und Vil-lach/Beljak. Mit 14,5 Hektar Nutzfläche und zwölf Hektar Wald leben wir im Vollerwerb. Meine Frau, unsere drei Kinder und meine Mutter leben am Hof. Wir hatten die Lebenseinstellung, daß es wichtig ist, zu Hause einen Arbeitsplatz zu haben, mit den Kindern zusammen zu sein und natürliche Lebensmittel zu erzeugen. Uns war auch klar, daß dies eine Vollzeitbeschäftigung von zwölf Stunden und mehr bedeutet, und das bei einem Stundenlohn von zirka 20 Schilling und weniger, sowie schlechter sozialer Absicherung.

Als ich den Bauernhof vor elf Jahren übernahm, war schon klar, daß ich den Boden nicht mit Kunstdünger und Spritzmitteln verseuchen wollte. Im vorhinein als Hofnachfolger bestimmt, stellte ich mir auch die Frage, will ich die Belastung auf mich nehmen, als Bauer im Vollerwerb zu leben. Andererseits bedeutet Nebenerwerb auch eine Unglaubliche Zweifachbelastung und einen teilweisen Verlust des bäuerlichen Selbstverstähdnisses.

Bauer sein bedeutet für mich, verantwortlich im Einverständnis mit der Natur dem Boden, den Tieren und Menschen nicht zu schaden, aus dem inneren Gefühl, richtig zu handeln; soviel zu erwirtschaften, wie wir zum Leben brauchen.

Als Selbstversorger mit regionaler Direktvermarktung sehe ich die einzige Möglichkeit einen halbwegs korrekten Preis zu erzielen und keine Abhängigkeitsstrukturen zu unterstützen. Mit dieser Lebenseinstellung konnten wir eine bescheidene Existenz bis zum EU-Beitritt aufbauen. Der EU-Beitritt bedeutet für uns ein Drittel Preisverfall in fast allen Bereichen, durch geringen Kapitaleinsatz auf kleinen Höfen höchste Existenzgefährdung - „Bauernsterben”: Allein in Österreich sollen durch den Strukturzerfall mehr als 30.000 Bauern zusätzliche Arbeit suchen müssen. Weitere Ankurbelung der Produktion durch Preisverfall bedeutet noch mehr Preisverfall und Export des Überschusses in „Dritte-Welt”-Staaten und somit Vernichtung dortiger Bauern durch Preisverfall...

Die vollkommene Abhängigkeit von „Subventionen” bringt den Verlust der Eigenständigkeit. Nach vier Jahren fallen die Ausgleichszahlungen weg. Die totale Überwachung über Satellit wird vorbereitet. Tagelanges Ausfüllen von komplizierten Formularen kann nur mit Hilfe von geschulten Landwirtschaftskammerangestellten bewältigt werden... Auf der Strecke bleiben wir Bauern. Denn welcher Arbeiter ließe sich ein Drittel seines Lohnes nehmen, um dann um Förderungen anzusuchen, um überhaupt überleben zu können?

Die jetzigen Zeichen der Zersetzung von bäuerlichen und Kleinstrukturen sollten uns zu denken geben, daß, wenn wir nicht partnerschaftlich mit anderen Berufsgruppen bewußt gegen all das auftreten, in nächster Zukunft auch andere Bevölkerungsteile massiv von Einkommenseinbußen betroffen werden.

Wir werden in Zukunft von Förderungen für unsere Umweltleistungen abhängig sein. Da es zur Zeit keine anderen Möglichkeiten des finanziellen Ausgleiches gibt, werden wir sie selbstbewußt ausschöpfen müssen. Trotzdem werden wir noch mit einem großen Einkommensverlust zu kämpfen haben.

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