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Erdölkatastrophe an der Küste Spaniens: Wieder ein Anlass, die Gefahren der vom Erdöl dominierten Weltenergieversorgung zu bedenken.

Vor einer Woche ist der Tanker "Prestige" gesunken. Bisher sind rund 20.000 Tonnen Schweröl aus dem Schiff ins Meer gelangt. Über das Schicksal der übrigen 60.000 Tonnen, die mit dem Schiff untergegangen sind, herrscht Ungewissheit. Man hofft, dass sie am Meeresgrund verklumpen und nicht austreten werden.

Aber schon die bisher in den Atlantik vor der spanischen Westküste gelangte Menge an Schweröl reicht aus, um zunächst eine enorme Umweltkatastrophe auszulösen. Rund 500 Kilometer der Küste Galiciens sind verseucht, das Fischen bis auf Weiteres verboten. Gefährdet ist auch die Südwestküste Frankreichs.

Der "Prestige"-Unfall reiht sich in eine lange Liste ähnlicher Ereignisse ein - und ist nicht die schlimmste dieser Katastrophen. So flossen aus der "Torrey Canyon" 1967 vor Großbritannien 120.000 Tonnen Öl, aus der "Amoco Cadiz" 1978 vor der Bretagne 227.000 Tonnen (ein Ölteppich so groß wie das Saarland) und aus der "Atlantic Empress" 1979 vor Tobago sogar 280.000 Tonnen.

Bemerkenswert ist die beachtliche Regenerationsfähigkeit des Meeres, insbesondere wenn es starke Strömungen aufweist. So waren - allerdings dank massiver Hilfsmaßnahmen - im Gefolge der "Amoco Cadiz"-Katastrophe nach einem Jahr bereits die größten Schäden überwunden. Und Untersuchungen ergaben, dass nach 13 Jahren so gut wie alle negativen Folgen durch den Selbstreinigungsprozess des Meeres beseitigt waren. Etwas länger dauerte es nach dem "Exxon Valdez"-Unfall in Alaska. Im kälteren Wasser vermögen die Bakterien den Kohlenwasserstoff nicht so rasch abzubauen.

Vielfältige Umweltbelastung

Wird man also auch die "Prestige"-Katastrophe bald, trotz allen Schadens, den sie anrichtet, nur als bedauerliche Panne anzusehen haben? Zu wünschen wäre jedenfalls, dass diese Katastrophe die allgemeine Aufmerksamkeit auf ein wichtiges Problem lenkt: Die Abkehr der Weltwirtschaft von ihrer Erdölabhängigkeit.

Diese Abhängigkeit ist in vielfacher Hinsicht eine Quelle massiver Umweltbelastung. Das fängt mit der Ölverseuchung der Gewässer an. Die spektakulären Tankerunfälle (im Durchschnitt des vergangenen Jahrzehnts elf pro Jahr) stellen ja nur einen Bruchteil (13 bis 15 Prozent laut "Greenpeace") der ökologischen Belastung der Meere dar. Ein Großteil der drei Millionen Tonnen Erdöl, die jährlich die Meere belasten, stammen von Schiffen, die ihre Tanks auf See auswaschen, kommen aus Flüssen oder von der Offshore-Erdölförderung. Diese Erdölerschließung mittels Borinseln im Meer - sie sind wahre technische Wunderwerke - gewinnt laufend an Bedeutung. Ihr Beitrag zur Weltproduktion liegt derzeit bei einem Drittel, Tendenz steigend.

Mehr als 6.000 Plattformen stehen in den Weltmeeren, allein in der Nordsee 450. Und das hat beachtliche ökologische Folgen: "Nach Schätzungen der Oslo-Paris-Kommission gelangten 1999 ca. 9.000 Tonnen Öl in die Nordsee. Darüber hinaus werden 100.000 Tonnen Chemikalien in die Nordsee geleitet." (Greenpeace "Die Nordsee, das Erdöl und die Offshore-Industrie am Beispiel von Esso")

Belastet werden jedoch nicht nur die Meere. Untersuchungen über die russische Ölproduktion ergaben beispielsweise, dass in den neunziger Jahren zwischen drei und sieben Prozent des Öls im Zuge der Förderungen und des Transports durch Pipelines verlorengehen. So fand man etwa im sibirischen Fluss Ob eine Ölbelastung, die 300-mal über der zulässigen Höchstgrenze lag. Die Verlegung und Wartung von Pipelines ist eben eine äußerst anspruchsvolle technische Herausforderung und Pannen und Unfälle sind da eben nicht zu vermeiden.

Noch schwerer als diese unmittelbaren Schäden wiegt die Erwärmung der Erdatmosphäre, die im Gefolge der Verbrennung fossiler Brennstoffe durch Erhöhung des CO2-Gehalts der Atmosphäre auftritt. Die Klimatologen warnen, der Wetterverlauf scheint ihre Sorgen zu bestätigen. Immer drängender wird ihr Ruf nach einer Abkehr von den fossilen Energieträgern.

Ende des billigen Erdöls

Dieselbe Forderung erhebt auch Jeremy Rifkin in seinem neuesten Buch (Die H2-Revolution, Frankfurt 2002). Das wesentliche Argument des Autors: Die Zeit des billigen Erdöls neige sich dem Ende zu - und zwar rascher, als die Entscheidungsträger wahrhaben wollen. Zwar sei man sich auch unter Experten nicht sicher, wie lange es noch dauern werde, bis der Zenit der Erdölförderungen überschritten sei, aber die Schätzungen für diesen Zeitpunkt lägen nicht allzu weit auseinander: "Die Experten teilen sich in zwei Lager: Die einen glauben an ein Fördermaximum in 28 bis 38 Jahren, die anderen sprechen von acht bis 18 Jahren."

Über eines seien sich die Geologen jedenfalls einig: Es sei äußerst unwahrscheinlich, dass irgendwo noch große Erdöllager entdeckt werden. Und noch etwas sei mit relativ großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen: Die Menge des Erdöls, das zu den derzeitigen Preisen gefördert werden könne, liege zwischen 1.800 und 2.200 Milliarden Barrel. Bedenkt man, dass der Jahresverbrauch derzeit rund 24 Milliarden Barrel ausmacht, wird deutlich, dass eine Ölpreisverteuerung in nicht allzu weiter Ferne liegt.

Zur Verkürzung dieser Frist werde auch die wachsende Nachfrage der großen Dritte-Welt-Länder beitragen: "Würden Länder wie China und Indien ihren Energieverbrauch lediglich auf das Niveau Südkoreas heben wollen, würden allein diese beiden Staaten119 Millionen Fass Öl täglich verbrauchen. Das entspricht dem Doppelten der Weltnachfrage im Jahr 2000", malt Rifkin ein dramatisches Szenario an die Wand.

Zuletzt dominiert die OPEC

Zusätzlich verschärft werde die Lage durch den Umstand, dass rund die Hälfte der Reserven im Persischen Golf zu finden sind. Während die Relation zwischen Reserven und Produktion in den USA bei zehn zu eins liege, betrage der entsprechende Wert für Saudi-Arabien 55 zu eins und für den Irak sogar 526 zu eins.

Bleibe die Weltwirtschaft also auf ihrem Erdöl-Kurs, so gerate sie unweigerlich in die Abhängigkeit der OPEC-Staaten, warnt Rifkin. Und was das für Folgen haben kann, hat der Westen 1973 erlebt, als die Erdölproduzenten plötzlich die Ölpreise drastisch erhöhten und über einige westliche Länder (USA, Israel und die Niederlande) ein Embargo verhängten. Die Folge: eine länger währende wirtschaftliche Stagnation in den Industriestaaten.

Im Falle eines zukünftigen Engpasses werde es dann allerdings nicht mehr den Ausweg der Erschließung neuer ergiebiger Quellen, wie wir es in den achtziger Jahren erlebt haben, geben, fasst Rifkin zusammen. Daher sei es höchste Zeit, die Weichen in Richtung erneuerbare Energieträger zu stellen.

Es wäre angebracht, die Katastrophe an der spanischen Westküste als Menetekel zu verstehen.

Die H2-Revolution. Wenn es kein Öl mehr gibt ...

Von Jeremy Rifkin, campus-Verlag, Frankfurt 2002, 304 Seiten, 26,30 e

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