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In Eisenstadt ist die „elektronische Geldbörse" bereits Realität. Die Akzeptanz bei Geschäftsleuten und Kunden ist unterschiedlich.

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In Eisenstadt ist die „elektronische Geldbörse" bereits Realität. Die Akzeptanz bei Geschäftsleuten und Kunden ist unterschiedlich.

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Eisenstadt hat dem Rest von Österreich etwas voraus. Geht man vom Bahnhof ins Zentrum, weiß man gleich, worum es geht: „Eisenstadt zahlt ,Quick'. Mit Chip. Ohne Bargeld."

Europay Austria, ein Unternehmen für Zahlungsverkehrssysteme, wählte Eisenstadt für einen Feldversuch, um die sogenannte „elektronische Geldbörse" zu testen. Dabei handelt es sich um den kleinen goldfarbenen Chip auf ihrer Scheckkarte. Mittlerweile sind auch die Städte Mödling, Wiener Neustadt, St. Pölten und Bruck an der Mur im Quick-Zeit-alter. Ab Mai will Europay in ganz Österreich die Voraussetzungen für das neue bargeldlose Zahlungssystem schaffen.

Dazu werden die Bankomat-Gerä-te umgestellt. Bei diesen „Tankstellen" kann man direkt seine elektoni-sche Geldbörse laden und dann in zunehmend vielen Geschäften bargeldlos einkaufen. „Bis Ende 96 werden 50 Prozent der Bankomaten umgestellt sein", sagt Peter Trcka, Geschäftsführer bei Europay. „Wir haben drei Lebensmittelketten unter Vertrag: Merkur, Magnet und Interspar, das wird die Akzeptanz stark erhöhen". Auch die Taxifahrt wird man elektronisch zahlen können, oder in Wien den Straßenbahn-Fahrschein.

In der Eisenstädter Hauptstraße, einer lebendigen Fußgängerzone, fin den sich reichlich Banken. „Sie können in allen Eisenstädter Banken Ihre neue Scheckkarte laden", hatte Trcka gesagt. Wer keine Scheckkarte hat, kann sich um 100 Schilling eine Wertkarte kaufen und dann laden.

Der Bankangestellte in der Volksbank ist behilflich, und ich lade meinen Chip - den elektronischen Bauteil auf der Vorderseite der neuen Scheckkarte. Das Geld kommt von meinem Konto (bei einer anderen Bank), autorisiert wird die Transaktion mittels der Bankomat-Funktion. Ich muß also menien Bankomat-Code eingeben; das Laden ist so ähnlich wie bei einer Bankomat-Kasse das Zahlen. Es funktioniert. Ich habe 100 Schilling auf meine elektronische Geldbörse geladen.

1.000 Schilling lassen sich mit efner Transaktion laden, insgesamt haben 1.999 Schilling auf dem Chip Platz.

Ich will es genau wissen: In der Bank Burgenland funktioniert es nicht, der Mann am Schalter weiß nicht wieso. „Der Computer vielleicht". In der „Ersten" lädt der hilfreiche Angestellte 900 Schilling zuviel. In der Creditanstalt funktioniert das Laden einwandfrei.

Das Experiment macht hungrig. Eine Liste zeigt, wo in Eisenstadt die Rechnungen „Quick" beglichen werden können. Der Wirt am Platz „Zum Eder" serviert Speis und Trank.

Die Rechnung kommt. „Ja, da müssen Sie mit mir kommen, die Quick-Kasse ist da vorne". Der Retrag wird eingetippt - „Ritte warten" - die Karte richtig reingesteckt - „Bitte warten" - den Betrag bestätigen -Okay - „Bitte warten" - Transaktion läuft - „Bitte warten" - auf dem Display steht, wieviele Schilling noch auf dem Chip sind. Die Rechnung ist beglichen.

Eine Trafik hat viele Aufkleber an der Eingangstür. Man erkennt, daß der Aufkleber mit dem Quick Zeichen -ein grün und blaues „B" auf gelbem Grund - wieder abgekratzt wurde.

„Wie ist es mit der elektronischen Geldbörse?" „Nix. Nein, wir haben keine mehr". Auch in der nächsten Trafik hält man nichts von Quick.

Zur Zeit sind es 34 Eisenstädter Geschäftsleute, die einen Quick-Termi-nal aufgestellt haben. Die Eigentümer der Geschäfte müssen die Quick-Terminals oder Lesegeräte kaufen. Das billigste kostet etwa 6.000 Schilling, sagt Europay-Mann Trcka. Außerdem verrechnet Europay 0,5 Prozent Disagio (Abschlag) vom Umsatz. Dafür müssen die Geschäftsleute nicht mehr soviel Geld zählen und zur Bank tragen, sicherer ist es außerdem. „Vielleicht ein Kunde am Tag, der mit der Quick zahlt", oder „ich habe überhaupt erst einmal die Quick-Kasse betätigen müssen", sagen die Verkäuferinnen. Auch beim Bäcker finde ich keine Quick-Begleicher.

Etwa fünf Milliarden Schilling kostet nach einer Untersuchung von McKinsey der gesamte Zahlungsverkehr die österreichischen Banken. Trcka dazu: „Das Handling von Bargeld ist dabei irrsinnig teuer." Bargeld muß eingenommen werden, es muß gezählt, gelagert, transportiert und wieder ausbezahlt werden; viele Leute sind damit beschäftigt, und das kostet Geld. Deshalb nehmen die Banken auch eine Milliarde Schilling Projektkosten für die Umstellung auf sich, erklärt Trcka. Solche, ähnliche und weitreichendere Bemühungen, das Bargeld durch elektronisches zu ersetzen, gibt es weltweit. Es gibt auch ähnliche Probleme: Aus Belgien wird berichtet, daß ein Feldversuch für eine elektronische Geldbörse von den Konsumenten nicht angenommen wird. Trotzdem, die Smart-Cards, wie sie auch genannt werden, sind nicht aufzuhalten.

Mondex, eine Zusammenarbeit von zwei britischen Banken und British Telecom (Telefon), betreibt und testet eine Smart-Card, die - wie unsere auch - als elektronische Geldbörse dient, aber zusätzliche Funktionen hat:

Man kann sie telefonisch laden, man kann von Karte zu Karte Geld transferieren. Sie wird in England und Kanada getestet, für Hongkong, Singapur, China und Indien gibt es Projekte und Strategien. Österreich ist dabei, wir sollen sogar die ersten mit einer flächendeckenden Verbreitung der elektronischen Geldbörse sein.

Am Eisenstädter Bahnhof gibt es zwar eine Bankomat-Kasse, aber Quick kann man nicht begleichen. Also 100 Schilling Banknote hingelegt, das Wechselgeld eingesteckt, in den wartenden Zug und zurück in die Welt, die noch vom Bargeld beherrscht wird.

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