Ängste des roten Drachen

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Noch glänzt China mit hohen Wachstumszahlen. Doch die kriselnden Exportmärkte Europa und USA schwächen den fernöstlichen Wirtschaftsgiganten.

Zieht man bloß das Weihnachtsgeschäft in Betracht, dann ist China nach wie vor ein "brummender“ Markt. Kennen Sie beispielsweise den Verkaufsschlager für leitende Büroangestellte? Es ist ein batteriegetriebener Helikopter mit Fernsteuerung. Zu Tausenden fand er vor Weihnachten Absatz. Herstellungsort: Chengdong/China. Ja, wer derzeit viel Positives über die Wirtschaftsentwicklung Chinas lesen will, der muss sich schon in die Spielzeugabteilung begeben. Beinahe überall sonst sind die Konjunkturindikatoren nicht mehr passend für die zukünftige Weltwirtschaftsmacht Nummer eins. 2008, nachdem die Investmentbank Lehman Brothers mit großen Krach Pleite gegangen war und die Weltwirtschaft mit sich zu ziehen drohte, konnte China vereint mit anderen Schwellenländern wie Indien und Brasilien diesen Einbruch noch aufhalten. Wäre das heute im Fall eines tatsächlichen Währungsschocks in Europa samt der ohnehin schon existentenWirtschaftsflaute noch möglich?

Zahlreiche Experten bezweifeln das - und vermutlich auch die chinesische Staatsführung. Denn Chinas Wirtschaft schrumpft - angeblich von der Regierung gewollt - in diesem Jahr von elf auf neun und im kommenden Jahr auf acht Prozent. Das Wachstum, das sich im ersten Moment als "unvorstellbar hoch“ im Vergleich zu Europa und den Vereinigten Staaten ausnimmt, stellt sich bei näherem Hinsehen als möglicherweise nicht ausreichend heraus.

Denn erst Raten jenseits der zehn Prozent machen es möglich, dass auch die ärmeren Provinzen, Bevölkerungsschichten und Arbeiter den Fortschritt noch spüren, der auch in China zu einem großen Teil einer dünnen Oberschicht zugute kommt. Ist das nicht mehr der Fall, kann der fragile soziale und ethnische Frieden in China sehr schnell kippen. Zumal auch das Diktat einer immer noch viel zu unflexiblen Nomenklatur und Bürokratie diese Zerfallsprozesse eher fördert als befriedet.

In der Woche vor Weihnachten eskalierten Proteste gegen staatliche Grundverkäufe an internationale Immobilienkonzerne in der Stadt Wukan bei Lufeng zu Straßenschlachten mit mindestens zwölf Verletzten, darunter Kinder und alte Frauen. Davor war ein 43-jähriger Bewohner von Wukan, der mit den Behörden verhandeln wollte, festgenommen worden und in Polizeigewahrsam gestorben.

Die Disfunktionalität setzt sich auch in den staatlichen Banken und Konzernen fort. Die Banken vergaben in den vergangenen Jahren an Provinzregierungen leichtfertig Kredite für Infrastruktur- und Bauprojekte, die sich nur in einer echten Boomphase als gewinnbringend erweisen. Nun stehen um Milliarden gebaute Wohnkomplexe und Bürotürme leer, auch weil die internationale Nachfrage von Investoren und Kunden fehlt.

Angst vor der Blase

Diese Immobilienblase, die China seit Jahren nachgesagt wird, lässt sich natürlich gut unterspielen, da es nur spärliche veröffentlichte und zuverlässige Daten gibt. Den veröffentlichten Kreditbilanzen der chinesischen Banken kann man jedenfalls nur unter Ausschaltung aller Glaubwürdigkeitssensoren vertrauen. Geht es nach der Regierung, hätte sich das Kreditvolumen chinesischer Banken in den vergangenen sechs Jahre verdreifacht während der Prozentsatz der notleidenden Kredite im selben Zeitraum von zwölf auf nahe null Prozent gesunken wäre - das wäre vielleicht sogar mehr als ein echtes Wirtschaftswunder.

Doch selbst die offiziellen Zahlen sind teilweise alarmierend. So fiel der Einkaufsmanagerindex, einer der wichtigsten Frühindikatoren der Konjunktur zuletzt auf 49 Punkte. Analysten gehen davon aus, dass die Industrieproduktion bereits im Herbst gesunken ist - erstmals seit 2009.

Das ist eigentlich kein Wunder angesichts der Konsumzurückhaltung in Europa. Immerhin exportiert China Güter im Wert von 282 Milliarden Euro nach Europa und von 235 Milliarden Euro in die USA. Die stagnierenden Volkswirtschaften der Welt sind damit die wichtigsten Handelspartner Chinas.

Um wenigstens den Inlandskonsum anzukurbeln, erleichterte die Regierung in Peking nun den Banken die Kreditvergabe für mittlere Unternehmen im Inland.

Ob das den sinkenden Export auffangen wird, ist bei der ohnehin schwachen Inlandsnachfrage zu bezweifeln. Zwar konnten die Arbeiter in einigen der großen rohstoffverarbeitenden Industrien nach Streiks und Aufständen erfolgreiche Lohnverhandlungen abschließen: Um bis zu 40 Prozent sind die Gehälter in einzelnen Betrieben gestiegen.

In dieses wirtschaftlich wie politisch heikle Umfeld wechselt China im kommenden Jahr seine Staatsführung. Hu Jintao, der seit 2002 die Staatsgeschäfte führt, macht dann Xi Jinping Platz. Xi gilt zwar als Reformer, doch eine wirkliche Öffnung des Landes, die der Wirtschaft Flexibilität und der Gesellschaft Freiheit bringen würde, ist von ihm nicht zu erwarten.

Auch die USA dürfen sich nicht erhoffen, es im ökonomischen Duell mit China leichter zu haben. Dazu ist China längst zu selbstbewusst. Als die USA kürzlich Importzölle über chinesische Reifen verhängte, schlug Peking sofort zurück. Seither muss General Motors mindestens 37 Prozent Importzölle auf jeden Neuwagen entrichten, den es in China auf den Markt bringen will.

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