Alle paar Wochen ein neuer Job

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Im Gegensatz zum herkömmlichen Arbeitsmarkt boomt die Leiharbeit. Allerdings nicht immer zum Vorteil der Arbeitnehmer.

Die Kündigung kam völlig überraschend für Herrn R. Nach 13 Jahren als Disponent bei einer Firma wurde sein Dienstverhältnis kurz vor Weihnachten aufgelöst. Vier Monate und rund hundert - zum Großteil unbeantwortete, jedenfalls aber erfolglose - Bewerbungen später wandte er sich desillusioniert an die gemeinnützige Arbeitskräfteüberlassungsfirma Flexwork, deren Ziel es ist, im Wege des Personalleasings Arbeitslose in ein fixes Arbeitsverhältnis zu vermitteln.

"Es gibt nichts schlimmeres, als wenn man arbeiten will, aber keine Firma gibt einem eine Chance. Nicht mal zu einem Gespräch", erinnert sich der gelernte Kellner an die damals aussichtslos scheinende Situation. Heute hat er wieder einen Job. Er ist einer der rund 1.500 Arbeitslosen, die in der rund siebenjährigen Unternehmensgeschichte erfolgreich wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden konnten. Im Wege der Personalbereitstellung arbeitete R. drei Monate lang bei der Münze Österreich, von der er anschließend übernommen wurde.

Trend Personalleasing

Leiharbeit boomt. Während man sich schon daran gewöhnt hat, dass das Arbeitsmarktservice jeden Monat noch höhere Arbeitslosenzahlen veröffentlicht (die Arbeitslosigkeit lag Ende März um 5,5 Prozent über dem Niveau des Vorjahres), verzeichnen die Personalbereitsteller jährlich ansehnliche Zuwächse (siehe Grafik): So stieg die Anzahl der Zeitarbeitnehmer in Österreich im Jahr 2003 um 23,3 Prozent im Vergleich zum Jahr 2002, auch für die kommenden Jahre sind einer aktuellen Studie des Marktforschungsunternehmens InterConnection zufolge hohe Steigerungsraten zu erwarten. Großunternehmen tendieren laut Studie dazu, nur noch Fach- und Schlüsselarbeitskräfte fix anzustellen, die anderen Bereiche dagegen mit Leiharbeitnehmern abzudecken. Allerdings beginne der wahre Boom hierzulande erst. Denn mit einem Zeitarbeitnehmer-Anteil von 1,3 Prozent aller Beschäftigten im Jahr 2003 liegt Österreich noch weit entfernt von Ländern wie Großbritannien mit einer Quote von 4,5 Prozent, führen die Studienautoren aus. Die Marktsättigung bei rund vier Prozent prognostizieren sie erst für das Jahr 2010.

Vor allem Industrieunternehmen, Gewerbe und Handwerksbetriebe greifen aber schon jetzt immer häufiger auf die Dienste der Personalbereitsteller zurück: Bei kurzfristigem Personalbedarf, etwa beim Ausfall eines Mitarbeiters, als Karenz- oder Urlaubsvertretung, aber auch zur Abdeckung von Produktionsspitzen oder Saisonschwankungen, "leasen" sie einen Mitarbeiter auf Zeit, von denen es in Österreich laut Wirtschaftsministerium rund 40.000 gibt. Sie sind bei Überlasserfirmen angestellt und werden auch von diesen bezahlt, erbringen ihre Leistungen aber für eine bestimmte Zeit bei den Auftragsfirmen. Dabei dauern rund 24 Prozent der Einsätze kürzer als einen Monat, etwa 21 Prozent dauern länger als ein Jahr. Vor allem niedrig qualifizierte Arbeiter und Facharbeiter werden vermittelt, allerdings steigt auch der Bedarf an hochqualifizierten Angestellten.

Kein Unternehmer-Risiko

Im Idealfall für den Mitarbeiter wird er von einer Firma übernommen oder es reiht sich ein Auftrag an den nächsten - was aber selten so reibungslos funktioniert.

Die Vorteile für die Unternehmen, die die Dienste eines Arbeitskräfte-Überlassers in Anspruch nehmen: kein bürokratischer Aufwand, keine aufwändige Personalsuche, keine Kündigungsfristen. Und kein Risiko - wenn der Mitarbeiter auf Zeit nicht die gewünschte Leistung erbringt, holt man sich einfach einen anderen. Aber auch für die betroffenen Arbeitnehmer seien die Vorteile groß, erklärt die Sprecherin des Personalbereitstellers Adecco Österreich, Cornelia Schmidhuber: "Zeitarbeit ist die Lösung, wenn jemand nicht ad hoc den Job findet, den er gern hätte. Er kann verschiedene Berufe testen und Erfahrungen sammeln. Aber auch für Wiedereinsteigerinnen, die zum Beispiel nur ein paar Stunden in der Woche arbeiten können oder wollen, bieten wir die nötige Flexibilität." Vor allem Bauarbeiter und Gastgewerbe-Personal würden derzeit verstärkt nachgefragt.

Also eine Lösung, von der alle profitieren? Nicht ganz, denn während gemeinnützige Personalleasing-Firmen wie Flexwork durchwegs als Chance für Arbeitslose gesehen werden, bestehe bei vielen auf Gewinn gerichteten Mitbewerbern die Gefahr der Ausbeutung, ist bei der Gewerkschaft Metall-Textil (GMT) zu hören, die einen Leiharbeiter-Kollektivvertrag ausgehandelt hat und die Situation auf dem Leiharbeitsmarkt mit gemischten Gefühlen betrachtet. Rene Schindler, Jurist bei der GMT, sieht zwar ebenfalls das Potenzial, Arbeitslosen wieder einen Job zu verschaffen. Die Realität sehe aber oft wenig rosig aus. "Viele Zeitarbeitsfirmen betreiben eine reine hire-and-fire-Politik: Die Arbeitnehmer werden für einen Einsatz angestellt, wenn der zu Ende und kein neuer in Sicht ist, werden sie gekündigt." Zwar sieht der Kollektivvertrag ein Kündigungsverbot innerhalb von vier Tagen nach Beendigung eines Einsatzes vor, aber "das lässt sich ja leicht umgehen, indem man die Leute nötigt, eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu unterzeichnen." Geht der Betroffene darauf ein, hat er die Chance auf einen neuen Job, wenn sich wieder ein Einsatz anbietet. Unterschreibt er nicht, fliegt er nach den vier Tagen Sperrfrist raus - auf nimmer Wiedersehen.

Auch die Entlohnung stellt ein Problem dar. Der Zeitarbeits-Kollektivvertrag sieht für Zeitarbeitnehmer einen Mindestlohn von 1.092,18 Euro vor. Gibt es in der Branche, an die der Arbeitnehmer überlassen wird, einen höheren kollektivvertraglichen Mindestlohn, gilt dieser als untere Grenze. Schindler: "In den meisten Betrieben wird aber dem Stammpersonal mehr als der Mindestlohn bezahlt." Die somit billigeren Zeitarbeitnehmer gefährden also das Lohnniveau und die Arbeitsplätze der Stammbelegschaft. "Im Zeitarbeiter-Kollektivvertrag sind daher vor allem für die Hochlohnbranchen zusätzliche Pauschalen vorgesehen, um das Lohnniveau ein wenig anzugleichen." Allerdings "scheint die Branche anfällig zu sein für schwarze Schafe, die den Kollektivvertrag nicht einhalten", bemängelt der Gewerkschaftsjurist. "Man bekommt leider zu leicht eine Gewerbeberechtigung dafür und verliert sie zu schwer." Voraussetzungen gebe es so gut wie keine, um an den Gewerbeschein für Arbeitskräfte-Überlasser zu kommen: "Man braucht ein Telefon und schaltet irgendwo ein Inserat, das wars. Da gab es eine Zeit lang schon eine gewisse Goldgräberstimmung, aber dagegen kämpfen wir an."

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