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Alleingang bei den Ökosteuern

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Das Budget 1995 soll Erhöhungen der Mineralölsteuer bringen. Handelt es sich um eine „ökologische” Steuer, für die es weiteren Spielraum gibt?

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Das Budget 1995 soll Erhöhungen der Mineralölsteuer bringen. Handelt es sich um eine „ökologische” Steuer, für die es weiteren Spielraum gibt?

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Konfrontiert mit dem Ansteigen des Rudget-defizits seit 1993 begibt sich die österreichische Politik (neben der Ausgabenkürzung) auf die Suche nach neuen Einnahmequellen für das Staatsbudget. Als letzte Steuerbasis, die vom Rür-ger akzeptiert wird, scheint derzeit die Besteuerung umweltbeeinträchtigender Aktivitäten zu verbleiben. In den Budgetverhandlungen für 1995 konnte so die Erhöhung der Mineralölsteuer um einen Schilling (30 Groschen für Diesel) durchgesetzt werden.

Stellt dies auch zugleich eine (erste) „Ökologisierung' des Steuersystems dar, wie mancherorts argumentiert? So sehr dies der Tendenz nach zutreffen könnte, würde es noch einiger weiterer dafür unabdingbarer Faktoren bedürfen. Versteht man unter „steuern” in eine Richtung lenken, so wird evident, daß es in einer „ökologischen” Steuerreform nicht um die Erschließung neuer Steuerquellen geht, sondern um eine Verschiebung in der primären Steuerbasis. Wird die Verwendung des emissionsverursachen-den Produktionsfaktors Energie durch Steuern verteuert und damit eine geringere Verwendung angeregt, so gilt es, andere Bereiche steuerlich zu entlasten.

Erst dieser Ausgleich macht Umweltpolitik im notwendigen Ausmaß möglich, und damit die Erreichung des Umwelt-Zieles. Denn für eine umweltgerechte Steuerreform müssen die Signale so deutlich gesetzt werden, daß sie tatsächlich zu den gewünschten Verhaltensänderungen führen. Die Steuererhöhung müßte dazu weitaus deutlicher ausfallen.

Ein Beispiel: Während Osterreich in der SÖ2-Reduktion europaweit führend ist und auch in anderen Rereichen, wie Fließgewässerqualität, deutliche Verbesserungen erzielen konnte, steht sein Handeln in der international immer dringlicher werdenden Treibhausproblematik noch aus. Ja, seit Unterzeichnung des Toronto-Abkommens im Jahr 1990, in dem sich Österreich zu einer Verringerung der Emissionen des für unser Land weitaus wichtigsten Treibhausgases, CO2, um ein Fünftel unter den Wert des Jahres 1988 verpflichtete, sind diese um weitere vier Prozent (auf nunmehr 30 Prozent über dem Zielwert) gestiegen; in Deutschland übrigens um 15 Prozent gesunken.

Das IPCC als das Forum der UNO, das 1988 zur Findung eines Konsenses über bestmögliche wissenschaftliche Voraussagen und Erklärungen zum Klimawandel ins Leben gerufen wurde, sieht in seinem Rericht für 1995 die Verminderungs-notwendigkeit für Industrieländer bereits bei weitem höher als im Toronto-Abkommen verankert.

Entscheidend für die Treibhauswirkung ist die Konzentration von CO2 in der Atmosphäre, die seit Reginn der fossilen Energienutzung von 280 Teilen pro Million Volumen (ppmv) auf 360 stieg, und sich mit jedem weiteren Eintrag aus fossiler Energienutzung in den Kohlenstoffkreislauf erhöht (siehe Abbildung). Die Anhebung der Mineralölsteuer im beschlossenen Ausmaß allein wird nicht die notwendigen Emissionsminderungen bewirken. Weitaus striktere Ansätze sind also in Zukunft gefordert, wenn die Verminderung des Treibhauseffektes mehr als „bloß ein Wunsch” sein soll.

können wir uns das leisten?

Können wir uns solch striktere Ansätze „leisten”? Körfnen wir sie uns volkswirtschaftlich „leisten”? Das Ergebnis einer gesamtwirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Analyse hängt zunächst davon ab, wie die Steuer konstruiert ist. Kommt die (Ener-gie)steuer bloß als weitere Steuer dazu, ergeben sich in der Rewertung eindeutig Netto-Kosten. Werden hingegen gleichzeitig andere Steuern verringert oder werden die Steuereinnahmen als Investitionsanreiz eingesetzt, dann sind die Kosten geringer, beziehungsweise ergibt sich ein Netto-Nutzen.

Zum anderen ist für das Ergebnis einer Kosten-Nutzen-Analyse ebenso entscheidend, ob in den energieabhängigen Rereichen die Märkte bereits „perfekt” funktionieren (das heißt keine Monopole oder Ineffizi-enzen vorliegen). Gerade im Energiesektor (nur angebotsseitige Ausrichtung) und im Transportwesen (Subventionierung des Straßenverkehrs) liegen in den meisten Län-

dem beträchtliche Markt- „Unvoll-kommenheiten” vor. (Energie)steu-ern würden solche Unvollkommen-heiten eher verringern, wodurch die

fesamtwirtschaftlichen Kosten einer nergiesteuer weiter gesenkt werden. Das genannte UNO Forum schätzt, daß eine Politik, die zur Verringerung von CGvEmissionen von zehn bis 30 Prozent führt, keine Netto-Kosten verursacht.

Wird die Umweltpolitik begleitet von der direkten Reseitigung solcher Unvollkommenheiten, so verändert sich die Gesamtbewertung noch weiterhin zu einem Netto-Überhang des Nutzens. Darüber hinaus ist mit jeder Energieverteuerung die Verminderung der Emissionen vieler Schadstoffe verbunden. Der Nutzen, den allein die Rewertung des verringerten Treibhauseffektes ergibt, verdoppelt sich dadurch in etwa. Aus binnenwirtschaftlicher Sicht wären somit aus einer weiteren Energiesteuererhöhung beträchtliche Vorteile zu erzielen.

Zweiter Angelpunkt ist die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Können wir uns in einer immer mehr integrierten Weltwirtschaft eine striktere Umweltpolitik „leisten”, auch wenn diese im nationalen Alleingang durchgeführt wird, oder würden wir zuviel an Konkurrenzfähigkeit verlieren?

Umweltpolitik kann vielerlei Formen annehmen. Reguliert ein Land die Produkte, die in seinem Territorium verkauft werden dürfen (etwa durch Pfandflaschen-Norm), so erhöht es im allgemeinen sogar den Absatz der heimisch produzierten Güter. EU-Reitritt und GATT zielen auf eine Verringerung dieser Spielräume ab. In der Regulierung der Produktionsprozesse (etwa Richtlinien der Reinheit des Abwassers aus Produktionsstätten) hingegen bleibt ein Staat weiterhin relativ frei. Aus einer strikteren Umweltpolitik erwachsen in diesem Fall einem Land

im allgemeinen zunächst Nachteile. Um die Konkurrenzerschwernisse auszugleichen, könnte ein Staat Subventionen gewähren. Mit dem im April 1994 unterzeichneten Abschluß der Uruguay-Runde des GATT wird es nunmehr erstmals gestattet, Energiesteuern, die in der Produktion von Exportprodukten anfallen, als „Subvention” wieder zurückzuerstatten, sodaß den ExportSektoren kein Nachteil aus einer Energiesteuer im Alleingang eines Staates erwächst. Der Konkurrenzdruck auf der Importseite durch im Ausland allenfalls mit einer geringeren Energiesteuer belegten Produkte ist weiterhin nicht über Strafzölle ausgleichbar.

Das Abschlußdokument der Uruguay-Runde erwähnt in seiner Präambel das Ziel der nachhaltigen Entwicklung und des Umweltschutzes, worauf Schiedsgerichte gegebenenfalls Bezug nehmen könnten. Die meisten (kontroversiellen) Punkte wurden jedoch einem Komitee „Handel und Umwelt” zur Identifikation und Ausarbeitung von Lösungsvorschlägen zugewiesen, und damit für wesentliche Änderungen wohl erst der nächsten großen Verhandlungsrunde.

Bleiben nationale Alleingänge in der Umweltpolitik bis dahin somit realpolitisch illusorisch? Wohl nicht, wenn sie richtig gestaltet sind. Die Aufkommensneutralität einer Energie- oder Umweltbesteuerung allein wird dafür jedoch zumindest zur Dämpfung kurzfristiger Produktionseinbußen in einigen Sektoren nicht ausreichen. Einzelne durch eine Energiesteuer weit überdurchschnittlich belastete Sektoren könnten mit einer für die Übergangsfrist klar definierten Abgrenzung Ermäßigungen im Steuersatz oder stärkere Rückvergütungen erhalten, um die Anpassung der Wirtschaftsstruk-

tur zeitlich länger zu strecken. Für Deutschland ermittelte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen einer Energiesteuer bei Rückvergütung auf die Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber und als Ökobonus an die Haushalte als positiv (siehe FURCHE 45/1994), konzediert aber Probleme in Regionen, die von der Grundstoffindustrie geprägt sind, eine in Österreich bedeutendere Problematik. Der Modellansatz wurde auch auf Österreich übertragen und quantifiziert die sektoralen Auswirkungen bei einheitlicher Rückvergütung. In ihrem Ansatz stellt diese Rech nung die Produktionsverflechtungen in ihr Zentrum, nicht die Preisentwicklung.

Eine geeignete Abfederung

Trachtet man in einer Modellrechnung die sektoralen Auswirkungen zu mildern, so zeigt sich, daß eine Umstellung für Österreich ohne Verringerung des Umweltzieles durchwegs möglich ist. Temporäre Ausnahmeregelungen im Steuersatz für die der Weltwirtschaft stärker exponierten und gleichzeitig energieintensiven Sektoren können die Struktureffekte in ihrer Unmittelbarkeit stark dämpfen. Das Umweltziel kann durch leichte Erhöhung der Energiesteuer beibehalten werden.

Einer solchen Lösung ist jedoch eine zweite Variante vorzuziehen: Die genannten Sektoren wären durch die Rückvergütung auf die Lohnnebenkosten zu bevorzugen. Der monetäre Anreiz, den Energieverbrauch zu verringern, bleibt dadurch in allen Sektoren einheitlich.

Für eine ökologische Steuerreform ist also Entlastung in anderen Rereichen geboten. Im Hinblick auf die Milderung der Effekte auf die internationale Konkurrenzfähigkeit können diese Entlastungen sektoral unterschiedlich gestaltet werden.

Sowohl der binnenwirtschaftliche Nutzen einer Energiesteuer, als auch die positiven Auswirkungen eines nationalen Alleingangs auf jene Sektoren, die Technologien und Forschung anbieten, sind längst bekannt. Mittlerweile harren auch die Möglichkeiten der Milderung der Produktionsrückgänge in anderen Sektoren der Umsetzung.

Die Optionen zur Energiesteuer im nationalen Alleingang - über ein Nachziehen auf den Energiepreis der Nachbarn hinaus - liegen somit bereit. Wann die Chance wohl ergriffen werden wird? Der Autor ist am Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Graz und Autor von „ Trade and Environment The Regula-tory Controversy...”, Physica Verlag, Heidelberg 199$.

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