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Teures Benzin an den Zapfsäulen, Rekordgewinne bei den Öl-Multis. Die steigenden Erdölpreise beschäftigen die Wirtschaftsforscher: Eine Situationsanalyse.

Aufatmen an den Börsen. Der Deutsche Aktienindex steigt Montag Vormittag: Hugo Chavez, der umstrittene Präsident Venezuelas, hat das Referendum über seine Absetzung für sich entschieden und versichert, er garantiere die Versorgung der Weltmärkte mit Öl. Auch in London sinkt der Erdölpreis zum Handelsstart um 43 Cent. Nicht viel - und nicht unbedingt richtungsweisend für die kommende Entwicklung. Denn bald darauf macht eine negative Meldung die Runde: Bruce Misamore, seines Zeichens "Yukos"-Finanzchef, warnt vor der "sehr wahrscheinlichen Pleite" des russischen Erdölkonzerns. Besorgniserregend, trägt dieser doch zwei Prozent zur Weltproduktion bei.

Auf den Welt-Erdölmärkten herrscht Unruhe, an den asiatischen wurde Montag früh für ein Barrel (159 Liter) Rohöl sogar 47 Dollar gezahlt. Obwohl zu Beginn der achtziger Jahre die Preise weit höher waren, ist bald jene Schmerzgrenze erreicht, vor der Ökonomen warnen. Ab 50 Dollar, so Wifo-Experte Ewald Walterskirchen, könnten die Aktienkurse einbrechen und die Weltkonjunktur könnte abgewürgt werden.

Die Unsicherheit wird von vielen Seiten genährt: Da ist zunächst der hohe Erdölbedarf der USA. Sie verbrauchen 25 Prozent der Weltproduktion. Weil sich die Rohöllager der USA dem Ende zuneigen, der US-Verbrauch aber überdurchschnittlich steigt, erhöhen sich die Ölimporte des Landes laufend.

Enorme Nachfrage in China

Preistreibend wirkt auch die steigende Nachfrage des wirtschaftlich boomenden China. Nachdem sich seine Einfuhren von 1991 bis 2001 mehr als verdoppelt hatten, stieg der Erdöl-Verbrauch im Reich der Mitte allein im heurigen Jahr um 20 Prozent.

Den Nachfrage-Steigerungen stehen nicht unbegründete Sorgen, was die Sicherheit der Produktionsstätten anbelangt, gegenüber. Jeder Anschlag auf eine Raffinerie, auf ein Erdöl-Terminal oder eine -Pipeline im Vorderen Orient treibt die Preise in die Höhe. Die Rekordwerte vergangenen Freitag waren nicht zuletzt einem Attentat im Irak und einem Brand in der drittgrößten US-Raffinerie zu verdanken.

Trotz allem spiegelt der derzeitige Höhenflug der Preise nicht die wirklichen Marktgegebenheiten wider. Laut Erdöldienst, einer in Österreich erscheinenden Fachinformation, spielt die Spekulation dabei eine durchaus beachtliche Rolle: Ihr Beitrag wird auf vier bis sechs Dollar je Barrel geschätzt.

Wie schwierig es überhaupt ist, auf diesem Markt realistische Prognosen zu erstellen, zeigt ein Rückblick auf das vergangene Jahr. Damals warnte beispielsweise eine Studie des US-Energieministeriums vor einer weltweiten Überproduktion aufgrund der wieder in Gang gesetzten Erdöl-Exporte aus dem Irak. Alvaro Silva, Opec-Generalsekretär, äußerte damals: "Die Sorge überwiegt, dass es einen Preisrückgang geben wird." Im Gefolge beschlossen die Opec-Minister auch heuer im März, die tägliche Förderung um eine Million Barrel zu senken.

Tatsächlich sind die Ölpreise jedoch seit Jahresbeginn um rund 30 Prozent gestiegen. In der Vorwoche stieg der durchschnittliche Opec-Preis erstmals auf 40 Dollar pro Fass - 40 Prozent über dem eigentlich angepeilten Wert! Selbst die Anhebung der Produktion auf 30 Millionen Fass pro Tag - ein Höchstwert seit 1979 - konnte die Situation bisher nicht ändern.

Wie schon in der Hochpreis-Phase zu Beginn der achtziger Jahre kommt dieser Höhenflug den Erdöl-Multis zugute. Sie haben im zweiten Quartal 2004 Rekordgewinne erzielt. Für "ExxonMobil" ergab das einen Quartalsgewinn von 5,79 Milliarden Dollar, ein Plus von 14 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. BP legt im ersten Halbjahr sogar um 20 Prozent zu. Dabei war schon 2003 in der Erdöl-Branche ein Rekord-Jahr. BP hat damals seinen Gewinn um 35 Prozent auf 12,7 Milliarden Dollar erhöht, ExxonMobil konnte ihn auf 21,5 Milliarden Dollar fast verdoppeln, "Chevron-Texaco" ihn sogar versechsfachen.

Die Rechnung ist einfach: Jeder Dollar, den Erdöl mehr kostet, bringt den Produzenten pro Tag einen Zusatzgewinn von 82 Millionen Dollar. Steigt der Preis also von 28 auf 40 Dollar, ergibt das ein Plus von 177 Milliarden im Halbjahr.

Die Multis: gut eingespielt

Dass sich hohe Preise beim Rohstoff Erdöl relativ leicht beim Konsumenten durchsetzen lassen, hat mit der Oligopol-Situation auf den Märkten für Erdölprodukte zu tun. Auf diesen agiert ja eine überschaubare Zahl sehr potenter Anbieter, die Erdöl-Multis. Ihre Kostenstruktur ist sehr ähnlich und die Preise der Anbieter müssen nicht aufwändig recherchiert werden. Jeder sieht, was die "Konkurrenz" an der Zapfsäule verlangt. So ist es einfach, im Gleichschritt vorzugehen und daher lassen sich Erdölpreis-Steigerungen auf den internationalen Märkten leicht an den Tankstellen durchsetzen.

Kartellbeschwerde

Konsumentenschutzminister Herbert Haupt versucht derzeit, gegen die einheitlich hohen Treibstoffpreise in Österreich anzukämpfen. Wegen vermuteter Preisabsprachen wurde in Brüssel eine Kartellbeschwerde eingebracht. Ob die Initiative Erfolg haben wird, ist fraglich, denn handfeste Beweise liegen nicht vor und sind auch schwer beizubringen, solange Insider nicht entsprechende Informationen preisgeben. So muss sich die Beschwerde auf Indizien stützen: dass Preisbewegungen "immer unisono" durchgeführt werden, dass die Preisausschläge an den heimischen Zapfsäulen weit stärker ausfallen als die Rotterdamer Produktnotierungen, dass es Gebiete wie Salzburg gibt, in denen die Preise einheitlich hoch gehalten werden, obwohl dies von den Kosten her nicht gerechtfertigt erscheint.

Eine Entscheidung der tschechischen Wettbewerbsbehörde zeigt, dass die Sache nicht ganz aussichtslos ist. Am 31. Mai 2004 wurden sechs Treibstoff-Firmen - darunter OMV, Aral, Shell - zu einer Strafe von insgesamt zehn Millionen Euro wegen Preisabsprachen im Jahr 2001 verurteilt. Die Unternehmen hatten ziemlich einheitlich den Benzinpreis um eine Krone in einem Zeitraum angehoben, als die Erdölpreise auf den Märkten sanken.

Die Entwicklung auf den Erdölmärkten ist äußerst unbefriedigend. Denn sie wird von politischen Konstellationen in Krisengebieten, von der Spekulation und der Angst vor Attentaten gesteuert. Diese Instabilität stellt eine fortgesetzte Bedrohung der Weltwirtschaft dar. Außerdem kommen die Preissteigerungen nur wenigen zugute, die dabei unverhältnismäßig profitieren, jedoch kaum Interesse an der notwendigen Neuausrichtung der Weltenergieversorgung haben.

Dennoch wären höhere Erdölpreise - und zwar noch höhere, als wir sie derzeit haben - schon lange notwendig gewesen, aber als Ergebnis einer gezielten staatlichen Steuerreform, die eine geordnete Abkehr von den fossilen Brennstoffen forciert. Diese Neuausrichtung ist überfällig, wie ein Blick auf die Grafik zeigt: Bei gleichbleibendem Verbrauch reichen die derzeitigen Erdöl-Reserven nämlich nur für rund 40 Jahre. Bei dem von der Internationalen Energie-Agentur vorausgesagten Verbrauchswachstum (50 Prozent plus bis 2030) kommt das Ende sogar noch deutlich früher.

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