An der Schwelle zur globalen Dominanz

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Das Loblied auf den Freihandel, das China derzeit anstimmt, vermag nicht darüber hinwegzutäuschen, dass China derzeit darunter vor allem eine globale Shoppingtour bei Hightech-Konzernen versteht.

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Das Loblied auf den Freihandel, das China derzeit anstimmt, vermag nicht darüber hinwegzutäuschen, dass China derzeit darunter vor allem eine globale Shoppingtour bei Hightech-Konzernen versteht.

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Es ist vielleicht die größte Ironie der Geschichte des Kapitalismus, dass ausgerechnet das kommunistische China eine Form des Staatskapitalismus exportiert, während die USA unter ihrem Präsidenten Donald Trump auf einen isolationistischen Kurs einschwenkt sind, der mit Strafzöllen und Importbeschränkungen droht. Gerade auf dem eben zu Ende gegangenen Gipfel der Schwellenländer in Xiamen war das Motto unüberhörbar: Nieder mit den Handelsschranken, nieder mit den Mauern. Tatsächlich befinden sich Chinas Staatsbetriebe auf globaler Einkaufstour: Sie kaufen Weinbaugebiete in Frankreich, Textilfirmen in Afrika, Fußballer in Deutschland, Farmen in Australien. Im Rahmen des Projekts "Neue Seidenstraße" sollen rund 900 Milliarden Dollar in den Bau von Pipelines, Kraftwerken, Straßen, Eisenbahnen, Häfen und Flughäfen entlang der alten Handelsrouten investiert werden. Es ein Großprojekt, das Globalisierung vor allem nach chinesischen Regeln gestalten soll.

Zu diesem neuen Handelsnetz gehört auch der Zukauf von Hochtechnologie. Im vergangenen Jahr übernahm der chinesische Hausgerätekonzern Midea für 4,5 Milliarden Euro den deutschen Roboterhersteller Kuka. Das Berliner China-Institut Merics warnt in einer Analyse zu Pekings neuer Industriepolitik "Made in China 2025", dass sich Hightech-Staaten auf eine "Schwächung ihres Wirtschaftswachstums" einstellen müssten.

Auch in den USA geht die Sorge vor Chinas Technologiehunger um. Ex-US-Präsident Barack Obama legte in einer seiner letzten Amtshandlungen im Dezember 2016 ein Veto gegen den Verkauf des deutschen Chipanlagenbauers Aixtron ein. Der Deal sei ein Sicherheitsrisiko für die USA. Normalerweise läge die Erlaubnis im Kompetenzbereich der Bundesregierung, doch weil das Unternehmen aus Herzogenrath bei Aachen auch eine Zweigstelle in Kalifornien mit etwa 100 Mitarbeitern hat, besitzt die US-Regierung ein Mitspracherecht -und nutzte den legalen Hebel, erstmals seit 1990 wieder eine Firmenübernahme zu verhindern.

Hightech-Land in Echtzeit

Dabei wird leicht übersehen, dass China ein Hightech-Land ist und nicht nur Technologien importiert. Das Reich der Mitte, dessen Label "Made in China" meist mit Billigprodukten assoziiert wird, ist nicht mehr die verlängerte Werkbank der Weltwirtschaft, sondern ein aktiver Treiber. Die Deutsche Bahn kauft Züge und Ersatzteile in China - und nicht umgekehrt. Auch in Sachen E-Mobilität ist China Marktführer: Der chinesische Autobauer BYD ist mit einem Marktanteil von 13 Prozent der größte Elektroauto-Hersteller der Welt (noch vor Tesla) und auch für die deutsche Automobilindustrie eine Gefahr, die die Entwicklung des Elektromotors verschlafen hat. Der Online-Händler Alibaba spielt auf Augenhöhe mit Amazon, und der inzwischen 938 Millionen aktive Nutzer zählende Dienst WeChat ist in Sachen Nutzerzahl und Marktkapitalisierung der Konkurrenz aus dem Silicon Valley ebenbürtig.

Wobei von Wettbewerb keine Rede sein kann: Facebook bleibt der Marktzugang trotz einer Charmeoffensive von Gründer Mark Zuckerberg, der eigens Mandarin erlernt hat, weiterhin verwehrt. Mit einer Mischung aus Staatskapitalismus und Protektionismus gelingt es China, sich selbst abzuschotten.

Stellt sich freilich auch die Frage, ob das westliche Modell von Demokratie und Marktwirtschaft noch ein Erfolgsmodell darstellt oder ob angesichts der Unterwürfigkeit altehrwürdiger Institutionen wie der Cambridge University Press, die in vorauseilendem Gehorsam den Online-Zugang zu ihren Fachjournals sperrte, nicht ein chinesisches Zeitalter angebrochen sei. Auf Shanzhai-Märkten, einer Produktpiraterie, werden westliche Marken zu Plagiaten verfälscht. Aus Starbucks wird "Starfucks", aus Adidas wird "Adibos". Es ist ein Bild mit Symbolcharakter: China liefert die Produkte, der Westen nur noch die Logos.

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