Anbauverbot in Gefahr

Werbung
Werbung
Werbung

Österreich importiert jährlich 500.000 Tonnen genmanipulierte Soja-Futtermittel, bald könnte Genmais dazukommen. Ein generelles Nein zu genetisch veränderten Organismen ist laut EU-Recht aber verboten.

Wir haben bei Frischfleisch Ende 2006/Anfang 2007 eine Arbeitsgruppe gegründet, die sich mit gentechnisch veränderten Futtermitteln beschäftigt. Wir haben die Lieferanten kontaktiert und diejenigen, die für die Zukunft keine Produkte aus gentechnikfreier Fütterung garantieren konnten, eliminiert", erklärt Karl Weisskopf, Pressesprecher des Schweizer Handelskonzerns Coop. Wohlgemerkt: Es handelt sich hier um ausländische Fleischprodukte, für die eine "Reinheitsgarantie" abgegeben werden muss. Bei Schweizer Ware weiß die Bevölkerung schon längst, dass bei Lebensmitteln wie Mais oder Soja gar keine gentechnisch veränderte Organismen (GVO) eingesetzt werden und bei der Tierfütterung der GVO-Anteil mit 0,11 Prozent aller Futtermittelimporte verschwindend gering ist. Österreich importiert dagegen mehr als 500.000 Tonnen genmanipulierten Sojaschrot für die Tierfütterung - mehr als das 1000-fache der Schweiz. Da Fleisch, Eier und Milchprodukte nicht gekennzeichnet werden müssen, wenn die Tiere mit genmanipulierten Futtermitteln gefüttert wurden, tappt der Konsument im Dunkeln. Zusätzlich hat die Schweizer Bevölkerung vor zwei Jahren per Volksabstimmung ein fünfjähriges Gentechnik-Verbot für den kommerziellen Anbau erzwungen.

Dammbruch?

Die Menschen in Österreich lehnen die Gentechnik ähnlich deutlich ab wie die Eidgenossen. Trotzdem gibt es kein Gentechnik-Verbotsgesetz, und es sind fast die gesamten Soja-Futtermittelimporte genmanipuliert. Wer zu konventionellem Fleisch greift, kann davon ausgehen, dass die Tiere mit Gensoja gefüttert wurden. Und am 30. Oktober versagte der EU-Ministerrat Österreich die notwendige Unterstützung zur Aufrechterhaltung der Importverbote bei den Genmaissorten MON810 und T25. Sollte bis 21. November kein Wunder passieren, wird die EU-Kommission diese Importverbote für Futter- und Lebensmittel aufheben. Landwirtschaftsminister Josef Pröll beeilte sich klarzustellen, dass "das Anbauverbot jedenfalls gesichert bleibt". Laut Barbara Helfferich, Sprecherin des EU-Umweltkommissars Stavros Dimas, ist diese Aussage jedoch falsch: "Das Verfahren gegen das Anbauverbot Österreichs läuft weiter, und es gibt die Empfehlung der Kommission, dieses aufzuheben. Es ist zu erwarten, dass auch darüber eine Entscheidung getroffen wird. Die Kommission könnte das Anbauverbot somit ohne weitere Abstimmung im EU-Ministerrat aufheben." Alle österreichischen Gentechnik-Schutzwälle sind somit in Gefahr.

Bekanntlich haben die USA, Kanada und Argentinien über die Welthandelsorganisation WTO die EU geklagt, den freien Handel in Bezug auf GVO zu behindern - und bekamen zum Teil Recht. Die EU-Rechtssetzung ist in puncto Gentechnik weitgehend WTO-konform, was ein dauerhaftes, nicht wissenschaftlich begründetes Verbot von Gentechnikimporten ausschließt. Obwohl einmal ausgebrachte gentechnisch veränderte Pflanzen nie mehr rückholbar sind, wird das Recht auf Vorsorge ignoriert (siehe Kasten). Unter diesem Gesichtspunkt sind auch die - vordergründig - aufmüpfigen Aktionen Österreichs in einem anderen Licht zu sehen: Als der oberösterreichische Landtag ein generelles Gentechnik-Anbauverbot beschloss, schickte er den Gesetzesentwurf zur Genehmigung nach Brüssel. Die Antwort hieß erwartungsgemäß "nein". Ausgerechnet die griechischen Landsleute von EU-Umweltkommissar Dimas zeigten, wie es anders gehen kann: Sie beschlossen ein generelles Anbau-Totalverbot, ohne die Kommission zu fragen. Polen und eine Vielzahl italienischer Provinzen verbannten die Gentechnik ebenfalls eigenmächtig vom Acker. Als bislang letztes Land gesellte sich Frankreich zur Gruppe der Totalverweigerer. "Ich möchte nicht im Widerspruch zu EU-Gesetzen stehen, aber ich muss eine Wahl treffen. Im Einklang mit dem Vorsorgeprinzip wünsche ich, dass der kommerzielle Anbau von GVO, die Pestizide produzieren, ausgesetzt wird", erklärte Staatspräsident Nicolas Sarkozy Ende Oktober. Damit kommt der Gentechnik-Anbau in Frankreich über Nacht zum Erliegen. Sofort kam der Rüffel aus Brüssel, dass dies unzulässig sei. Die Liste der Abtrünnigen wächst, die innerhalb der EU den bislang erfolgreichen "Schweizer Weg" des generellen Anbauverbotes gehen. Im angeblich so gentechnikkritischen Österreich wird jedoch kein Gedanke daran verschwendet - die Rede ist nur vom indirekten Weg der beiden Genmais-Verbote und so gut wie nie von einem generellen GVO-Anbauverbot. "Für uns gibt es nur zwei Varianten: Entweder die beiden Genmais-Importverbote beibehalten und diese durchfechten oder bei einer Aufhebung der Importverbote für Lebens- und Futtermittel die entsprechenden Begleitmaßnahmen setzen", erklärt beispielsweise Greenpeace-Gentechniksprecher Steffen Nichtenberger. "Man müsste versuchen, dass sich der Markt schließt und zum Beispiel mit dem AMA-Gütesiegel den Einsatz von GVO im Tierfutter verbieten. Das wäre ein Kompromiss, der für Greenpeace gut vorstellbar ist." 50 bis 70 Prozent des Sojaschrotes könnten so auf gentechnikfrei umgestellt werden. Josef Prölls Pressesprecher Daniel Kapp sieht hingegen bei den importierten GVO-Futtermitteln kein Problem.

Das österreichische Gesundheitsministerium hat angekündigt, zur Aufrechterhaltung der Importverbote eine Studie mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen vorzulegen. Ob Argumente wirklich zählen, scheint nach den bisherigen Erfahrungen fraglich: Bisher schmetterte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) alle solchen Studien als nicht relevant ab, und die EU-Kommission folgte dem Urteil der EFSA.

Dimas gegen EFSA

Doch derzeit scheint in Brüssel kein Stein auf dem anderen zu bleiben: Wieder war es Stavros Dimas, der im Mittelpunkt stand, als er vor kurzem erklärte, zwei neue Genmais-Sorten nicht für den Anbau zulassen zu wollen. Begründung: Diese könnten negative Auswirkungen auf die Umwelt und auf Organismen haben, die durch das Gift der Pflanze nicht geschädigt werden sollten. Damit stellte sich erstmals ein Kommissar gegen die Meinung der Wissenschaft, die bisher meist im Einklang mit jener der Gentechnik-Konzerne stand. Gleichzeitig würde das erste Mal das Vorsorgeprinzip in Bezug auf GVO zum Tragen kommen.

Die Rolle der WTO

Die Welthandelsorganisation WTO gibt die Leitlinien in puncto Gentechnik vor und greift dabei in die Entscheidungsbefugnis aller Nationen und Regionen ein. Deklariertes Ziel ist die "Liberalisierung des internationalen Handels und die Beseitigung von Diskriminierungen im Welthandel." Dementsprechend darf laut WTO-Regelungen kein Land beispielsweise den Anbau von GVO generell verbieten. Regierungen dürfen nicht einmal einzelne GVO auf Dauer verbieten - außer es kann ein wissenschaftlicher Beweis einer Gefährdung der Gesundheit erbracht werden.

Umweltschäden durch GVO sind für die WTO ebenfalls kein Thema: Nationalstaaten dürfen Umweltstandards nicht zur Voraussetzung für die Einfuhr bestimmter Produkte machen, weil das den Grundlagen des freien Handels widersprechen würde, wie der Gentechnik-Rechtsexperte Albin Christoph Lohninger erklärt.

Der EU-rechtliche Rahmen für die Zulassung zum Inverkehrbringen von GVO steht im Großen und Ganzen mit den Vorgaben des WTO-Rechts im Einklang. Bei allen Entscheidungen der EFSA, dem wissenschaftlichen Gremium der EU für die Zulassung von GVO, spielte das Vorsorgeprinzip keine Rolle. Ebenso von der WTO übernommen hat die EU die Inhalte des "TRIPS-Abkommens" (auf deutsch: Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum). Dieses garantiert auch die Patentierung von Leben. Jeder gentechnisch veränderte Organismus ist patentiert. Das Saatgut gehört dann nicht mehr dem Bauern, sondern dem Konzern. Der Bauer wird gezwungen, jedes Jahr neues Saatgut zu kaufen und dafür - wie für die Nutzung einer Erfindung - Lizenzgebühren zu zahlen.

Österreich hat als EU-Mitglied all diese Vorschriften ins nationale Recht umgesetzt. Um aus der Gentechnik-Spirale herauszukommen, sollte dringend über neue Wege nachgedacht werden, fordert etwa Attac-Österreich-Gründer Christian Felber: "Die Landwirtschaft muss aus der WTO herausgenommen werden." Jedem Land müsse das Recht zugestanden werden, eine eigene Landwirtschaftspolitik zu machen und seine Produkte mit Zöllen zu schützen - was dem Prinzip der Ernährungssouveränität entspräche.

Der Autor ist freier Journalist.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung