7090283-1994_26_29.jpg
Digital In Arbeit

Atomstrom hat kein Mascherl

19451960198020002020

Geplante 380-Kilovolt-Leitungen sorgen bei Grünen und Bürgerinitiativen tur Aufregung. Die E-Wirtschaft spricht von technischen Notwendigkeiten.

19451960198020002020

Geplante 380-Kilovolt-Leitungen sorgen bei Grünen und Bürgerinitiativen tur Aufregung. Die E-Wirtschaft spricht von technischen Notwendigkeiten.

Werbung
Werbung
Werbung

Der Bau einer 380-Kilo-volt-Stromleitung von Wien über das Burgenland in die Steiermark ruft die Grünen und Bürgerinitiativen auf die Barrikaden. Mit dem geplanten Baubeginn eines ersten Teilstücks durch das Burgenland in den nächsten Monaten könnte auch eine neuerliche Debatte über die österreichische Energiepolitik entfacht werden. Denn die Beteuerung der Verbundgesellschaft, die Leitung diene nur der Schließung des 380-Kilovolt-Rin-ges im Burgenland und in der Steiermark, ist nur die halbe Wahrheit.

Gegner der geplanten Stromtrasse verweisen auf die künftige technische Möglichkeit, Atomstrom aus tschechischen und slowakischen Atomkraftwerken ohne hohe Transitverluste nach Italien zu transportieren. Denn je höher die Spannung, desto geringer die Transportverluste, lautet das Credo des Energietransports. So sollen demnächst die beiden mitteleuropäischen „Strom-Drehscheiben" Österreich und Tschechien/Slowakei enger miteinander verknüpft werden. Zwei neue 380-Kilovolt-Leitungen zwischen Wien und Stupava (Slowakei) sowie zwischen Dürnrohr und Slavetice (Tschechien) schließen die (Atom-) Stromexportländer Tschechien und Slowakei direkt an das westeuropäische Hochspannungsnetz an.

Die Verbundgesellschaft argumentiert mit vornehmlich innerösterreichischen Notwendigkeiten, die auch ein vom Wirtschaftsministerium in Auftrag gegebenes Gutachten verstärkt. Die beiden Energie-Experten Kurt Edwin (Aachen) und Hans Glavitsch (Zürich) verweisen unter anderem auf den Umstand, daß „das Höchstspannungs-netz der Verbundgesellschaft im heutigen Ausbauzustand auf das höchste ausfallsgefährdet" sei. Ausfälle im 220- und 110-Kilovolt-Netz der STEWEAG gefährden immer wieder den Grpßraum Graz, zudem zeige die Analyse, daß die Landesnetze der steirischen und burgenlän-dischen Stromgesellschaften STEWEAG und BEWAG generell „nach internationalem Standard nicht versorgungsicher" seien. Letztlich sei also eine 380-Kilovolt-Verbindung Wien-Burgenland-Steiermark dringend notwendig für den Stromausgleich in ganz Osterreich, betonen die Gutachter. Denn eine 380-Kilovolt-Leitung vermindere Übertragungsverluste und diene letztlich dem angestrebten Stromsparen. Die auf Umweltschutz bedachte Verbundgesellschaft entwickelte zudem einen eigenen „Burgenlandmast". Dieses Novum im Leitungsbau erreicht nur mehr die Höhe von 42 statt bisher 51 Meter und führt im Bereich des Landschaftsschutzgebietes neben der 380-Kilovolt-Leitung auch noch die 110-Kilovolt-Leitung der BEWAG mit.

Um den ausfallgefährdeten Groß-raum Graz sicher versorgen zu können, will die STEWEAG bei Gleisdorf eine 380/110-Kilovolt-Kupp-lung („Umspannwerk Oststeiermark") errichten. Das Umspannwerk Kainachtal, das zur Zeit seinen zusätzlichen Strombedarf aus Kärnten bezieht, würde bei Fertigstellung einer Leitung von Wien-Südost bis

Obersielach/Kärnten einen Netzknoten darstellen, der für die Anspei-sung des Großraumes Graz Sicherheit bringen würde, betonen Verbund und STEWEAG unisono.

Doch das Problem „Leitungsbau" („Strom-Autobahn") könnte nur ein stagnierender Stromverbrauch oder eine Strompreiserhöhung lösen, verlautet es aus den Landesgesellschaften und der Verbundgesellschaft. Er-steres ist unrealistisch: Prognostiziert doch das Wirtschaftsforschungsinstitut eine Steigerung des Stromverbrauchs für Osterreich um 24 Prozent bis zum Jahr 2000. Österreich wird auf Dauer wohl nicht auf den Billig-(Atom)-Strom aus dem Osten verzichten wollen, fürchten die Grünen. Im FuRCHE-Gespräch verweist Grün-Mandatar Andreas Wabl auf einen „europäischen Preisdruck bei der Ware Strom. Woher der Strom kommt, ist den Importeuren nicht wichtig, solange er billig ist, denn der Atomstrom hat kein Mascherl!"

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung