Auch im 21. Jahrhundert wird weltweit gehungert

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Bis Mitte der achtziger Jahre sollte das Problem der Welternährung gelöst sein - meinte die FAO 1974. Die Erwartungen wurden enttäuscht. So werden auch im nächsten Jahrzehnt hunderte Millionen Menschen nicht ausreichend zu essen haben.

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Bis Mitte der achtziger Jahre sollte das Problem der Welternährung gelöst sein - meinte die FAO 1974. Die Erwartungen wurden enttäuscht. So werden auch im nächsten Jahrzehnt hunderte Millionen Menschen nicht ausreichend zu essen haben.

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Weltweit werden Holzeinschlag, Bergbau, Erdölförderung, Viehhaltung, Energieverbrauch und der Individualverkehr jährlich mit mindestens 650 Milliarden Dollar - entsprechend einem Anteil von neun Prozent an allen Staatshaushalten - subventioniert. Diese Summe übertrifft bei weitem das, was an Förderungen für umweltbewahrende Maßnahmen, zum Beispiel nachhaltige Bodenbewirtschaftung, gezahlt wird."

Diese Feststellung findet sich im Bericht "Zur Lage der Welt 1999" (World Watch Institute Report), der ein sehr ausführliches Kapitel "Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Gesellschaft" jenen politischen Strategien widmet, die das Überleben des angeschlagenen Planeten Erde sicherstellen würden.

Rund 200 souveräne Staaten auf der Welt machen es aber schwierig, eine globale Umweltpolitik mit effizienten, grenzübergreifenden Maßnahmen (Steuerpolitik) und somit das Konzept der Nachhaltigkeit zu verwirklichen. Die Einsicht aber, dass sich internationale Umweltprobleme nur mit Hilfe multilateraler Institutionen lösen lassen, hat sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, wie die Autoren feststellen, weitgehend durchgesetzt, "leider jedoch mehr in Worten als in Taten".

Insbesondere die Weltbank, deren Anfänge in die Zeit des Wiederaufbaus Westeuropas nach dem Zweiten Weltkrieg zurückreichen, hat lange eine wichtige Rolle als Finanzier gigantischer öffentlicher Projekte gespielt, Projekte, die in vielen Entwicklungsländern verheerende ökologische und soziale Folgen zeitigen", wird im Bericht "Zur Lage der Welt" über das Jahr 1999 kritisiert.

Was außerdem für politisch verheerende Folgen sorgen könnte, ist die weltweit steigende Zahl von Arbeitslosen. Nach Angaben der "Deutschen Stiftung Weltbevölkerung" sind derzeit etwa eine Milliarde Menschen weltweit ohne Arbeit oder unterbeschäftigt. Das entspricht einem Drittel der gesamten Erwerbsbevölkerung. Bis zum Jahr 2050 müssten mindestens 1,7 Milliarden zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden, um nur das heutige Beschäftigungsniveau zu halten. In vielen Entwicklungsländern nimmt der Bedarf an Erwerbsarbeit aufgrund des rapiden Bevölkerungswachstums schon heute erheblich schneller zu als Arbeitsplätze geschaffen werden könnten.

Vielleicht waren es Optimismus oder der Glaube an den technischen Fortschritt und die "Grüne Revolution", als die Welternährungskonferenz 1974 - der Schreiber dieser Zeilen nahm damals an der Seite von Österreichs Landwirtschaftsminister Oscar Weihs teil - verkünden ließ, dass binnen zehn Jahren niemand mehr hungern sollte.

1996, mehr als 20 Jahre später, war der Welternährungsgipfel in Rom, wie es im "Jahrbuch der Welternährung" (Deutsche Welthungerhilfe, Frankfurt/Main, April 2000) heißt, schon sehr viel zurückhaltender. Die Regierungen vereinbarten bei dieser Gelegenheit nur mehr, bis spätestens 2015 die Zahl der hungernden Menschen zu halbieren. Ein Versprechen, das große politische Anstrengungen und wesentlich mehr internationale Solidarität erfordern würde als bisher. Hunger und Mangelernährung bleiben also auch zu Beginn des neuen Jahrhunderts ein Problem, das einer politischen Zeitbombe gleicht.

Von Unterernährung spricht die FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen) dann, wenn die tägliche Energiezufuhr unter dem Bedarfsminimum - durchschnittlich 2000 Kalorien am Tag - liegt. Auf den Hunger und die steigende Armut wird immer wieder in politischen Resolutionen und Aufrufen der FAO hingewiesen, die reichen Gesellschaften könnten einfach die dramatische Situation nicht länger akzeptieren, warnen Experten.

Hochrechnungen der FAO zur Anzahl der chronisch unterernährten Menschen beziehungsweise der Menschen mit unzureichender Nahrungsmittelversorgung signalisieren Handlungsbedarf. Danach werden im Jahre 2010 noch immer 680 Millionen Menschen, das heißt zwölf Prozent der Bevölkerung in den Entwicklungsländern, unzureichend mit Nahrungsmitteln versorgt sein. Zum Vergleich: In den Jahren 1990/1992 gab es 840 Millionen Hungernde.

Für Ostasien geht man von einem raschen, für Südasien und Lateinamerika von einem etwas langsameren Rückgang der Unterernährung aus. Dagegen könnte die Zahl der Unterernährten in Afrika südlich der Sahara, in Westasien und Nordafrika stark zunehmen.

In Afrika südlich der Sahara und Südasien werden im Jahre 2010 schätzungsweise 70 Prozent der weltweit unterernährten Bevölkerung leben. Dabei wird sich der Anteil der unterernährten Menschen im südlich der Sahara gelegenen Afrika besonders stark steigen, ist doch damit zu rechnen, dass fast jeder dritte Einwohner dieser Region von Nahrungsmittelmangel betroffen sein wird.

Die Nahrungsmittelnachfrage hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, unter anderem von Bevölkerungswachstum und -wanderungen, Einkommenshöhe und Wirtschaftswachstum, Veränderungen des Lebensstandards, der Präferenzen und des Bildungsstandes. Im nächsten Vierteljahrhundert wird die Weltbevölkerung jährlich um fast 73 Millionen Menschen wachsen und sich damit um 32 Prozent von 5,66 Milliarden Menschen im Jahre 1995 auf 7,5 Milliarden bis zum Jahr 2020 erhöhen.

Es wird erwartet, dass über 95 Prozent dieses Bevölkerungswachstums in den Entwicklungsländern erfolgt, sodass deren Anteil an der gesamten Weltbevölkerung voraussichtlich von 79 Prozent im Jahre 1995 auf 84 Prozent im Jahre 2020 ansteigen wird. In diesem Zeitraum wird die absolute Bevölkerungszunahme in Asien am stärksten sein. Die relative Zunahme wird jedoch für Afrika südlich der Sahara erwartet: Für diese Region geht man bis zum Jahr 2020 von einer annähernden Verdoppelung der Bevölkerungszahl aus.

Der Autor ist Gruppenleiter im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft.

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