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Auf Wachstum programmiert

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In jeder Entscheidung geht es um Wertigkeiten: Was ist wichtiger? Im folgenden Überlegungen zur Frage: Zu welchen Werten bekennt sich die EU?

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In jeder Entscheidung geht es um Wertigkeiten: Was ist wichtiger? Im folgenden Überlegungen zur Frage: Zu welchen Werten bekennt sich die EU?

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Artikel B des Maastricht-Vertrages formuliert die Ziele der KU: „die Förderung eines ausgewogenen und dauerhaften wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts, insbesondere durch Schaffung eines Baumes ohne Binnengrenzen, durch Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts und durch Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion...” Es folgen vier weitere Punkte, in denen es um die gemeinsame Außen-, Sicherheits-, Innen- und Justizpolitik, sowie die Unionsbürgerschaft geht.

Das oberste Ziel, der höchste Wert der EU ist also Wirtschaftswachstum und seine sozial gerechte Verteilung. Das klingt vertraut. Streben nicht alle Völker Europas nach diesem Ziel? Wer die Politik in diesen Jahren der Wirtschaftskrise beobachtet, erkennt, daß Wachstum tatsächlich oberstes Leitmotiv der Politik der Industrieländer ist.

Es ist aber ein enormer Unterschied, ob dieses Ziel ausdrücklich in der Verfassung festgeschrieben ist oder nur aus aktuellen Prioritäten (die sich auch wieder ändern können) verfolgt wird. Die EU jedenfalls ist ein auf Wachstum programmiertes Unternehmen.

Der Überflußgesellschaft Wachstum zu verordnen, ist unzeitgemäß. Längst ist doch klar, daß es einen „ausgewogenen und dauerhaften wirtschaftlichen Fortschritt” nicht geben kann. Längst ist klar, daß die Schöpfung, Pflanzen, Tiere und Menschen das nicht vertragen. So wird zwar wird im Artikel 130 des Maastricht Vertrages auch ausdrücklich Bezug auf den Umweltschutz genommen, dieser ist aber dem obersten Ziel nachgeordnet.

So wird, was Europa unausgesprochen heute lebt, in der EÜ zum Staatsprinzip: der Materialismus. Das hatten Konrad Adenauer und Bobert Schuman nicht gewollt. Für sie war die wirtschaftliche Zusammenarbeit Instrument für ein höheres Ziel: Frieden und Wohlstandsmehrung in einem total zerstörten Europa. In Artikel 2 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (1951) wird auch von „Ausweitung der Wirtschaft” gesprochen. Diese wird aber als Beitrag zur Wohlstandsmehrung gesehen, als Mittel für ein höheres Ziel.

Weiters -ist festzuhalten: Die europäische Einigung geschah bisher durch die wirtschaftliche Zusammenarbeit souveräner Staaten. Das hat sich geändert. Der Maastricht-Vertrag begründet ein Gebilde mit enormer Gesetzgebungskompetenz für die Zentrale. In Artikel 3 werden zu den Kompetenzen in der Außen-, Sicherheits-, Innen- und Justizpolitik 20 weitere Punkte aufgezählt. Sie betreffen die Sozialpolitik, die Forschung, die Bildung, den Verkehr, die Energieversorgung, den Katastrophen- und Verbraucherschutz...

Davon zu sprechen, die EU halte das Prinzip der Subsidiarität hoch, verkennt einfach die Tatsachen. Zu diesem Thema liest man in Artikel 3b: „In den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, wird die Gemeinschaft nach dem Subsidiaritätsprinzip nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können...”

Damit ist klar: Subsidiarität gilt nur für die nicht in der langen Liste enthaltenen Bereiche - nicht viel, wenn man dem scheidenden Kommissionspräsidenten Jacques Delors glaubt. Er erwartet, daß in absehbarer Zeit 80 Prozent der wichtigen politischen Entscheidungen in der EU in Brüssel fallen werden. Da Artikel 1 unserer Verfassung vorsieht, daß alles Becht vom Volk ausgeht, muß dieses befragt werden, ob es dieser Totaländerung unserer Verfassung (Recht von anderswoher zu übernehmen) zustimmt.

Ein weiterer wichtiger Punkt: Die Gemeinschaft verfolgt das Ziel der vollkommenen Bewegungsfreiheit von Waren, Kapital, Dienstleistungen und Menschen. Diese Strategie schreibt die Wirtschaftspolitik der Nachkriegs jähre fest: Spezialisierte Produktion in möglichst großen Serien für möglichst große Märkte. Auf diesem Weg entstehen immer größere Firmenimperien, die bei freier Bewegung überall tätig werden. Die EU wird daher zunehmend zu einem Europa der Großunternehmen, die zu normierten, standardisierten, international gleichartigen

Lösungen und Angeboten tendieren: Überall die gleichen Tankstellen und Supermärkte, die gleichen Waren, die gleiche Kleidung...

Europa wird uniformiert - und zwar nach der wirtschaftlichen Logik. Das Besondere verliert an Bedeutung - denn meist läßt sich sein Wert nicht berechnen. Im Europa von morgen wird der Wert durch Berechnung zugemessen.

Langfristig muß da der Mensch, das besondere Geschöpf schlechthin, dessen Wert durch Zahlen nicht erfaßbar ist, unter die Bäder kommen. Daher auch die menschenverachtenden Resolutionen, die das Euro-Parlament bereits produziert hat: Nach der Forderung nach Legalisierung der Abtreibung hat es sich für die Euthanasie und die Gleichstellung homosexueller Verbindungen mit der Ehe stark gemacht.

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