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Auftrieb für die Wirtschaft

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Viele glauben, mit Hilfe von Blei-gießen, Kar tenaufscM agen und Sterndeuterel das neue Jahr erraten zu können. Sollte man sich aber dennoch nicht lieber ernsthaft mit den Daten sowie den Erfahrungen der Wirtschaftsforscher beschäftigen, die einen hohen Grad der Wahrscheinlichkeit besitzen, statt mit Wirt-schaftshoroskopen?

Die OECD rechnet mi<t einem vierprozentigen realen Wachstum des Bruttonationalproduktes ihrer 21 Mitgliedsländer (unter ihnen auch Österreich) für 1969. Bei ihrer Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung im kommenden Jahr haben die Experten der OECD schon die Franckrise vom November 1968 sowie die Maßnahmen einiger Industrieländer berücksichtigt. Für die USA, auf die 52 Prozent des gesamten Bruttonationalproduktes aller OECD-Länder entfallen, schätzen sie, daß die reale Wachstumsrate im kommenden Jahr 2,5 Prozent betragen wird. Optimistischer lauten die amerikanischen Voraussagen, sie nehmen eine reale Zunahme des Bruttonationalproduktes der USA um 3 Prozent an. Für diese Annahme spricht vor allem die — trotz der Einhebung des zehnprozentigen Zuschlags zur Einkommensteuer seit Juli 1968 — weiter zunehmende Investitionstätigkeit der amerikanischen Wirtschaft.

Erfüllt von Konjunkturoptimis-mus ist auch die Europäische Kommission. Nach ihrer Ansicht dürfte sich die reale Wachstumsrate der EWG von 5 Prozent im Jahre 1968 auf 5,5 Prozent im Jahre 1969 erhöhen. Mit besonderem Interesse liest man, daß nach Meinung der Europäischen Kommission das reale Bruttonationalprodukt In Frankreich 1969 um etwa 7 Prozent steigen könnte. Sie nimmt auch an, daß eine Rückkehr zum Gleichgewicht in Frankreich möglich sei, da die Passivierung der französischen Handelsbilanz nur wenige Monate anhalten werde.

Der deutsche Sachverständigenrat und Bundeswirtschaftsminister Professor Schiller schätzt für 1969 den Anstieg des realen Bruttonationalproduktes in der Bundesrepublik Deutschland auf 4,5 Prozent In Itaffien rechnet man mit einer Verstärkung des Wirtschaftswachstums von real 4,5 Prozent im Jahre 1968 auf real 5,5 Prozent im Jahre 1969. Selbst in Großbritannien hat sich die Regierung das Ziel eines reailen Wachstums von 3 Prozent für 1969 gesetzt.

Aus allen diesen Prognosen ist erkennbar, daß sich die Weltkonjunktur im Jahre 1969 voraussichtlich nicht abschwächein wird. Für Westeuropa, wo Sich das Expansionstempo während der zweiten Hälfte 1968 verstärkt hat, deuten alle Anzeichen darauf hin, daß die Auftriebskräfte auch im Verlauf des Jahres 1969 unvermindert anhalten werden.

Diese günstigen Prognosen dürften auch den Optimismus der österreichischen Experten abgesichert haben. Auf der letzten Sitzung der Paritätischen Kommission konnte Prof. Seidel berichten, daß die Arbeitsgruppe für Vorausschauende Volkswirtschaftliche Gesamtrech-nungen im Wirtschaftsforschungsinstitut in Zusammenarbeit mit dein Beirat die reale Wachstuimsirate des österreichischen Bruttonationalpro-duktes für 1969 auf 5 Prozent schätzt.

Die Nachfrage nach österreichischen Exportgütern dürfte selbst durch die im Gefolge der letzten internationalen Währungskrise in Frankreich und Großbritannien eingeführten Maßnahmen zur Drosselung der Importe kaum beeinträchtigt werden, da beide Staaten für die österreichische Exportindustri zwar wichtige, aber keineswegs die entscheidenden Absatzmärkte sind. Das Schwergewicht der österreichischen Exporte liegt sowohl in der EWG als auch in der EFTA bei den Staaten, deren Wirtschaftsprognosen für 1969 unverändert günstig sind. In der EWG ist Österreich wichtigster Exportmarkt die BRD, in die 1969 die Exporte durch die Umsatzsteuersen-kung um 4 Prozent noch zusätzlich erleichtert werden, gefolgt von Italien und den Niederlanden, Erst auf dem vierten Platz rangiert Frankreich.

In der EFTA nimmt Großbritannien nach der Schweiz und der Gruppe der skandinavischen Länder nur den dritten Platz ein.

Zu noch viel mehr Optimismus gibt aber die Entwicklung der österreichischen Konjunktur selbst Anlaß. So stellte das österreichische Institut für Wirtschaftsforschung bereits im November 1968 fest, „daß die österreichische Konjunktur stärker als bisher von internen Auftriebskräiften getragen wird und daher nicht mehr in gleichem Maße auf außenwirtschaftliche Impulse angewiesen ist“. Ebenso scheint die hartnäckige und konjunkturwidrige Investitionsschwäche überwunden zu sein. Der Absatz heimischer Investitionsgüter hat seit September 1968 steigende Tendenz und die Zuwachsraten der Produktionsausweitung in der österreichischen Industrie sind ähnlich hoch wie in früheren Konjunkturjahren (1960, 1964).

Die Ursachen für den raschen Konjunkturaufschwung sind nicht zuletzt in den rechtzeitig ergriffenen Maßnahmen der Bundesregierung gegen die von außen kommende Piaute zu sehen, wie etwa der Freigabe des halben Eventualbudgets zu Jahresbeginn 1968.

Externe wie interne Faktoren werden also im kommenden Jahr dazu beitragen, die seit 1958 dritthöchste reale Wachstumsrate des Bruttonationalproduktes zu realisieren (nur die Jahre 1960 und 1964 verzeichneten höhere Zuwachsraten).

Da gegenwärtig keine Anzeichen eines konjunkturellen Umbruchs zu erkennen sind, gibt es derzeit auch keinen Grund, an dem vorausgesagten fünfprozentigen Wachstum des realen österreichischen Bruttonationalproduktes zu zweifeln. Da überdies günstige Wirtschaftsprognosen, sofern sie von realen Voraussetzungen ausgehen, noch die Tendenz haben, den Wachstumsprozeß zu beschleunigen, kann die Frage nach der Wirtschaft 1969 durchaus positiv beantwortet werden.

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