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Ausbau Wiens als bunte Drehscheibe

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Die Standortvorteile Wiens nach außen sichtbar machen, im Inneren das Problem der illegalen Ausländer lösen, will Bürgermeister Michael Häupl.

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Die Standortvorteile Wiens nach außen sichtbar machen, im Inneren das Problem der illegalen Ausländer lösen, will Bürgermeister Michael Häupl.

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diefurchr- Haben die Ostkredite Wiens Drehscheibenruf angeknackst? Bürgermeister Michael Häupl: Lassen wir die Kirche im Dorf. Die Stadt Wien hat für Risikoprojekte im Osten Haftungen übernommen. Haftung heißt ja von vornherein, daß so etwas auch platzen kann, sonst brauchte eine Körperschaft öffentlichen Rechts wie die Stadt Wien eine solche erst gar nicht zu übernehmen. Wir haben das übernommen und gesagt, alles was Wirtschaftlichkeitsprüfung, Projektprüfung betrifft, das sollen die Banken machen, die natürlich damit auch ein Geschäft machen wollen; wir von der Stadt Wien werden dafür sicherlich keine Prüfungsressourcen aufbauen, denn wir haben, mit Verlaub gesagt, ja keinen Vogel. Daher wurde im Vertrag festgelegt, daß die Projektprüfung seitens der Banken zu übernehmen ist. Jetzt stellt der Rechnungshof fest, daß es offensichtlich keine hinreichend klaren Prüfungen gegeben hat nehmen wir zur Kenntnis. Ich, beziehungsweise der Finanzstadtrat sagte dazu, wenn schuldhaftes Verhalten in Prüfungsdefiziten vorliegt, dann werden wir natürlich allfällig dort, wo wir zu Haftungszahlungen verpflichtet sind, diese Zahlungen nicht leisten. Da kann man unter Umständen ja den Rechtsweg beschreiten. Unsere bedeutende Drehscheibenfunktion verlieren wir damit nicht. Das sind ja Peanuts.

diefurche: Wien blickt momentan ohnehin viel mehr nach Westen. häupl: Es ist völlig undiskutierbar, daß Osterreich seine ganz festen Wurzeln im Westen hat. Mehr als 45 Jahre lang waren wir westlichster Vorposten der Demokratie mit einem Eisernen Vorhang 60 Kilometer östlich von Wien. Heute stehen wir vor einer anderen Situation. Nichtsdestoweniger haben wir 60 Kilometer östlich von Wien heute eine harte wirtschaftliche und soziale Grenze, von der man hofft, daß sie sich aufweicht, während es im Kommunismus dafür streckenweise keine Perspektive der Veränderung gegeben hat. Diesbezüglich haben wir eine bestimmte Rolle: eine Rolle als östlichstes Land der EU. Und gerade wir Wiener wollen diesen Brückenschlag nach Budapest, nach Prag, Bratislava, auch nach Ljubljana, Warschau und tunlichst auch nach Petersburg und Moskau. Wir haben eine Unzahl von Kooperationsverträgen mit den Nachbarstädten. Einer von vielen waren die Haftungsübernahmen der sogenannten Ostkredite. Man muß diese also in den Gesamtzusammenhang einordnen - und da wird die Zwergerldimension dieses Problems ein bißchen deutlicher.

diefurche: Haben Sie Angst vor der Konkurrenz Prags oder Budapests? häupl: Angst habe ich nur vor dem Zahnarzt. Bisher standen wir in Konkurrenz zu München. Wir brauchen aber den notwendigen Druck, diese neuen Herausforderungen. Es geht ein Wettbewerb um den Standortvorteil im Blick auf Betriebsansiedlungen. Da müssen wir eben die Vorteile Wiens herauskehren und sie

weiterentwickeln. Und weil es Defizite gibt, arbeiten wir ja wie die Berserker dran, die Standortvorteile auch nach außen hin sichtbar zu machen. Was wir bieten können, ist die hohe Qualifikation der Mitarbeiter hier in Österreich, das hohe Qualifikationsniveau sowohl bei den Facharbeitern als auch bei den Angestellten, es ist die Qualität der Infrastruktur der Kommunikation, natürlich ist es auch eine Frage der Verkehrsinfrastruktur. Standortentscheidungen werden natürlich nicht in Betriebsversammlungen getroffen, sondern von Managern, für die die Sicherheit in unserer Stadt, die kulturelle Attraktivität, das Kultur- und Freizeitangebot sehr wichtige Parameter sind. Und ich beeile mich hinzuzufügen, daß ich um die Probleme der Verkehrsinfrastruktur gerade im Hinblick auf den Osten weiß...

diefurche: Da hat man fiinf Jahre doch ein bißchen schleifen lassen häupl: Rückblickend läßt sich das leicht sagen. Immerhin haben wir die Autobahn Wien-Budapest gebaut. Daß es noch keine gleichwertige Wien-Prag-Autobahn gibt, da würde ich bei den niederösterreichischen Freunden nachfragen, warum dem so ist. Die waren offenbar weniger mutig als es die burgenlädi-schen Freunde gewesen sind. Daß die Eisenbahn nicht gleichartig entwickelt wurde, ist eine Sache, wo ich schon mehr Demutshaltung einnehme und die Kritik akzeptiere, wiewohl sie mich nicht persönlich trifft. Da hätte man in wesentlich rascherem Tempo etwa die Strecken Wien-Budapest, -Prag, -Berlin, -Warschau angehen müssen, Bratislava ist überhaupt ein Skandal.

diefurche: Wien will Metropole werden, Stichworte: Donaucity, Museen. Eine gewisse Kleingeisterei stoppt immer wieder die Durch-ßihrung.

häupl: Es gibt das natürlich, fraglos, daß Wien in die Nähe eines Schrebergartens gerückt wird. Da bedarf es noch einer ganzen Menge Diskussionen. Auf der anderen Seite ist die Stadt voll an großartigen Projekten, nur wird dann lang über Machbarkeiten diskutiert.

diefurche: Das kann einen verrückt machen

häupl: Das macht mich auch narrisch. Ich war seinerzeit dafür verantwortlich, daß die Mistgruben vor der UNO-City, die jetzt überplattet wurden, mit eineinhalb Millionen Tonnen Mist inherhalb weniger Wochen ausgeräumt waren - und dann steht das ganze zweieinhalb Jahre zur Belüftung leer. Da kriegt man schon seine Anfälle. Das kann doch nicht wahr sein. Die Diskussion ums Museumsquartier konnte ich jetzt Gott sei Dank beenden; aber das ist auch nicht gerade ein Highlight der Umsetzungskapazität, die in Politik und Verwaltung da ist.

diefurche: Gilt Wien international

nicht doch als verschroben und fremdenfeindlich?

häupl: Wien ist ungeheuerlich beliebt. Je weiter man wegkommt, desto mehr wird es mit Österreich gleichgesetzt. Fremdenfeindlichkeit wirft uns niemand vor. Wir haben das Image eines toleranten, gemütlichen Völkchens; natürlich werden wir gelegentlich als verschroben angesehen. Um es Wienerisch zu formulieren: Die arbeiten gelegentlich etwas, um gut zu leben. Ganz falsch ist das ja nicht. Aber hinter diesen Attributen darf man nicht vergessen, daß eine ordentliche Partie in Wien am Werk ist, daß ordentlich gearbeitet wird. Wir Wiener finanzieren einen erheblichen Teil der Republik mit unserer Arbeit. Das muß man selbstbewußt einmal anmerken. Und mit dieser Leistungsfähigkeit, dem Qualitätsniveau, auch dem Lebens-

qualitätsnivau brauchen wir nicht hinterm Berg zu halten.

diefurche: Gibts noch das rote Wien oder was ist sozialdemokratisch an der SP-Poläik?

häupl: In einer Stadt, wo es 220.000 Gemeindewohnungen gibt, wovon

ein erheblicher Teil nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut wurde, und die Hälfte aller Wohnungen, wenn man geförderte Wohnungen, Genossenschafts- und Gemeindewohnungen zusammentut, Sozialwohnungen sind, dann nehme ich diese sozial orientierte Wohnungspolitik dafür in Anspruch, daß es die Sozialdemokraten sind, die die sozial Schwächeren vertreten, auch wenn man bei bestimmten Regierungsmaßnahmen gelegentlich den Eindruck hat, daß das nicht mehr der Fall ist und der Herr Präsident Schüller, den ich sehr schätze, eher die soziale Kompetenz hat. Ich trete für einen Modernisierungsprozeß unserer Stadt ein, auch für einen ökonomischen und ökologischen. Dabei wissen wir auch, daß es Leute gibt, die das einfach nicht mittragen können und unter die Räder kommen. Da ist es ungebrochen unsere Aufgabe, die nicht versumpfen zu lassen, ihnen, anders als in den USA mit Kapitalismus pur, zu helfen.

diefurche: Das kommt offenbar nicht mehr rüber. Die SP hat gigantische Wählereinbrüche. häupl: Das hat natürlich mit der Rederei mancher höchster Funktionäre in der Bundes-SPÖ zu tun:

Wo gehobelt wird, fallen Späne, oder: Man muß die nötigen Opfer bringen. Das ist ja alles eine Ungeheuerlichkeit für einen Sozialdemokraten, das ist unbeschreiblich. Deswegen sind die Leute schon verunsichert und fragen, was das heißen soll. Aber warum uns die Leute davonge-rannt sind, hat in einem hohen Ausmaß mit der falschen Einschätzung der Ausländerpolitik zu tun. Deswegen haben wir diese jetzt neu formuliert. Wir bekennen uns zur Gleichzeitigkeit der Prämissen Humanität und Ordnung, die die Demokratie braucht. Wir müssen Bedrohten helfen, andererseits auch Ordnung halten - eben mit Wehrhaftigkeit und nicht einem Laissez faire, das gelegentlich der eine oder andere Grüne uns einzureden versucht.

diefurche: Wie schlimm ist das Ausländerproblem?

häupl: Ich bin Ottakringer und erlebe es täglich. Es geht nicht um Statistiken, die 22, 23 oder 24 Prozent Ausländeranteil in der Stadt festhalten. In Teilen meines Heimatbezirkes Ottakring und natürlich auch bei den Nachbarn sind es 60 oder 70 Prozent - da fühlen sich die Leute natürlich begründet bedroht, durch eine andere Lebenskultur, durch andere Lebensformen. Bauarbeiter fühlen sich auf ihrem Arbeitsplatz durch 30-Schilling-Mandeln bedroht, die aus Polen daherkommen und illegal arbeiten. Das sind die Probleme, die wir haben, und da haben wir zu spät reagiert. Aber jetzt tun wir's und wir werden dagegen kämpfen, daß diese Illegalen hier sind, daß man ein Bett um 2.000 Schilling verkauft in einem Raum, wo schon fünf andere drin sind, wir werden dagegen kämpfen, daß am Bau illegale Arbeiter den anständigen, normalen Arbeitern - wurscht ob In- oder Ausländer - Konkurrenz machen. Denn die ersten, die hinausfliegen, sind die Ausländer, da haben wir schon die größte Arbeitslosigkeit. Da werden wir Ordnung halten. Und die illegalen Klubs, die es bei uns gibt, werden wir ausheben, die werden sich wundern. Und da können die Grünen noch so schreien und mich hundertmal als Ausländerfeind verteufeln, das ist mir vollkommen wurscht.

diefurche: Wien ist bunt, lebendig geworden Wird das so bleiben? häupl: Das war Helmut Zilk, der selber ein lustiger Typ war. Diese Veränderungen während seiner Amtszeit sind irreversibel. Wir sind momentan dabei, Strukturen der Buntheit und Lockerheit, der Vielfalt dieser Stadt noch zu verstärken. Ich sehe allerdings auch meine Aufgabe, bestimmte Strukturen effizienter zu gestalten, generell im Verwaltungsbereich, Stichwort Wohnbauförde-rung, Stichwort Gesundheitskosten. Weil ich zutiefst überzeugt bin, daß wir in beiden Fällen ohne Leistungsminderung für die Betroffenen nur durch Effizienzsteigerung zu wesentlichen Kostenreduktionen kommen können. Das ist mein Beitrag zum Sparpaket.

Mit Bürgermeister Michael Häupl

sprach Franz Gansrigier.

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