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Belebende Lohnpolitik

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Bevor ich in das Thema — wobei ich meinen Beitrag auf die Lohnpolitik beschränken werde — eingehe, möchte ich einleitend feststellen: Der österreichische Gewerkschaftsbund hat — wie die vergangenen 22 Jahre beweisen — bei seiner Lohnpolitik immer auf die wirtschaftlichen Verhältnisse Rücksicht genommen. Er hat durch eine zurückhaltende Lohnpolitik, die er auch seinen Mitgliedern erklären mußte, mitgeholfen, der österreichischen Wirtschaft eine entsprechende Ausgangsposition zu schaffen. Er hat sich selbstverständlich auch gemäß seinen ihm gestellten Aufgaben bemüht, aus der erstarkten Wirtschaft für die Arbeitnehmer ebenfalls einen entsprechenden Anteil in Form von Sozial- oder Geldlohn herauszuholen.

Der Österreichische Gewerkschaftsbund betreibt eine Lohnpolitik nach einem längerfristig gedachten Konzept und versucht mit ihr auch konjunkturpolitisch zu wirken. Die gegenwärtigen Lohnforderungen müssen daher auch in Zusammenhang mit den Wachstumsaussichten der österreichischen Wirtschaft und den Konjunkturaussichten für 1968 betrachtet werden.

Wir erwarten etwa für die Mitte des kommenden Jahres eine Verbesserung der deutschen, der internationalen Konjunkturlage, die eine Steigerung der Auslandsnachfrage und damit eine bessere Beschäftigung in der Exportwirtschaft, insbesondere in der Industrie, bringen wird.

Selbstverständlich können wir uns aber nicht nur auf die günstigen Auswirkungen eines Wirtschaftsaufschwunges im Ausland verlassen, Österreich muß eine eigenständige Konjunktur- und Wachstumspolitik betreiben.

Es herrscht Übereinstimmung darüber, daß diese Wirtschaftspolitik als Hauptziel eine Belebung der Nachfrage nach Investitionsund Konsumgütern anstreben muß.

Für den Bereich der Investitionsgüter müßte eine Verbesserung der Konjunkturlage durch eine Steigerung der öffentlichen Investitionen herbeigeführt werden. In dieser Beziehung ist bisher von den Ländern und Gemeinden einiges, vom Bund noch sehr wenig geschehen. Der ÖGB hat daher verlangt, daß ein Nachtragsbudget möglichst früh im Jahre 1968 wirksam werden soll, das entsprechende Geldmittel für Investitionen und arbeitsbeschaffende Maßnahmen vorsieht, damit die Vollbeschäftigung erhalten wird.

Die Stagnation der Masseneinkommen seit Jahresmitte 1967 hat zu sinkenden Konsumausgaben und damit zu Produktionsrückgängen bei der Konsumgüterindustrie geführt. Hier droht die ernste Gefahr einer Absatzkrise. Um diese Gefahr abzuwenden, ist das vordringlichste Ziel der Gewerkschaften bei ihren Lohnverhandlungen in diesem Herbst die Wiederherstellung und Erhaltung der Konsumkraft der österreichischen Bevölkerung. Die Lohnbewegungen haben daher die Aufgabe, die seit den letzten Lohnahschlüssen im Jahre 1966 — also vor etwa 14 bis 18 Monaten — eingetretenen ReaMohnverluste auszugleichen und darüber hinaus einen gewissen Anteil am — wenn auch nicht im besonderen Ausmaß — größer

gewordenen Bruttonationalprodukt für die Arbeitnehmer zu erreichen. Mit der Wiederherstellung bzw. kleinen Verbesserung der Kaufkraft durch Lohnerhöhungen leistet die Gewerkschaftsbewegung einen wichtigen Beitrag zur Konjunkturbelebung.

Ich möchte In diesem Zusammenhang darauf verweisen, daß wir auch in den Jahren 1953, 1954 genau dieselbe Politik verfolgt haben. Auch damals haben wir, bevor noch die Konjunktur wieder angestiegen war, in einem Zeitpunkt, da wir annehmen konnten, daß die Konjunkturbelebung eintreten werde, konjunkturpolitische Lohnbewegungen eingeleitet — und wie wir rückblickend feststellen können, haben sich diese damaligen Aktionen für die österreichische Wirtschaft positiv ausgewirkt.

Es wird dem österreichischen Gewerkschaftsbund vorgeworfen, daß er durch seine Lohnforderungen im gegenwärtigen Zeitpunkt schuld daran sei, wenn die österreichische Wirtschaft die Konkurrenzfähigkeit verliert. Dazu möchte ich nur sagen, daß die österreichische Wirtschaft oder jener Personenkreds, der uns dies vorwirft, sich die Dinge allzu leicht macht. Aber nicht nur das, für die österreichische Wirtschaft wäre die Meinung, daß man die Konkurrenzfähigkeit der österreichischen Wirtschaft nur durch ein tiefes Lohnniveau erhalten kann, geradezu tödlich. Auf der ganzen Welt ist man bemüht, höher werdende Lohnkosten durch bessere Planung in der Wirtschaft und durch Rationalisierung der Betriebe aufzufangen. Man erreicht dabei billige Produktionskosten, und wie es sich zeigt, sind oft Länder, in denen höhere Löhne bezahlt werden, für Länder, wo die Löhne niedrig sind, ernste und nicht zu schlagende Konkurrenten.

Die Unternehmer und ihre Vertreter in der Bundesregierung erklären immer wieder, daß die Wirtschaft nicht mehr so rasch wachse wie früher. Daran knüpfen sie die Bemerkung, daß dies bei den Löhnen berücksichtigt werden müsse. Dem ist entgegenzuhalten, daß wir bei allen Lohnabschlüssen die Wirtschaftslage im Ausmaß und in der Laufzeit berücksichtigen. Darüber hinaus müssen wir jenen, die nur darauf verweisen, daß sich die Wirtschaft in einer schwierigen Situation befindet, den Vorwurf machen, daß sie trotz wiederholter Aufforderungen des Gewerkschaftsbundes bisher nicht bereit waren, mit dem Gewerkschaftsbund ein wissenschaftlich fundiertes Wachstumsprogramm auszuarbeiten — wie das bereits In fast allen übrigen Ländern geschieht oder geschehen ist. Dieses Wachs-tumsppogramm müßte den zweckmäßigen Einsatz der wirtschaftspolitischen Instrumente vorsehen und dadurch ein größeres Wirtschaftswachstum sichern.

Wir werden aus den derzeitigen Schwierigkeiten nicht herauskommen, wenn wir einem Schrumpfungsprozeß das Wort reden, sondern nur, wenn wir alle Möglichkeiten nützen, um zu einem größeren Wirtschaftewachstum zu kommen. Ein wichtiger Beitrag zur Belebung der Konjunktur ist auch eine in diese Richtung gehende Lohnpolitik.

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