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Berechnete Zukunft
Seit etwas mehr als zwei Jahren beschäftigt das Bautenministerium eine respektable Zahl von Wissenschaftlern und Instituten mit der Frage, wie Österreichs Straßen am besten ausgebaut werden sollen, um den Anforderungen der Zukunft genügen zu können.
Im früheren Kriegsministerium am Stubenring hatte man nämlich genug, sich ständig vorwerfen zu lassen, daß neue Strecken — kaum fertiggestellt — durch die Motorisierungswelle bereits wieder unzu-
länglich geworden seien. So sagte man diesem Übelstand den Kampf an und schmiedete Generalstabspläne, wie aus diesem Teufelskreis ausgebrochen werden könne. Streng wissenschaftlich sollte die „Neubewertung des Bundesstraßennetzes“ durchgeführt werden.
Diese Neubewertung hat inzwischen weit über den ursprünglichen Zweck hinaus interessante und vielfältig verwendbare Resultate gebracht.
2000: Mehr als 3,2 Millionen Autos
Sämtliche Arbeiten bauen nämlich auf der Bevölkerungsprognose 1980 und 2000 auf, die vom Ressort als erste Untersuchung ln Auftrag gegeben worden war. Die österreichische Bevölkerung wird sich von etwas mehr als 7 Millionen Menschen im Jahre 1961 bis 1980 auf
7.7 Millionen und bis 2000 auf
8.8 Millionen Einwohner erhöhen. Besonders interessant ist das Prognosemodell für die Bundeshauptstadt Wien, die bis 1980 um nur
60.0 Menschen zunehmen wird und die im Jahre 2000 auch nicht mehr als 1,8 Millionen Einwohner zählen wird. Dabei geht selbst dieser Zuwachs hauptsächlich auf das Konto der Zuwanderung. Rückläufig entwickeln wird sich die Arbeitsbevölkerung, und zwar von rund
865.0 im Jahre 1961 auf 838.000 im Jahre 1980.
Tausende von Daten dieser und ähnlicher Art liefen durch den Computer, um die Entwicklung für alle österreichischen Gebiete sichtbar zu machen.
Dabei stellt die Bevölkerungsprognose nur die wichtigste Basis im Rahmen der gesamten Neubewertung dar. Durchleuchtet wird eine Fülle von technisch-ökonomischen Fragen, raumpolitischen Entwicklungstendenzen, Straßenfunktionsfragen und Investitionsproblemen. Eine der wichtigsten Untersuchungen, die auf der Bevölkerungsprognose aufbaut, ist die Verkehrsprognose. Auch sie liegt schon vor und wird dieser Tage in gedruckter Form der Öffentlichkeit übergeben. In eindrucksvollen Zahlen spiegelt sich in dieser Arbeit die rasante Entwick-
lung des motorisierten Verkehrs wider. Von 60.000 Pkw, die es 1951 in Österreich gab, führte der Weg (1961! 475.000 Pkw-Einheiten) steil zur 1-Millionen-Marke empor, die 1968 erreicht war. Doch dieser Prozeß ist noch lange nicht abgeschlossen: Für 1980 erwarten die Experten einen Bestand von 2 Millionen Einheiten, und erst um die Jahrtausendwende ist mit der Vollmotorisierung ein gewisser Sättigungsgrad zu erwarten. Österreich wird dann über 3,2 Millionen Personenwagen ver-
fügen, womit auf 1000 Einwohner etwa 280 Autos entfallen werden.
Wirtschaftlicher Straßenbau
Die Anforderungen an die Straßen werden also gewaltig steigen. Dabei spielen freilich noch andere Faktoren eine Rolle, wie etwa der Fremdenverkehr, der heute bereits in den Sommermonaten die Verkehrssituation auf Österreichs Straßen ständig verschärft. Immerhin kommen 85 Prozent aller Auslandsgäste heute schon mit dem eigenen Wagen nach Österreich, und das bedeutet, daß das Straßennetz Sommer für Sommer mit rund 2 Millionen ausländischen Fahrzeugen zusätzlich belastet wird. Dazu kommt, daß der Fremdenverkehr selbst noch lange nicht den Höhepunkt erreicht hat. Das Reisen wird zunehmen, meinen die Fachleute und motivieren diese Ansicht mit der ständig kürzer werdenden Arbeitszeit, den wachsenden Einkommen breitester Schichten und... mit der Zunahme der Motorisierung in ganz Europa! Damit schließt sich wieder der Kreis, der in der Forderung nach mehr und besseren Straßen immer wieder gipfelt.
Im Rahmen der Neubewertung hat man daher auch eine Untersuchung in Auftrag gegeben, die sich mit der Finanzierung wissenschaftlich aus- einandersetzt. Die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung beschränkt sich zwar auf den Autobahnbau, doch sind gerade diese hochleistungsfähigsten Straßen zugleich auch die mit den höchsten Investitionen verbundenen Vorhaben. Es ist zu hoffen, daß diese Arbeit endlich den Streit beendet, ob Österreichs Autobahnen in der bisherigen Finanzierungsform oder auf Mautbasis oder durch Kredite beschleunigt gebaut werden sollen.
Wie immer das Endergebnis ausgehen mag, steht schon jetzt fest, daß die Neubewertung des Bundesstraßennetzes klare Perspektiven und Alternativen eröffnet. Im Interesse der Kraftfahrer ist zu hoffen, daß die errechnete Zukunft auch Wirklichkeit wird.
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