Besser anständig als schlau

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Wie schlau: eine Spezialsoftware erkennt, ob das Diesel-Fahrzeug auf dem Prüfstand steht und verhilft zu wunderbaren Emissionswerten, die über den Schadstoffausstoß im Echtbetrieb hinwegtäuschen. Jahrelang hat sich dieser technische Trick bewährt. Seine Anwendung kam ins Standardrepertoire immer neuer Bauserien, quer durch den Konzern. Zuletzt dachten sich die Entwicklungsabteilungen wohl nicht mehr viel dabei.

Was jedoch vor einem Jahrzehnt noch als grenzwertiges Regel-Vergehen eingeordnet worden wäre, gilt heute schlicht als Betrug. Eine durch die Finanzkrise sensibilisierte Öffentlichkeit verzeiht keine Regeltricksereien mehr, die auf Kosten der Allgemeinheit oder der Umwelt gehen. Die materiellen Folgekosten für den Konzern sind so immens wie der Imageschaden. Dazu kommt eine industriepolitische Niederlage der deutschen Autoindustrie gegenüber den amerikanischen Mitbewerbern.

Dass Größenphantasien den Maßstab für korrektes Handeln außer Kraft setzen, hatte Konzernchef Ferdinand Piëch schon früher öffentlich unter Beweis gestellt. In den Neunzigerjahren kaufte er sich Opel-Chefeinkäufer Ignacio López, dessen Methoden ihn damals zum Schrecken der Zulieferindustrie machten, mitsamt Begleitteam und Betriebsgeheimnissen. Nach einem teuren Rechtsstreit und viel medialer Aufregung flossen zwar Vergleichszahlungen, letztlich aber galt der Aggressor bei den Medien und Aktionären als Sieger.

Derartige Aktionen prägen eine Unternehmenskultur, die Aufweichung von Fairness-Standards wird zur Gewohnheit. Und an irgendeiner Wegkreuzung, wenn sich zeigt, dass sich die geforderten Umweltstandards zu den vom Markt akzeptierten Kosten nicht erfüllen lassen, entschließt sich ein Entwicklungsteam für den vermeintlich lässlichen Regelbruch. Vorsprung durch technische Fouls statt durch Technik - ein aktionärsfreundliches Kavaliersdelikt.

Versteckspiel und "Methodenvielfalt"

Dazu kommt, dass die nationalen Aufsichtsbehörden in solchen Fragen meist hinter "ihrer" Industrie stehen. Niemand will Exporterfolg und Arbeitsplätze gefährden. Darin liegt eine auffällige Parallele zum jahrelangen Versteckspiel vieler Großbanken mit "ihrer" Finanzmarktaufsicht, wenn es um die Methoden der Risikomessung und der damit verbundenen Festlegung der notwendigen Eigenkapitalausstattung geht. Bis zur Schaffung einer gesamteuropäischen Bankenaufsicht, die seit Beginn des Jahres endlich für die Anwendung gleicher Maßstäbe in allen EU-Ländern sorgt, hat auch hier "Methodenvielfalt" geherrscht.

Der Anlassfall zeigt einmal mehr: Noch so umfangreiche unternehmensinterne Verhaltensregeln können Anstand und Eigenverantwortung nicht ersetzen. Inmitten des Regulierungsdschungels gewinnt die persönliche Haltung in wirtschaftsethischen Fragen wieder an Gewicht. Wie weit man gehen kann, welche Grenzen ausgetanzt werden dürfen, wo sich das gerade noch Erlaubte verbietet, weil es nicht mehr legitim ist: das richtig einzuschätzen war und ist eine Kernkompetenz von Führungskräften.

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