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Besserverdiener — der neue Klassenfeind

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Beim Sparen sollen sie in der ersten Reihe stehen, weil „die können es sich leisten” (SPO-Klubobmann Kostelka). Sie - das sind „die Reichen”, „die Besserverdiener”. Wer ist dieses unbekannte Objekt steuerlicher Begierden?

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Beim Sparen sollen sie in der ersten Reihe stehen, weil „die können es sich leisten” (SPO-Klubobmann Kostelka). Sie - das sind „die Reichen”, „die Besserverdiener”. Wer ist dieses unbekannte Objekt steuerlicher Begierden?

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Ob es um Einsparungen beim Gratisschulbuch, bei den Schülerfreifahrten, bei der Geburten-, bei der Familienbeihilfe oder um das Pflegegeld geht, ob neue Steuern zu erfinden oder alte zu erhöhen sind, es soll immer die anderen treffen - die Reichen, die Besserverdiener. Wer ist dieser neue Klassenfeind? Wird er durch das Sparpaket der Sozialpartner wirklich zur Kasse gebeten?

Über Geld spricht man nicht, und man läßt sich offenbar auch ungern in die Karten schauen. Denn Untersuchungen über Armut in Osterreich und über die niedrigen Einkommen gibt es sonder Zahl, jene über höhere Einkommen sind Mangelware und wenig konkret. Auf! nbeksmSfes und Unbestimmtes läßt sich die Neidgenossenschaft umso besser lenken -und von den wahren Problemen und notwendigen strukturellen Reformen ablenken,

Betrachtet man das von den vier Sozialpartnern jüngst geschnürte Maßnahmenpaket zur Bttdgeterstel-lung 1996, so wächst der Verdacht, daß zu viel an den bevorstehenden Gewerkschaftskongreß im Herbst und de' SPÖ* „ Partejtag sowie ' an die möglicherweise existenzbedrohenden Abstimmungen über die Pflichtmitgliedschaft in den Kammern gedacht wurde und zu wenig an die wahren Ursachen der Budgetkrise. So wurde von den Sozialpartnerspitzen bei der Präsentation mehrfach eingestanden, daß diese oder jene Maßnahme zwar nicht allzuviel Geld einsparen würde, daß es aber in erster Linie um ein Symbol gehe, um den Hinweis, daß diesmal die Besserverdiener ihren Beitrag zur Budgetstabilisierung zu leisten hätten.

Wie sieht nun die „soziale Ausgewogenheit” ä la Sozialpartnerschaft laut dem „Gutachten zur Budgetkonsolidierung des Beirates für Wirtschafts- und Sozialfragen” (so der offizielle Titel der Sozialpartnereinigung) aus?”

Besonders betroffen sind Besserverdienende von der Einschränkung der Abschreibmöglichkeiten der Sonderausgaben ab einer jährlichen Bemessungsgrundlage von 500.000 Schilling (das entspricht einem Brut-tomonatseinkqrnmen von zirka 50.000 Schilling bei einem Angestellten). Weiters vom Wegfall der Abzugsfähigkeit ab zirka 80.000 brutto monatlich.

In der Praxis sind höchstens 10.000 Schilling mehr Steuern pro Jahr zu zahlen. Denn als Sonderausgaben können jährlich etwa private Lebens-, Unfall- und Krankenversicherungen, Wohnungsbeschaffungs- oder -sanie-rungskosten, der Erwerb von Genußscheinen oder junger Aktien, Kirchenbeitrag, Steuerberatungskosten, Zuwendungen für Forschungs- und Lehraufgaben, Museen und ähnlichem in: der Höhe von 40.000 Schilling zur Hälfte geltend gemacht werden. Dies bedeutet eine Verminderung des steuerpflichtigen Einkommens um höchstens 20.000 Schilling. Beim angenommenen Höchststeuersatz von 50 Prozent würde das für Personen mit einem Einkommen von mehr als 80.000 Schilling monatlich einen Verlust von höchstens 10.000 Schilling bedeuten.

Zwei Milliarden Schilling sollen gemäß Sozialpartnerschaftsstudie eingespart werden. Inwieweit sich dies wirklich rechnet, muß erst abgewartet werden. Denn auf die Sonderausgaben hat der Steuerzahler jährlich Einfluß. Sie sind meist Angebote, die speziell wegen ihrer steuersparenden Wirkung geschaffen worden sind. laik-,d*eiw-Anreiz wegft'o yqg&ltm-* i*hkeiuUt:,diestTFormen.Jjaiiin über ”teBeri.” ' /W”^”™

Nach Schätzungen der Wiener Arbeiterkammer verdienen 5,5 Prozent aller Erwerbstätigen monatlich mehr als 50.000 Schilling brutto, 190.000 Personen wären also von dieser einschränkenden Regelung betroffen. Keine Sonderausgaben mehr geltend machen könnten jene 1,8 Prozent aller Erwerbstätigen oder 60.000 Steuerzahler mit mehr als 80.000 Schilling brutto Monatseinkommen.

Ein gar nicht geringer Teil dieser Gruppe wird durch den geplanten Wegfall der Familienbeihilfe für Studierende zwischen 19 und 27 Jahren wesentlich stärker belastet: Mehr als 22.000 Schilling bei einem studierenden Kind, ebensoviel für jedes weitere werden im Familienbudget fehlen. Da bei Allein Verdienern auf die Anzahl der zu versorgenden Personen im Haushalt nicht Rücksicht genommen wird, kann das zu kritischen Situationen führen.

Das Sozialpartnerpaket belastet also gutverdienende Alleinerhalter am stärksten. Wirklich Reiche können aber beruhigt sein, auch ihnen wird absolut nicht mehr abgezogen. Besonders geschont werden Kapitalvermögen^ denn außer einer noch nicht vereinbarten Erhöhung der Ka-pita|ejtragsteuer um drei Prozent von 11 auf 25 brauchen sie nichts zu befürchten. Kaum vom Cinvertcilungs prozeß betroffen sind kinderlose Bes-seryerdiener.

IjJVon, Solidarität War bei der Suche nach neuen Einnahmequellen oft die Rede, auch vom Solidarbeitrag. Dieser war ursprünglich in Österreich von der Gewerkschaft der Privatangestellten bereits 1994 gefordert worden, um - als zweckgebundene Abgabe - mit dem vjan Besserverdienern über diese Steuer eingenommenen .finanziellen Mittel Maßnahmen zur Bekämpfung der Altersarbeitslosigkeit zu finanzieren. Die große Mutation von einer zweckgebundenen Abgabe zur Lösung struktureller Probleme zum schlichten Budgetstopfschilling sollte nicht nur die „Solidarabgabe” erleiden. Von der geplanten „Öko-Steuer” zur Umstellung des Steuersystems in Richtung Belastung nicht erneuerbarer Energiequellen und Entlastung menschlicher Arbeit blieb nur eine Geldschröpfungsaktion für den löchrigen Staatssäckel übrig.

Wie sehr es in erster Linie um den Namen und nicht um die wahre Wirkung geht, zeigt das Beispiel der Solidarabgabe. SPÖ-Klubobmann Peter Kostelka konnte in der ORF-Sonntagssendung „Zur Sache” gar nicht oft genug betonen, daß es sich bei der Streichung von Sonderausgaben für Besserverdienende eigentlich um eine Steuererhöhung handle, man könne sie nur nicht Solidarabgabe nennen, weil die ÖVP - dort in Person von Klubobmann Andreas Khol -Probleme mit dieser Bezeichnung habe. Auch für den Tiroler Landeshauptmannstellvertreter, Vordenker und neuen Hoffnungsträger der Sozialdemokraten, Herbert Prock, handelt es sich bei den Maßnahmen zur „sozialen Ausgewogenheit” schlicht um die Solidarabgabe. ÖGB-Präsi-dent Fritz Verzetnitsch nannte die ausverhandelten Streichungen für Besserverdienende „eine Art Solidarabgabe”.

Als „Wortklauberei” bezeichnet Andreas Wörgötter, der Leiter der Abteilung Ökonomie am Institut für Höhere Studien (IHS), den Bezeichnungsstreit. Eine Ergänzungsabgabe kann der IHS-Experte allerdings indirekt in den geplanten Budgetkonsolidierungsmaßnahmen finden, nämlich das Weglassen einer Tarifanpassung, die der Inflation Rechnung trägt. Üblicherweise würden alle vier Jahre Anpassungen durchgeführt, um die Progressionswirkung aufzufangen. In Österreich sei dies seit 1989 unterblieben.

Für eine Solidar- oder Ergänzungsabgabe sieht Wörgötter keinen Anlaß, er hielte dies sogar „für einen Mißbrauch dieses wirtschaftspolitischen Instruments, das für den Katastropheneinsatz durchaus legitim ist. In Österreich gibt es dafür aber keine inhaltliche Begründung”. Das Konsolidierungserfordernis sei nicht durch unvorhergesehene, außergewöhnliche Ereignisse begründet, sondern durch die Exekution einer antizyklisehen Fiskalpolitik. Wörgötter verweist darauf, was beim nächsten Konsolidierungspaket zu überlegen wäre, würde man schon diesmal eine Solidarabgabe einführen - „eine Solidarabgabe zum Quadrat etwa?”

Der Versicherung des ÖGB-Präsiden-ten, das Konsolidierungspaket der Sozialpartner sei nun einmal notwendig, vertraut offenbar auch der IHS-Experte nicht. Strukturelle Änderungsvorschläge für die drei großen Belastungen des Staatshaushaltes, öffentlicher Dienst, die Pensionen und das Gesundheitswesen, wird man vergeblich im Sozialpartnerpapier suchen. • Für die Fortsetzung sommerlicher Suche nach Mitteln zum Budgetlöcherstopfen dürfte deshalb gesorgt sein. Beim Sparpaket III in einem Jahr wird wieder Rücksicht genommen werden müssen - auf die Wiener Wahlen, auf weitere Landtagswahlen, auf die Wahlen zum EU-Parlament ... Grund genug für neue Wortklaubereien in dieser offenbar unendlichen Geschichte.

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