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Billa morgen, Bauern ohne Sorgen

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„Herr Billa” Karl Wlaschek hat sein Lebenswerk an einen deutschen Großkonzern verkauft. Die österreichischen Nahrungsmittelhersteller stehen dem „Mega-Deal” noch gelassen gegenüber.

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„Herr Billa” Karl Wlaschek hat sein Lebenswerk an einen deutschen Großkonzern verkauft. Die österreichischen Nahrungsmittelhersteller stehen dem „Mega-Deal” noch gelassen gegenüber.

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Bis jetzt hat sich für die österreichischen Konsumenten noch nichts geändert. Der Tonbanddienst der Billa-Zentrale in Wien verspricht immer noch: „Hühnereier sind garantiert nur aus Boden- und Freilandhaltung. Die ,Ja! Natürlich' Bio-Produkte sind lOOprozentig biologisch und garantiert aus natürlicher Landwirtschaft”. Wird das auch nach dem spektakulären Verkauf des österreichischen Billa-Konzerns an den deutschen Handelsriesen Rewe so bleiben?

Für etwa 15 Milliarden Schilling, so vermuten Rranchenkenner, hat die österreichische Nummer eins in der Lebensmittelbranche letzte Woche überraschend den Resitzer gewechselt. Der 79jährige Rilla-Gründer Karl Wlaschek hat nicht nur seine rotgelben Läden, sondern auch Merkur, Mondo und die Drogeriekette Bipa an die deutsche Rewe-Gruppe verkauft. Behalten hat sich Wlaschek jediglich die Bücherkette Libro und die Immobilienfirma Billareal. Der neue Boß heißt Hans Reischl. Mit über 300 Milliarden Schilling Umsatz pro Jahr, etwa 9.000 Märkten und 168.000 Mitarbeitern ist der Rewe-Konzern

Marktführer in Deutschland.

Was sagen die österreichischen Produzenten, zum Beispiel die Biobauern, zu diesem Mega-Deal?

Für Josef Aigner, dem Marketingleiter von „Ernte für das Leben”, Österreichs größtem Biobauernverband mit Sitz in Linz, ist bisher alles beim alten geblieben. Nahezu 100 Prozent der heimischen Bio-Produkte in den Billa Begalen werden von etwa 12.000 „Ernte für das Leben”-Biobauern geliefert. „Wir stehen dem Billa-Verkauf mit positiven Gefühlen gegenüber”, bewertet Aigner die derzeitige Situation.

Aigner, Mitbegründer der „Ja! Natürlich ”-Palette, spekuliert sogar tk besseren Absatzchancen für die heimischen Biobauern. Da es in Deutschland nichts Vergleichbares in den Supermärkten gebe, könnte der mächtige Rewe-Konzern ein Sprungbrett für österreichische Rioprodukte sein. „Wir sind in Europa absolut kon -kurrenzfähig”, gibt sich Aigner optimistisch.

Die Rewe-Zentrale in Köln will die Produzenten ebenfalls nicht beunruhigen. „Die ,Ja! Natürlich'-Serie ist ein sehr erfolgreiches Produkt. Wir wollen Rilla so fortführen wie bisher, da das hervorragende Läden sind”, versichert Rewe-Sprecher Wolfgang Schmuck gegenüber derFlJRCHE. Deshalb verbleibe das Management für die Billa-Ketten auch in Osterreich.

In der Wiener Zentrale ist man noch zugeknöpft. Auf die Frage, was sich für die Produzenten von Billa-Produkten durch den Verkauf ändern wird, heißt es in gewohnter Billa-Ma-nier: „Kein Kommentar.”

Die Wiener Arbeiterkammer hat ebenfalls die Stimmungslage bei den Billa-Lieferanten erhoben. Das Er-Bio-Bauern als Exportschlager gebnis bestätigt die optimistische Einschätzung der Biobauern. Manche der Befragten gingen sogar davon aus, daß die Rio-Lime bereits im kom-mendenjahr in deutschen Rewe-Lä-den zu finden sein wird. Sie glauben, daß den österreichischen Rauern eine glaubwürdigere Linie in Sachen „Rio” attestiert als der deutschen Konkurrenz. Ein Wettbewerbs vorteil, den sie gezielt nützen wollen.

„Die Nahrungsmittelhersteller zeigen sich relativ zuversichtlich”, meint auch der Arbeiterkammer-Referent für Agrarpolitik und Nahrungsmittelindustrie, Siegfried Jantscher. Allerdings wurden im Zuge der Studie nur Hersteller von Markenartikeln befragt.

Schwieriger werde es für kleine Erzeuger: „Alles, was nicht über die Schienen ,Osterreichgeschmack', Markenartikel oder Qualität läuft und nicht am Markt positioniert ist, ist substituierbar”, meint Jantscher. Beispielsweise werde ein Emmentaler ohne bekannten Namen schwer gegenüber der holländischen Konkurrenz bestehen können. Erzeuger starker regionaler Marken dürften sich gegenüber einem möglichen Preisdruck aus Deutschland behaupten, für Produzenten schwächerer Marken werde die Situation kritisch.

Rewe besitzt eine große Zahl an Eigenmarken, die früher oder später auch in heimischen Regalen zu finden sein werden. Jantscher vermutet, daß der Preisdruck auf die Produzenten bald beginnen wird: „Mittelfristig bedeutet der Verkauf von Rilla sicherlich eine große Umwälzung für Osterreich.”

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