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Großanlagen an einen Investor zu vermieten und sie gleich wieder zurückzumieten, war eine beliebte Konstruktion, um Gewinn aus dem amerikanischen Steuerrecht zu ziehen. Nun prüft jedoch der us-Fiskus.

Ob man nun in der Wiener U-Bahn sitzt, Abwasser ins Wiener Kanalnetz leitet oder Strom von der Tiroler Wasserkraft ag tiwag bezieht, ob man in öbb-Waggons durch Österreich rattert oder im Flugzeug über den Atlantik düst - die Betreiber haben sich für diese Anlagen ein kompliziertes Vertragskonstrukt mit us-Investoren zunutze gemacht, das inzwischen den Fiskus in den usa beschäftigt: Cross Border Leasing (cbl).

Dabei geht es im Wesentlichen darum, ein Steuerschlupfloch in den Vereinigten Staaten auszunutzen, das einem us-Investor zugute kommt, wenn er im Ausland in Großanlagen wie Straßen, Messehallen, Kraftwerke oder Kanalnetze, aber auch Flugzeuge, Zug- und U-Bahnwaggons investiert. Die Anlage muss wenigstens 150 Millionen Euro wert sein, damit sich das Geschäft trotz der hohen Fixkosten für Gründungs- und Beratungsspesen lohnt. Der Investor mietet dabei die Anlage zu einem bestimmten Preis für lange Zeit, üblich sind 99 Jahre. Nach hiesigem Recht wird er dadurch nicht Eigentümer, aus Sicht der us-Behörden dagegen schon, da diese eine so lange Mietdauer als Kauf bewerten. Denn nur durch diese Eigentumsübertragung nach amerikanischem Recht wird der Steuervorteil möglich.

Sofort nach der Vermietung mietet der hiesige Betreiber die Anlage wieder zurück, meistens für 25 bis 30 Jahre, danach kann er sich alle Rechte vom Investor zu einem von Anfang an festgelegten Preis zurückkaufen und den Vertrag somit beenden. Tut er das nicht, fällt die Anlage nach Ende der Laufzeit ins Eigentum des Investors, der meistens ein namhafter Versicherungs- oder Industriekonzern ist.

Keine neuen Verträge mehr

Der Vorteil, der in der Vergangenheit vor allem Kommunen und große Firmen in Österreich, Deutschland und den Niederlanden zu der Konstruktion greifen ließ: Der amerikanische Geldgeber gibt einen Teil seines Steuervorteils an den Anlagenbetreiber weiter. Das ganze funktionierte mit Investoren in den usa bis Ende des Vorjahres, seither verhindert eine Gesetzesänderung die Steuerersparnis. Zwar stehen auch Investoren in anderen Ländern wie Skandinavien, Japan oder Irland zur Verfügung, aber aufgrund der dortigen Steuergesetze zu weniger günstigen Bedingungen, daher wurden auch die meisten cbl-Projekte in Österreich mit amerikanischen Firmen durchgeführt - mit einem Transaktionsvolumen von 20 Milliarden Euro. Allein die öbb lukrierten aus solchen Verträgen beispielsweise im Jahr 2002 Zinserträge in Höhe von 73 Millionen Euro.

Nun werden also keine neuen Verträge mehr abgeschlossen. Aber Kritiker des cbl befürchten, dass auch alte Verträge betroffen sein könnten. Denn die us-Steuerbehörde irs (Internal Revenue Service) bezeichnete diese ausgeklügelten juristischen Winkelzüge als "missbräuchliche Steuerumgehung" und hat angekündigt, die Verträge rückwirkend zu überprüfen. Möglicherweise werden also auch für bereits bestehende Verträge keine Steuervorteile gewährt - was prinzipiell das Problem des us-Geldgebers sei und nicht das der hiesigen Vertragspartner, wie viele Juristen gern zu beruhigen versuchen. Ganz so einfach wird es aber dennoch nicht sein. Zwar tragen die Investoren das Risiko von Gesetzesänderungen im eigenen Land, dadurch werden für sie die Verträge nun aber zum Verlustgeschäft, weil die heimischen Anlagenbetreiber auf den zugesagten Zahlungen bestehen können. Um diesen schmerzlichen Verlust doch noch ausgleichen zu können, werden die us-Firmen wohl die mehrere hundert Seiten langen Verträge bis ins kleinste Detail prüfen. Vielleicht findet sich ja in den komplizierten Verpflichtungsvereinbarungen der eine oder andere Absatz, der von den Anlagenbetreibern in Österreich nicht so genau eingehalten wurde. Dann könnte eine Schadenersatzforderung des Investors seinen schmerzlichen Steuerverlust möglicherweise ein wenig kompensieren. Zum Beispiel ist in den meisten Verträgen verankert, dass der Betreiber der Anlage diese werterhaltend zu verwenden hat. Das bedeutet aber, dass eine Anlage ohne Zustimmung des amerikanischen Vertragspartners nicht verkleinert, geschweige denn stillgelegt werden darf, auch wenn sie in ein paar Jahren in der derzeitigen Größe und Form nicht mehr gebraucht wird. Werden vom Investor nicht genehmigte Arbeiten durchgeführt, könnte Schadenersatz fällig werden.

Pro und Kontra

cbl war schon immer umstritten, nun sehen sich die Gegner bestätigt. Der Finanzsprecher der Wiener Grünen, Martin Margulies, etwa befürchtet, dass allein durch die Geschäfte, die die Stadt Wien im Jahr 2003 getätigt hat, ein Verlust von bis zu 200 Millionen Euro droht. Globalisierungskritiker dagegen kritisierten immer, dass den usa - und dadurch letztlich dem amerikanischen Volk - durch die juristische Konstruktion Steuern in Milliardenhöhe entgehen. Andere Gegner bemängelten vor allem, dass die Verträge meist nur auf Englisch vorliegen, sich nach amerikanischem Recht richten und auch noch ein us-Gericht für Streitigkeiten zuständig ist, was die Sache für den Anlagenbetreiber extrem kompliziert macht. Außerdem wurden die Verträge oft vor der Öffentlichkeit geheim gehalten. So hat vor wenigen Tagen die Tiroler Wasserkraft ag eine Unterlassungsklage mit einem Streitwert von 500.000 Euro gegen Markus Wilhelm eingebracht. Der Betreiber der Seite www.dietiwag.org hatte im Internet vertrauliche Dokumente aus dem cbl-Deal mit dem Sellrain-Silz-Kraftwerk der tiwag veröffentlicht.

Stefan Vigl dagegen sieht vor allem die Vorteile. Er leitet die Finanzierungsabteilung der Kommunalkredit Austria, die auf die Finanzierung von öffentlichen Infrastrukturinvestitionen spezialisiert ist. "Die Mittel, die hier geflossen sind, sind ja zugunsten der Allgemeinheit reinvestiert worden, beispielsweise zum Ausbau des öffentlichen Verkehrs oder für den Bau neuer Abwasserreinigungsanlagen", betont er. "Viele der Projekte wären ohne cbl nicht realisierbar gewesen."

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