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Das Autofahren drastisch verteuern

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Die Autofahrer sollten für jeden gefahrenen Kilometer eine Abgabe zahlen, fordert der Verkehrsexperte Univ. Prof. Hermann Knoflacher.

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Die Autofahrer sollten für jeden gefahrenen Kilometer eine Abgabe zahlen, fordert der Verkehrsexperte Univ. Prof. Hermann Knoflacher.

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DIEFURCHE: Hat die jahrelange Kritik am Verkehrssystem Folgen gehabt* Hermann Knoflacher: Ja. Und zwar: positive und negative. Positiv insofern, als viele Leute auf die Problematik aufmerksam geworden sind. Negativ, weil die Lobbies ihre Taktik an die Argumente angepaßt haben.

DIEFURCHE: Wie war Ihrer Meinung nach die Gesamtwirkung dieser Effekte auf die Verkehrspolitik? knoflacher: Verheerend. Vor allem fällt die völlige Konzeptlosigkeit auf. Sie ist sowohl auf die mangelnde Information, als auch auf den fehlenden Willen, etwas Entscheidendes zu unternehmen zurückzuführen. Die Politik ist eingebettet in die Argumentation der Lobbies. Einige Maßnahmen wären aber überfällig: der Stopp der Investitionen in den Straßenbau, eine Revision der Rau-ordnung, die verkehrserregend wirkt, die Umlagerung der Verkehrs auf die Schiene...

DIEFURCHE: Bei der Bahn wird aber derzeit eingespart, weil allzu viele Züge leer unterwegs sind ... knoflacher: Die Eisenbahn müßte vor allem dafür sorgen, daß sich die wirtschaftspolitischen Voraussetzungen für ihre Aktivität verbessern. Das bedeutet vor allem, daß es gelingt, den Autoverkehr unter Kontrolle zu bekommen.

DIEFURCHE: Um wieviel müßte man die Benützung des Autos verteu- H. Knoflacher ern?

KNOFLACHER: So, daß sich spürbare Effekte dieser Maßnahme einstellen.

DIEFURCHE: Bedeutet das eine Verdoppelung oder eine Verdreifachung der Kosten?

KNOFIACHER: Das ist schwer abschätzbar. Entscheidend ist die Wirkung. Man muß erhöhen, bis der Straßenverkehr merklich abnimmt.

DIEFURCHE: Kann sieh das ein kleines Land leisten?

KNOFLACHER: Jedes Land kann sich das leisten. Das Argument, daß die Kleinen dazu nicht imstande sind, ist einfach falsch. Dadurch werden sie erst zu Spielbällen der Großen.

DIEFURCHE: Heißt das Verteuerung der Treibstoffe oder Einrichtung von Mautstrecken?

KNOFLACHER: Weder noch. Es heißt Einführung einer Kilometerabgabe, einfach eine ßenutzungsgebühr -wie es eigentlich ganz normal für eine Marktwirtschaft wäre.

DIEFURCHE: Wie würde man diese ein-heben?

KNOFLACHER: So wie der Gaskassier einen Zähler abliest, so registriert der Mann von der Versicherung den Kilometerstand. Abgaben und Versicherung werden auf die Kilometer umgelegt. Das könnte einen Kilometerpreis von fünf bis sechs Schilling ergeben. Der Autofahrer weiß dann, daß jeder Kilometer, den er fährt ihn einiges kosten wird. dieFurche: Hat sich die Verkehrssituation in den Ballungszentren eher als im Überlandverkehr verbessert? knoflacher: Klar. Hier sieht ja der Dümmste, daß es so nicht weitergehen kann. Daher ist es in den Rallungs-räumen viel leichter, entsprechende Maßnahmen umzusetzen. Es gibt aber auch am Land kluge Rürgermeister, die das genau so gut machen.

DIEFURCHE: Wie hat sich aus Ihrer Sicht der EU-Beitritt auf die Verkehrsentwicklung ausgewirkt? knoflacher: Da wird sich noch einiges tun. Schon jetzt gab es den Anstieg des Güterverkehrs am Rrenner. Darüberhinaus sind unsere Möglichkeiten, selbständig Maßnahmen zu setzen deutlich eingeschränkt. Die EU mischt sich jetzt massiv in innere Angelegenheiten Österreichs ein. Sie beeinflußt, wie unser Lebensraum sich entwickelt. Aber das war ja zu erwarten gewesen. Der Spielraum im Rereich der Verkehrspolitik wird kleiner.

DIEFURCHE: In Tirol scheint der Unmut der Bevölkerung die Reizschwelle erreicht zu haben ...

Foto Votava knoflacher: Nicht nur in Tirol, sondern bald auch in Kärnten, wenn der Fremdenverkehr weiter rückläufig ist. Aber auch in der Steiermark und in Oberösterreich wird sich der Unmut deutlich artikulieren. Und sobald die Ostgrenzen für die EU interessanter werden, wird sich auch hier einiges tun. Wir ruinieren unseren Lebensraum und glauben, das große Geschäft zu machen. Ganz falsch. Wir haben die teuren Infrastrukturinvestitionen zu bezahlen und bekommen auch noch Ohrfeigen von der EU, wenn wir nicht brav sind.

DIEFURCHE: Ist das Umweltargument eigentlich das stärkste in der Debatte um die Gestaltung des zukünftigen Verkehrssystems?

KNOFLACHER: Es kommt darauf an, was man daraus macht. Aber weitaus schwerer wiegen die wirtschaftlichen Folgen. Wüßten die Leute, was die Verkehrsentwicklung in der Wirtschaft anrichtet, dann hätten sich längst alle kleinen Unternehmen zusammengetan und hätten alle schnellen Verkehrssysteme abgetragen. Aber leider sind die überlebenden größeren Retriebe das Sprachrohr der Wirtschaft. Die Kleinen, von denen wir alle leben, werden kaputtgemacht und nicht gehört. Die Größeren beuten permanent die Kleinen aus. Für diese aber baut die öffentliche Hand die Infrastruktur. Das gilt genauso für die Landwirtschaft wie für das Handwerk.

Dann stehen die Leute verständnislos vor dem Phänomen, daß da wieder ein Greißler, dort ein kleines Unternehmen zusperrt. Das haben wir alles den schnellen Verkehrssystemen zu verdanken. Klarerweise auch die Arbeitslosigkeit.

DIEFURCHE: Aber viele meinen doch, die Autofahrer seien „die Melkkuh der Nation”...

KNOFLACHER: Ja, das propagieren die Interessensverbände. Wäre er wirklich die Melkkuh der Nation, so hätte der Autoverkehr schon längst eingehen müssen. Aber die Sache ist ganz einfach: Der Autoverkehr wird immer fetter und dicker. Und das heißt, daß er auf Kosten anderer Teile des Systems existiert. Alle die Zahlen, die das Melken der Autofahrer belegen, sind unsinnig. Das Faktum der Expansion spricht für sich. Es gibt in der Schöpfung nichts, das wächst und nicht von irgendwoher gedüngt wird. Rechenkunststücke kann man immer anstellen. Ein unbestechlicher Indikator, daß ein Teilsystem die anderen übervorteilt, ist sein

überdurchschnittliches Wachstum. dieFurche: Können ins Gewicht fallende Änderungen also nur politisch ausgelöst werden?

KNOFLACHER: Wir haben verlernt, uns verantwortlich zu verhalten. Die Ethik ist uns abhanden gekommen, in fast allen Rereichen, vor allem auch in der Politik. Auf dieser Ebene müssen nämlich die Weichen gestellt werden. Die gesamte Rudgetsanie-rung hätte über den Straßenverkehr laufen können. Aber das lassen natürlich die Nutznießer des derzeitigen Systems nicht zu. Wird aber die Politik zum Laufburschen dieser Teilinteressen, dann hat sie ihre Funktion verloren.

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