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Das gehütete Geheimnis

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Zuerst gab’s Geselchtes und Erdäpfelpüree, dann Kaffee und Apfelstrudel. Zwischendurch fiel die große Entscheidung: Die Regierungsmitglieder einigten sich, assisiert von Ex-Staatssekretär Pisa und den Präsidenten Malėte, Sallinger und Wallner über den letzten Budgetentwurf der ersten monochromen Regierung.

Finanzminister Prof. Koren verweigerte im unmittelbaren Anschluß an die durchaus nicht in der Bundesverfassung erwähnte ÖVP-Budget- Klausur und noch vor dem Budget- Ministerratsbeschluß (zu diesem Zeitpunkt begann bisher immer erst die Geheimhaltungsfrist tatsächlich zu wirken) jedweden Zahlenkommentar. „Auch wenn Sie mich fünfmal fragen, werden Sie von mir keine Zahl erfahren”, mußte Körens Paradeinterviewer Gerhard Weis vor surrender TV-Kamera zur Kenntnis nehmen. Das Interview wurde asynchron und stark gekürzt wiedergegeben. „Maschinenschaden”… Erstmals hatten auch die schreibenden Meinungsmacher kaum einen echten Anhaltspunkt zur kritischen Würdigung des Budgetentwurfes dieser Regierung; einer Regierung, die in dieser Zusammensetzung nur noch zwei von den zwölf Budget- mon tęn im Amt ist. Selbst Journalisten, die in der. biederen .Maske eines Beamten unter den strengep Augen des Portiers die Budgetvorzimmer im Palais Dietrichstein erreichten, dachten jetzt wehmütig an die bereits Legende gewordene Klosterneuburger Budgetrunde 1967, bei der sie bloß liegengebliebene Budgetpapiere abzuschreiben brauchten.

„Schwindelbudget”

Offensichtlich auf Anordnung der SPÖ-Parteispitze, der die rasche und undramatische Budgeteinigung der Regierung nicht sonderlich ins Konzept paßte, mußte Abgeordneter Androsch daraufhin Koren erhöhte Einnahmenschätzungen für 1970 vorwerfen. Koren antwortete noch genauer als in einer vom Parteipresse- dienst verlautbarten Erklärung: „Meine Einnahmenschätzung liegt in Übereinstimmung mit der des Wirt- schaftsforsdrungsinstitutes um eine Miliarde niedriger als jene der sozialistisch dominierten Arbeiterkammer.”

Doch wie sieht dieses Budget, von dem Kreisky, Probst und Androsch tatsächlich noch keine einzige Zahl mit Sicherheit wissen, tatsächlich aus? Es wird einen Ausgabenrahmen von rund 101 Milliarden Schilling und ein Defizit von rund 8,9 Milliarden Schilling aufweisen. So viel wurde bisher bekannt. Damit wird sich der Budgetabgang im Vergleich zum Vorjahr prozentuell, wenn auch nur geringfügig, verringern. Mit ziemlicher Sicherheit kann angenommen werden, daß auch 1970 die Investitionsausgaben wiederum steigen, dies allerdings nicht in einem solchen Ausmaß, daß man von einem in der Hochkonjunktur ohnehin nicht wünschenswerten expansiven Budget reden könnte. Die Investitionen werden insbesondere dem Schulbau zugute kommen. Das Budget wird (wie vor Wahlen nicht anders zu erwarten) zudem ein Budget teurer Sozialschwerpunkte sein.

Die Ausgaben im Kapitel Soziales werden von derzeit 14,8 Milliarden auf nahezu 16 Milliarden Schilling ansteigen. Nicht ganz so gut soll die Steigerung bei den Kapiteln Landwirtschaft und Landesverteidigung ausgefallen sein. Im Vorjahr hielten diese beiden Bereiche bei 5.5.-Milliarden (einschließlich . Psei aus- gleiche) und 4’liÄilliarcJerf S chUling. Was nun die im Jahre 1970 zu erwartenden Einnahmen betrifft, hat wiederum SPÖ-Klubobmann Dokt- tor Pittermann einiges vorweggenommen. Er wirft der ÖVP vor, sie habe seit vier Jahren eine „Politik für Großkapitalisten” betrieben. Weil erst jetzt die Einkommensteuern des Rezessionsjahres 1967 eingehen, hat sich naturgemäß das Steueraufkommen zwischen Lohnsteuerpflichtigen und Einkommen- steuerpflichtigen etwas verschoben. Aber schon 1970 kann wieder mit stark erhöhten Einkommensteuereingängen gerechnet werden. Waren es 1969 insgesamt rund 85,5 Milliarden Schilling, die der Bund vereinnahmt hatte, rechnet man im kommenden Jahr bereits mit rund 92 Milliarden Schilling.

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