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Das Geld, der Geist Europas?

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Geld oder Leben?

Seit dem 11. Dezember 1991 ist dem kleinen Städtchen Maastricht eine Erwähnung in fast allen Geschichtsbüchern sicher. Der Vertrag über die Gründung der Europäischen Union und die Schaffung einer gemeinsamen Währung für deren Mitgliedstaaten verändert den Lauf der Geschichte. Dieses Projekt, das viele Europäer mit Faszination erfüllt, das stärker als alles bisher dagewesene die neue Einheit, den Unitarismus eines Großteiles des Kontinents symbolisiert, wird Länder, zwischen denen es zwei Jahrtausende lang immer wieder blutrünstige und abscheuliche Kriege gegeben hat, definitiv zusammenschmieden.

Jedoch die Einführung einer neuen „Einheitswährung" macht aber auch manchen Österreichern und Österreicherinnen angst. Viele von ihnen fühlen sich an Krisenzeiten der Vergangenheiterinnert, als Währungsreformen für viele ältere Bürger oft katastrophale Auswirkungen hatten.

Jedoch auch die von solchen historischen Reminiszenzen unbelastete, gegenwärtig junge Generation kann nicht an diesen Fragen vorübergehen: Welche Länder haben überhaupt Chancen teilzunehmen? Wie stabil wird die neue Währung wirklich sein? Welche Vor- und Nachteile ergeben sich durch eine gemeinsame europäische Währung, nicht zuletzt für den Arbeitsmarkt? Würde das Abendland ohne eine einheitliche Währung wirtschaftlich untergehen? Nur die Besten überleben Die Basis für die Währungsunion stellen die sogenannten Konvergenzkriterien dar. Durch diese Rahmenbedingungen wurde die Latte für die Teilnahme bewußt hochgelegt, denn das primäre Ziel der Währungsunion ist es, als Stabilitätsgemeinschaft zu agieren.

Österreich hat aufgrund seiner Wirtschaftskraft gute Chancen, von Anfang an dabei zu sein. Zuvor müssen aber die öffentlichen Haushalte -jene von Bund, Ländern und Gemeinden - konsolidiert werden. Allerdings wird man auch in Kauf nehmen müssen, daß sich nicht alle EU-Staaten von Anfang an an der Währungsunion beteiligen können. Doch werden sich auch die anderen Länder um Stabilität bemühen, damit sie zu einem späteren Zeitpunkt noch beitreten können. Angst und Skepsis herrschen Die Ängste der Bürger sind weitgehend verschwommen. EU-weite Umfragen haben ergeben, daß zwar jeder dritte Befragte glaubt, die EU-Währung werde mehr Nach- als Vorteil bringen, doch konkret wird dabei nur die Furcht vor Verlust nationaler Souveränität angegeben. Tatsächlich bringt die Euro-Einführung einige Risikofaktoren mit sich:

Die Weich-Währung Der einstweilen größte Nachteil scheint für Österreich, daß der Euro den Abschied von einer Hartwährung bedeuten könnte. Werden aus politischen Gründen auch Weichwäh-rungsländer aufgenommen, ohne daß sie die notwendige Stabilität erreichen, so könnten Inflation und Zinsen steigen. Einige Branchen wie etwa Baufirmen würden unter dieser Entwicklung leiden. Um eine solche Entwicklung zu vermeiden, wurde ein Stabilitätspakt eingeführt, der auch nach dem Eurostart für Währungsdisziplin sorgen soll. Allerdings kann und wird es keinen hundertprozentigen Schutz geben. Verlust der nationalen Souveränität Der Euro bedeutet das Ende der staatlichen Souveränität. Denn bisher war es der nationalen Geldpolitik gestattet, Konjunkturschwankungen entgegenzuwirken und so für die eigene Volkswirtschaft größtmögliche Vorteile herauszuholen. Der Verlust an Souveränität wird sich aber für Österreich in Grenzen halten, da der Schilling seit Jahren an die D-Mark gebunden ist.

„Stille" Preissteigerungen Bei der Umstellung von Schilling auf Euro könnte es sich der Handel zu Nutzen machen, Preise über Nacht „aufzurunden". Nicht nur für den Konsumenten hätte dies fatale Folgen. Die Inflation würde schlagartig ansteigen. Zwar werden Maßnahmen überlegt, wie man die Preise für ein halbes Jahr „einfrieren" könnte, doch kann dieses Problem nur duch massive Kontrollen gelöst werden.

„Der Euro ist für mich die Antwort Europas auf die Globalisierung"

Kann der Euro als dritter starker Währungsblock gegen den übermächtigen Dollar und Yen zum Selbstbewußtsein der Europäer beitragen? Nach Meinung des Nationalbank-Präsidenten Klaus Liebscher durchaus.

Die Währungsunion könnte der Schlüssel zu einer politischen Einigung des Kontinents werden und Möglichkeiten eröffnen, im Bereich der Währungs-, Finanz- und Steuer -politk einen wichtigen Teil „transnationaler" Souveränität zurückzugewinnen. Europas Zinsraten und Wechselkurse werden dann weit weniger vom US-Markt abhängig sein als heute.

Weitere Vorteile, die eine gemeinsame Währung mit sich bringen würde, wären:

1. Keine Kosten für Währungsumtausch unter den Teilnehmerstaaten

2. Der europäische Binnenmarkt wird durch den Euro gestärkt

3. Wegfallen des Wechselkursrisi kos für die Unternehmer

4. Geringere Transaktionskosten

5. Durch den Euro wird die Effizienz der europäischen Produktion gesteigert.

Damit würde Winston Churchills 1946 geäußerte Vision im elementar

ökonomischen 'Teil realisiert:

„In ausgedehnten Gebieten Europas starrt eine Menge gequälter, hungriger, sorgenerfüllter und verwirrter Menschen die Ruinen ihrer Städte und Heime an. (...) Trotzdem gibt es ein Heilmittel. Wir müssen eine Art Vereinigte Staaten von Europa errichten (...) Der erste Schritt (...) muß ein Zusammengehen zwischen Frankreich und Deutschland sein. Die Struktur der Vereinigten Staaten von Europa wird (...) so geartet sein müssen, daß die materielle Stärke einzelner Staaten an Bedeutung einbüßt."

I )as kann aber erst der Beginn einer wahrhaft europäischen Einigung sein, damit Ivan Nagel mit seiner 1990bei den Frankfurter Römerberg-Gesprächen geäußerten Meinung nicht recht behält: „Dem Geist Europas gönnt man nicht den geringsten Anteil an Worten und an Geld: vielleicht weil man Europas Geld ohnehin für Europas Geist hält."

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