Das Geldwesen humanisieren

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Der Kärntner Finanzdatenexperte Richard Lernbass plädiert für sozial verantwortliches Investment. Ein beherztes Anliegen im Spannungsfeld von Menschsein und Mammonismus.

"Da stand ich nun. Einen Batzen Geld in der Hand“, kramt Richard Lernbass in den Spinden seiner Erinnerung an die späten 1980er-Jahre. Eine Million Schilling, aus heutiger Sicht kein großes Vermögen, lukrierte der Unternehmer vom Verkauf seines steirischen Spielwarengeschäfts und vertraute es der Hausbank zur Veranlagung an. "Meine Frau und ich wollten Selbstversorger werden. Bio-Obst, Gemüse, Ziegen …“ Doch es kam anders. Des Neo-Investors Kapital schrumpfte proportional zum Vertrauen in das Geldanlage-Know-how der Asset-Manager. Gleichermaßen ernüchtert und enttäuscht nahm der innovative Geschäftsmann und IT-Experte mit der großen Liebe zu den Zahlen die Vermögensverwaltung seines Portfolios selbst in die Hand und suchte mit Erfolg nach geeigneten Analyse-Instrumenten, um sein Geld ertragreich und lebensdienlich zu veranlagen.

Mit der Gründung des Finanzdatendienstleistungsunternehmens "software-systems.at“ wechselt Lernbass 1993 vom Handfesten der Landwirtschaft zur "Weichware“. Software-Entwicklung, mit dem Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit und Transparenz bei Finanzprodukten. Heute beschäftigt sein Unternehmen 30 Mitarbeiter und ist der größte Arbeitgeber im malerischen, auf über 1000 Metern Seehöhe gelegenen südkärntner Ort Diex.

Wertmaßstab Mensch

Als noch niemand von SRI (Socially Responsible Investment) und nachhaltiger Geldanlage sprach, schien Lernbass die ethische Implikation solcher Vorhaben bereits unausweichlich. "Finanzen brauchen Werte und der Maßstab dafür kann nur der Mensch sein.“ Das praktisch bestimmte Zueinanderverhältnis der Entitäten Ethik und ökonomische Vernunft erscheine nur auf den ersten Blick deckungsungleich. Wie aber kann sich ethisch-nachhaltiger Geldumgang mit ökonomischer Vernunft verbunden wissen, die bekanntlich auf Effizienz, Rationalität und Rentabilität ausgerichtet ist? Lernbass bringt das Problem auf den Punkt: "Ökonomisches Handeln ohne Ethik ist genauso verkehrt wie moralischer Anspruch ohne ökonomischen Sachverstand. Jede Investitionsentscheidung hat Einfluss auf das gesamtwirtschaftliche Verhalten. Das muss uns allen bewusst sein.“

Fair Trade und Fair Finance scheinen eng verwandt zu sein. Das Stock-Picking des Investors ist vergleichbar mit der Entscheidung des Konsumenten im Supermarkt für die Fairtrade-Banane oder das billigere Diskontprodukt. Für Lernbass ist die Frage zentral, nach welchen Kriterien jemand sein Investment auswählt. "Für gesunde Ernährung wähle ich gesunde Lebensmittel, für nachhaltiges Investment gesunde Finanztitel. Freilich muss man auch Kompromisse eingehen. Das kann bedeuten, als Aktionär in ein Unternehmen zu investieren, das auf den ersten Blick nicht gerade einem Ethik-Portfolio zuzuordnen wäre. Zum Beispiel ein Stahlkocher. Was aber, wenn dieses Unternehmen in neue Filteranlagen investiert und damit seinen Schadstoffausstoß reduziert? Darum geht es mir: Die ethischen Ausschlusskriterien dürfen nicht zu eng gesetzt werden und potenzielle Anleger sollen wissen: Durch meine Investition kann etwas besser werden!“

Der Finanz-Animator Lernbass will Menschen motivieren, mit ihrem Geld zur Verbesserung der ethisch relevanten Aspekte in der Wirtschaft beizutragen. Die Analysen seines Unternehmens sollen die dafür notwendige Bewertungsobjektivität bereitstellen. Als Verfechter eines stets ressourcenorientierten Blicks auf die Dinge ist Lernbass der moralisierend erhobene Zeigefinger fremd, genauso wie die Trennung in ethisch - konventionell. "Wir laufen in der Finanzindustrie Gefahr, einen Bio-Bereich für Geldanlagen zu etablieren. Das wäre ein großer Fehler. Was auch immer produziert wird oder als Dienstleistung angeboten wird, ist nicht a priori gut oder schlecht, ethisch oder unethisch.“ Um Differenzierung bemüht, schlägt Lernbass vor, die Chance für ökologisch-nachhaltige Verbesserungen in jedem Unternehmensbereich zu wahren. "Wir sehen das bei unseren Berechnungen des ‚Ethisch Dynamischen Anteils‘ von Einzeltiteln und Fonds deutlich: Es gibt viele konventionelle Finanzprodukte, die in Relation zu den als explizit ethisch bezeichneten mit einer besseren Kennzahl abschneiden. Das heißt: Entscheidend ist nicht, was draufsteht, sondern was drin ist.“

Lernbass will nichts Geringeres, als das Zeitalter der Aufklärung für den Investor einläuten. Kants "Sapere aude!“, den Mut aufzubringen, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, sei dabei jedem Kontoinhaber ans Herz gelegt. Noch ist der als nachhaltig definierte Finanzbereich ein Nischenprodukt. Sein Volumen wird in Österreich auf etwa drei Prozent geschätzt. Die von Lernbass geführten Untersuchungen zeigen aber, dass es in allen Branchen glaubhafte Bemühungen gibt, die soziale und ökologische Performance zu verbessern. Dieser unternehmerische Wille müsse durch politische Entscheidungen unterstützt werden. "Regulative schaffen und politische Verantwortung wahrnehmen“, fordert Lernbass, im Auge habend, dass ihm dabei forscher Gegenwind prononcierter Befürworter der Deregulierung ins Gesicht bläst, die phobisch-reflexartig ihre Liberalismuskeule schwingen, wann immer Anzeichen staatlicher Bevormundung und Eingriffe am Horizont erscheinen.

Geldgier - Euphorie hoher Gewinne blendet

Die noch immer andauernde Finanzwirtschaftskrise verunsichert kleine Sparer wie auch Großinvestoren. Alle scheinen wieder am Boden der Realität angelangt und sind schon glücklich, mit ihren Veranlagungen zumindest über der Inflationsrate abzuschneiden. Warum, so fragt sich nicht nur Lernbass, legen Pensionskassen, aber auch private Sparer, nicht zwei oder drei Prozent ihrer Rücklagen ethisch verantwortbar an? Zum Beispiel in den Mikrofinanzsektor, mit einer geringeren Rendite, aber vergleichsweise guter Kapitalsicherheit. Die Geldgier, der Mammonismus ist es, den Lernbass anprangert. "Die Euphorie hoher Gewinne blendet das Verantwortungsgefühl gegenüber den Mitmenschen und der gesamten Schöpfung oftmals aus.“ Der Finanzprofi räumt ein, auch selbst nicht immun gegen die Ansteckungsgefahr der Gier zu sein. "Vielleicht liegt das in der Natur des Menschen. Wenn andere sich in Relation zu einem selbst gut entwickeln, will man einfach nicht schlechter dastehen. Aber: Viel mehr zu erwirtschaften als das durchschnittliche Wirtschaftswachstum bedeutet ja, dass man jemand anderem etwas wegnehmen muss.

Der Ehemann Lernbass hat auch eine Freundin. Sie ist 17, heißt Gretl und ist eine Ziege. Aus ihrem geduldigen Zuhören und dem gemeinsamen Schreiten über Wiesen und Auen, schöpft der rationale Geist Lebenskraft: "Ich mag die Ruhe, die sie ausstrahlt. Sie ist authentisch im Hier und Jetzt. Gretl lehrt mich, jedes trockene Blatt wertzuschätzen und zu genießen. Für alles dankbar zu sein, nichts als selbstverständlich zu nehmen. Sie ist meine Erdung für das Verständnis von Nachhaltigkeit.“ Schon der Hl. Augustinus wusste: "Nicht mehr haben wollen, sondern weniger brauchen, ist das Geheimnis.“

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