"Das ist schizophren"

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Wilhelm Schäfer macht selbst fallende Kurse zu Geld: Über Leben und Leiden eines Fondsmanagers.

Eigentlich ist längst Casual Friday angesagt - doch Wilhelm Schäfer trägt noch Uniform: dunkler Anzug, weißes Hemd, tadelloser Krawattenknoten, blank polierte, schwarze Schuhe, Omega-Uhr. Gerade eben ist er aus Frankfurt eingeflogen, wo er am Vortag über "Asymmetrische Risikoverteilung" referiert hat. "Dieser riesige Frankfurter Flughafen ist ein Wahnsinn", stöhnt Schäfer. Doch hier oben, im lichtdurchfluteten VIP-Room der Fondsgesellschaft C-Quadrat am Wiener Stubenring, kann er wieder durchatmen.

Seit Anfang 2007 ist der 41-jährige Wiener als leitender Fondsmanager bei C-Quadrat tätig - und versucht die Gelder seiner Kunden, darunter vor allem Lebensversicherungen und Pensionskassen, möglichst gewinnbringend zu verwalten. Kein leichter Job angesichts der Turbulenzen an den Börsen. Erst vergangenen Montag hat der Beinahe-Zusammenbruch der US-Investmentbank Bear Stearns für eine weitere Kurs-Talfahrt gesorgt.

Wilhelm Schäfer kann das nicht erschüttern. Schließlich sind seine Portfolios längst abgesichert. "Versicherungen und Pensionskassen müssen ja jedes Jahr eine Gewinnausschüttung von mindestens 2,25 Prozent gewähren", erklärt Schäfer auf der weißen Ledercouch des VIP-Rooms. "Und weil ihnen auch selbst Kosten anfallen, muss man ihnen mindestens fünf Prozent erwirtschaften - auch, wenn die Aktienmärkte 18 Prozent verlieren." Seine Conclusio klingt entsprechend provokant: "Wir haben kein Problem damit, wenn die Kurse fallen."

Hellsehen? Mathematik!

Dem Markt ein Schnippchen zu schlagen, gescheiter zu sein als der Rest: Das ist es, was Wilhelm Schäfer reizt. Doch was ist sein Trick? Das Zauberwort heißt "Futures" und bezeichnet verbindliche Börsenverträge, bei denen zu einem bestimmten zukünftigen Zeitpunkt ein Handelsobjekt zum börsenmäßig festgesetzten Kurs zu liefern bzw. abzunehmen ist. Konkret handelt Schäfer mit Eurostoxx 50-Futures, die sich auf den Aktienindex der 50 größten börsennotierten Unternehmen der Eurozone beziehen. Je nach Entwicklung des Eurostoxx 50 kauft Schäfer diese Futures oder stößt sie ab. "Wenn ich glaube, dass die Aktien in drei Monaten tiefer stehen werden, kann ich den Future verkaufen. Und wenn diese Entscheidung richtig ist, dann werde ich Geld verdienen - obwohl die Kurse gefallen sind."

Mit Hellsehen hat das wenig zu tun. Vielmehr arbeitet Schäfer mit mathematischen Modellen, die erkennen sollen, wann Markttrends in die gegenläufige Richtung gehen. Das entbindet ihn freilich nicht der Aufgabe, jederzeit informiert zu sein.

Täglich um 7 Uhr 58, zwei Minuten vor der Öffnung des Frankfurter Future-Marktes, läutet deshalb Schäfers Handy. Es ist ein Broker, der ihm während seines Weges von der Meidlinger Eigentumswohnung in den ersten Bezirk verrät, wie die Kurse stehen. Wenn der Fondsmanager etwas später das großzügige Foyer von "C-Quadrat" betritt, ist er längst im Bilde. Dort angekommen, lautet die Devise meist "Trend-Following". Eine plausible Strategie - die freilich dazu führt, dass etwa fallende Börsenkurse durch den automatischen Verkauf von Aktien bei einem Verlust von fünf Prozent des Kaufpreises ("Stopp-Loss-Kurs") weiter nach unten gedrückt werden. "Das ist eben der Zug der Lemminge an den Börsen", meint Schäfer im VIP-Room lapidar. "Man kann darüber philosophieren, ob das moralisch ist. Aber das war schon immer so." Neu sei freilich die immer stärker werdende Diskrepanz zwischen Börsenkursen und Realwirtschaft. "Das ist schon schizophren", meint Wilhelm Schäfer - und erzählt von einer Wette mit Frankfurter Kollegen über die kommende Börsensituation. "Die Kurse könnten um einiges steigen, weil die Auftragsbücher in den Unternehmen voll sind und die Konjunktur robust ist. Sie könnten aber auch noch weiter fallen, weil die Konsumenten durch die Inflation weniger konsumieren - und weil es den USA relativ schlecht geht." Das alles - vor allem aber die US-Bankenkrise - sei nach Schäfer ein guter Grund, sich nicht in das gute, alte Sparbuch zu flüchten, sondern in Fonds zu investieren. "Wenn eine Bank - oder auch C-Quadrat - pleite geht, dann sind die Fonds nicht betroffen, denn dieses Geld ist ein Sondervermögen und gehört nicht der Bank oder uns, sondern den Anlegern."

Die Argumente kommen Wilhelm Schäfer locker über die Lippen. Keine Frage: Dieser Mensch hat sein Geschäft gut gelernt. Nach dem Statistikstudium in Wien war Schäfer Trainee bei der Generali Versicherung, dann Analyst bei der Erste Bank und Fondsmanager bei der Schweizer Privatbank Vontobel. Während er in Zürich Geld zu noch mehr Geld machte, blieben seine Frau und seine zwei Töchter in Wien. Ihnen zuliebe zog es ihn zuletzt wieder zurück nach Österreich.

Kein "aalglatter Typ"

Ihnen zuliebe hält er auch seine Arbeitszeit in Grenzen: 50 bis 60 Stunden wöchentlich ist er im Einsatz, zwei mal pro Woche ist er bei Abendterminen unterwegs, fünf Mal monatlich fliegt er nach Deutschland. Und das alles für ein "ganz gutes" Gehalt - das er nicht verrät. Nur so viel ist ihm zu entlocken: "Der durchschnittliche österreichische Fondsmanager verdient zwischen 50.000 und 140.000 Euro im Jahr." Und mit Bonuszahlungen sei es möglich, das Jahresgehalt noch einmal zu verdienen.

Ansonsten, meint Wilhelm Schäfer im VIP-Room von C-Quadrat, sei er ganz normal - und keiner dieser "aalglatten Typen": Er interessiere sich für Kunst, gehe gern segeln, esse gern Japanisch, lese gern Martin Suter - und habe "im Prinzip keinen neurotischen Zugang zum Geld."

Eine Eigenschaft, die ihn im Übrigen mit einem ehemaligen Kunden verbindet: "Wir haben einmal für eine große kirchliche Institution außerhalb von Österreich ein Portfolio mit ethisch verträglichen Aktien zusammengestellt. Doch die haben uns nur gesagt:, Das ist uns völlig wurscht!' Was zählt, ist eben die Rendite."

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