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In wenigen Monaten nimmt Österreich Abschied vom Schilling. Er wird dann ziemlich genau das Alter von 76 Jahre erreicht haben, wobei in der Zeit des Anschlusses an das nationalsozialistische Deutschland 1938 bis 1945 die Reichsmark gesetzliches Zahlungsmittel war. Die Geschichte des Schillings bestätigt auf überzeugende Weise den Satz, den der große österreichisch-amerikanische Nationalökonom Josef A. Schumpeter auf die erste Seite seines grundlegenden Werkes über "Das Wesen des Geldes" gesetzt hat: "Die Währung drückt alles aus, was ein Volk will, tut und erleidet".

Der Schilling ist in Zeiten größter wirtschaftlicher Not entstanden. Für das Jahr zuvor, 1923, findet sich in der Länderbiographie Österreich des berühmten Ploetz ("Auszug aus der Geschichte") nur eine einzige Eintragung: "Durch Mehreinnahmen und Ausgabenkürzung (von 250.000 Beamten 100.000 entlassen) Beginn finanzieller Gesundung."

Die neue Währung ersetzte nach einer inflationären Geldvernichtung, die bislang ohne Beispiel war, die Krone. Die alte Währung war als Folge der Kriegsfinanzierung und des wirtschaftlichen Zusammenbruches nach Auflösung der Donaumonarchie völlig entwertet. Allein von Ende Juli 1914 bis Ende 1918 stieg der Banknotenumlauf von 3,4 Milliarden auf 62,6 Milliarden Kronen. Die Golddeckung war im selben Zeitraum von 74,6 Prozent auf 0,9 Prozent gefallen. Wachsende Papiergeldflut, ein immer spürbarerer Gütermangel und wachsende materielle Not waren die Folge.

Die Sanierung der österreichischen Wirtschaft konnte nur mit fremder Hilfe erfolgen. Nach demütigenden Bittgängen war bereits 1922 eine Völkerbundanleihe gewährt worden, wobei sich Österreich in den Genfer Protokollen zu einschneidenden Sparmaßnahmen verpflichten musste. Die Staatsfinanzen wurden unter internationale Kontrolle gestellt. Ein Kommissar des Völkerbundes, der ehemalige Bürgermeister von Rotterdam, Zimmermann, übernahm die Aufsicht über alle Ausgaben des Staates und wurde somit der mächtigste Mann in Österreich. Dem Präsidenten der neugegründeten Nationalbank wurde als Berater mit weitgehenden Kontrollrechten der Schweizer Schneyder von Wartensee an die Seite gestellt.

Es ist charakteristisch, dass man die Bezeichnung Schilling nach amtlicher Darstellung deshalb gewählt hat, weil dieser Name in Österreich noch nie in Verwendung stand. Nach den Erfahrungen mit der Währungsstabilität in der Kriegs- und Nachkriegszeit, aber auch des vorangegangenen Jahrhunderts wollte man offenbar nicht auf einen bekannten, Assoziationen hervorrufenden Ausdruck zurückgreifen.

Am 13. Dezember 1924 wurde das Schilling-Rechnungsgesetz eingebracht und wenige Tage später beschlossen. Karl Kraus, aber auch die Neue Freie Presse waren mit der Bezeichnung Schilling nicht einverstanden. Der scharfzüngige Herausgeber der Fackel schlug in schwer überbietbarem Sarkasmus vor, das neue österreichische Geld "Ostmark" oder "Neandertaler" zu nennen. Wer darin den für die Erste Republik typischen Mangel an Selbstwertgefühl erkennt, wird sich nicht irren. Tatsächlich wurde aber der neue Schilling zum Symbol einer endgültigen Konsolidierung, zu einem Zeichen der Überwindung des Nachkriegschaos, zur Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

Das Vertrauen in die österreichische Währung wurde rasch und noch vor der Einführung des Schillings gefestigt, das Kapital kehrte an die Wiener Börse zurück. Die Wirtschaftslage freilich blieb äußerst problematisch. Die Arbeitslosigkeit stieg von 34.000 im Jänner 1922 auf 187.000 Personen im Jänner 1925.

Der Alpendollar war durch eine konsequente Deflationspolitik Mitursache der wirtschaftlichen Schwierigkeiten in den dreißiger Jahren, da Österreich die von Keynes inspirierte Politik der USA und Deutschlands nicht mitmachte. Dies kam Hitler politisch, aber auch wirtschaftlich zugute. Das österreichische Budget war beim Anschluss 1938 im Gleichgewicht. Die Auslandsschulden waren in den letzten fünf Jahren davor um mehr als die Hälfte gesunken. Dem nationalsozialistischen Deutschland fielen Gold im Werte von 367,7 Millionen Schilling, Devisen und Valuten von 60,2 Millionen Schilling in die Hände. Verschärfte Devisenvorschriften und Ablieferungspflicht hatten zur Folge, dass die österreichische Bevölkerung bis Jahresmitte 1938 Gold und Devisen im Werte von mehr als 225 Millionen Schilling zur Bereicherung der Deutschen Reichsbank abgeben musste.

Nach dem Krieg erreichte das Bruttoinlandprodukt nur die Hälfte des Vorkriegsniveaus. Die Produktivität war dementsprechend gering. Der österreichischen Währung fehlte es in erster Linie an einer warenmäßigen Stützung des Geldes. Eine Währungsreform mit hohen Verlusten an Geldvermögen war unvermeidbar.

Sozioökonomische Marktwirtschaft und sozialer Friede haben trotz aller Unzulänglichkeiten den Wiederaufbau ermöglicht. In der Folge zählte der Schilling mit der DM, dem Yen, dem Schweizer Franken und dem Hollandgulden zu den fünf harten Währungen der Welt. Somit war auch die Teilnahme an der Europäischen Währungsunion aus monetärer Sicht kein Problem. Der Abschied vom Schilling sollte Anlass sein, die in den letzten acht Dezennien so wechselvolle Wirtschaftsgeschichte unseres Landes in Erinnerung zu rufen und sich vor Augen zu halten, wie die heute schwer vorstellbaren Schwierigkeiten der Vergangenheit überwunden werden konnten. Daraus können wir das im Vergleich dazu wohl kleinliche Wenn und Aber in der Wirtschaftspolitik unserer Tage relativieren und zugleich Mut für die vor uns liegenden Aufgaben schöpfen.

Der Fahrplan: Die Umstellungim Detail Ab 1. Jänner 2002 ist der Euro gemeinsam mit dem Schilling gesetzliches Barzahlungsmittel. Als Buchgeld (also Aktiva und Passiva auf Girokonten, Beträge auf Sparbüchern, Werte in festverzinslichen Papieren oder Anleihen, Guthaben und Forderungen aus Verträgen) verliert der Schilling seine Gültigkeit. Der Umtausch erfolgt automatisch in Euro ohne jeden Verlust. Löhne und Gehälter werden in Schilling bis zum Ende des Jahres 2001 ausbezahlt, danach in Euro und Cent.

Bereits zuvor, am 1. September 2001 beginnt die Vorverteilung von Eurobanknoten und Euromünzen an Banken und Unternehmen. Ab 1. Oktober 2001 ist die doppelte Preisauszeichnung in Österreich obligatorisch.

Ab 17. Dezember 2001 bekommen auch Konsumenten ein Startpaket mit Euromünzen.

Am 28. Februar 2002 verliert der Schilling seine Eigenschaft als gesetzliches Zahlungsmittel. Ab diesem Zeitpunkt besteht für den Euro Annahmezwang. Der Umtausch von Schillingen ist am 1. März 2002 nur noch in der Österreichischen Nationalbank möglich. Schillingmünzen können jedoch auch in der Münze Österreich-AG umgetauscht werden. Der Umtausch ist in Österreich zeitlich unbegrenzt möglich.

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