Dem Geld Beine machen

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Mit einer eigenen Währung versucht ein Waldviertler Unternehmer, der Globalisierung die Regionalisierung entgegenzusetzen.

Am 1. Jänner 2005 soll es soweit sein: Im zahlreichen Waldviertler Geschäften wird, geht es nach Heinrich Staudinger, neben dem Euro ein zweites Zahlungsmittel angenommen werden. In Form von bedruckten Papierscheinen will der Inhaber der Schuh- und Möbelproduktion Gea den "Waldviertler" in Umlauf bringen.

"Der Plan existierte seit langem, war aber eigentlich nicht mehr als eine provokante Idee", erzählt Staudinger, bis er vor kurzem bei dem vom Sieben-Generationen-Netzwerk veranstalteten Symposium "Das Geld der Zukunft und die Rehabilitation weiblichen Wirtschaftens" in St. Pölten den Entschluss gefasst habe, endlich aktiv zu werden: Anfang 2005 sollen mindestens hundert Unternehmen im Waldviertel für jeden ihrer Mitarbeiter je hundert Euro in Waldviertler umtauschen und ihnen schenken.

100.000 Waldviertler

Zur Sicherung der neuen Währung wird der entsprechende Euro-Betrag in einen Topf einbezahlt, über dessen Verwendung all jene, die mitmachen, gemeinsam bestimmen. Tausend Arbeitnehmer sollen insgesamt hunderttausend Waldviertler in Händen halten, die die jeweiligen Arbeitgeber ihrerseits dann auch als Zahlungsmittel akzeptieren. Nach und nach, hofft Staudinger, werden immer mehr Betriebe die Regionalwährung an Zahlungs statt annehmen.

Und wozu das alles? "Es geht vor allem darum, das Geld in der Region zu halten", erklärt der Initiator. "Die großen Lebensmittelkonzerne verdienen jedes Jahr hunderttausende Euro im Waldviertel, aber damit werden nicht die Produzenten aus der Region, sondern zum Beispiel in Spanien unterstützt." Der Waldviertler soll das ändern: Da er nur in der Region Gültigkeit hat, können auch nur Waren in der Region eingekauft werden. Und weil keine Importe mit dem Waldviertler bezahlt werden können, werden voraussichtlich vermehrt Produkte der Region nachgefragt werden. Dass damit der Schwerverkehr verringert würde, ist ein angenehmer Nebeneffekt.

Roland, Justus, Triestingtaler

Eine Handvoll ähnlicher Regionalwährungen existiert im deutschsprachigen Raum bereits (etwa der Triestingtaler, der Rosentaler und der Gloggnitztaler in Österreich, der Chiemgauer, der Roland und der Justus in Deutschland), aber mehr als 50 Initiativen, viele davon bereits in den Startlöchern, beschäftigen sich mit der Idee, räumlich begrenzt gültige Zahlungsmittel in Umlauf zu bringen, erklärt Margrit Kennedy, Autorin des Buches "Regionalwährungen: Neue Wege zu nachhaltigem Wohlstand".

Teuflische Zinsen

Dabei seien nicht allein die Nachteile des weltweiten Warenverkehrs durch Regionalwährungen in den Griff zu bekommen. Vor allem die negativen Folgen des globalisierten Kapitaltransfers könnten gemildert werden, betont Kennedy im Furche-Gespräch. Den Grund allen Übels sieht sie in Zins und Zinseszins, die es attraktiv machen, Geld zu horten und damit zu spekulieren. "Frei verfügbares Kapital, zum Beispiel unsere Spareinlagen, fließen dorthin, wo es den größten Gewinn abwirft, und das ist derzeit China." 70 Prozent des weltweit verfügbaren Geldes seien momentan im Reich der Mitte angelegt. "Dadurch unterstützen wir also die Schließung der Betriebe bei uns und die Billigproduktion in China, somit also auch die Arbeitslosigkeit in Europa." Außerdem sei permanentes, exponentielles Wachstum nötig, um das System der Zinswirtschaft am Leben zu erhalten. Kennedy bezweifelt, dass das auf Dauer funktionieren könne.

Nicht horten und spekulieren

Der Verzicht auf Zinsen hingegen begünstige soziale, kulturelle und ökologische Austauschvorgänge. Kennedy: "Im EuroSystem funktionieren sie nur, wenn sie mehr Profit abwerfen, als sie Zinsen lukrieren könnten." Da sich bei Regionalwährungen mangels Verzinsung diese Rechnung erübrigt, würden diese Investitionen begünstigen.

Neben dem Verzicht auf Zinsen praktizieren die meisten Regionalwährungen, so auch künftig der Waldviertler, noch eine weitere Methode, um den raschen Umlauf des Geldes sicherzustellen, "der für eine florierende Wirtschaft nötig ist" (Staudinger): Das Geld wird periodisch weniger wert, wie es schon im Freigeldexperiment von Wörgl (siehe Kasten) praktiziert wurde. Somit bemüht sich jeder Teilnehmer, nicht zu viele der wertvollen Zettel zu behalten.

REGIONALWÄHRUNGEN

Neue Wege zu nachhaltigem Wohlstand

Von M. Kennedy und B. Lietaer

Riemann Verlag, München 2004

301 Seiten, kart., e 18,50

Weitere Informationen zu den Veranstaltungen des Sieben-Generationen-Netzwerkes auf der Internet-Seite www.7generationen.at

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