Denken in Generationen

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Hinsichtlich der vier Wald-Funktionen pflegt Österreich ein integriertes Modell: Alle Funktionen ausgewogen auf einer Fläche. Doch die EU erwägt Alternativen.

Das Jahr des Waldes hat der Forstwirtschaft öffentliches Interesse beschert. Einige Initiativen (s.u.) setzen sich bis Mai 2012 fort. Die großen Themen bleiben bestehen, wie Felix Montecuccoli erklärt.

DIE FURCHE: Zum Auftakt: Wie groß ist Österreichs Forstwirtschaft?

Felix Montecuccoli: Wir haben 4 Millionen Hektar Wald, ca 3,5 Millionen Hektar davon bewirtschaftet. Relativ große Flächen sind aus der Bewirtschaftung herausgenommen, etwa für Nationalparks und Schutzgebiete. Die umgesetzte Holzmenge beträgt 22 Millionen Festmeter. Der gesamte Sektor Forst und Holz, also von der Urproduktion bis zum fertigen Produkt, erzielt einen Exportüberschuss von über 3,4 Milliarden Euro.

DIE FURCHE: Die Idylle Wald ist geprägt von Nutzungsansprüchen.

Montecuccoli: Der Wald ist eine multifunktionale Herausforderung und es gibt eine Reihe an Ansprüchen, die an den Wald gestellt werden. Es gibt die touristische Nutzung und jene für die Freizeit. Mit dem Wandern und Bergsteigen nimmt die Bedeutung der Almen und der Hüttenbewirtschaftung wieder zu. Die bewaldete Landschaft ist das Zugpferd für den Tourismus. Die Nutzung von Forststraßen ist für Freizeitnutzer bedeutsam, die Kosten dafür trägt aber der Eigentümer. Der Tourismus ist ein volkswirtschaftlich gigantischer Bereich, aber der Waldbesitzer hat keinen Anteil an der damit verbundenen Wertschöpfung. Es gibt noch die Jagdbewirtschaftung, die aber nicht wegen des Geldes ausgeübt wird, sondern eine von den Landesgesetzgebern geregelte Verpflichtung zur Regulierung der Wildbestände ist.

DIE FURCHE: Waldbesitzer könnten pro Bett einen Cent erhalten?

Montecuccoli: Wir kriegen davon gar nichts. Im Gegenteil: Uns wird vorgehalten, wir bekämen ohnedies eine Förderung für die Forststraßen. Damit müsse dann alles abgegolten sein. Wir sehen das anders. Denn die Forststraßen sind nötig, um die Wälder modern zu bewirtschaften, also kleinteilig. Wir stehen, pointiert ausgedrückt, vor einer interessanten Situation: Jeder ist gegen Forststraßen, aber jeder will sie nutzen. Es ist jeder gegen die Schlägerung von Bäumen, aber gibt es eine Aussicht, will ein Verschönerungsverein dort ein Bankerl aufstellen.

DIE FURCHE: Es besteht eine Reihe legitimer Interessengegensätze.

Montecuccoli: Die werden von uns als Widersprüchlichkeiten wahrgenommen, denn als Eigentümer müssen wir Verantwortung für das Gesamtsystem übernehmen. Wir sind gewohnt, lange vorauszudenken, und wir haben gleichzeitig ein gutes Gedächtnis. Das eine impliziert das andere. Unsere Mitbürger leben schneller, der Wandel spielt in ihrem Leben eine stets größere Rolle. Doch ein Wald-Öko-System wird nicht schneller. Relativ gesehen tut sich hier ein riesiger Graben auf zwischen jenen, die mit dem Wald zu tun haben, und der urbanen Bevölkerung, die mit ihrem jeweiligen Schwerpunktwissen die Zusammenhänge nicht mehr sieht.

DIE FURCHE: In welchen Zeiträumen funktioniert denn der Wald?

Montecuccoli: Ein sogenannter Umtrieb dauert, je nach Baumart, zwischen 80 und 180 Jahren. Konkret bedeutet das: Ich ernte jene Bäume, die mein Großvater gepflegt hat. Ich pflege jetzt die Bäume, die mein Vater gesetzt hat, und die wird erst mein Sohn ernten. Würde ich alles fällen, könnte ich vom Erlös gut leben, aber meine Enkel hätten nichts mehr, außer Steuerpflichten. Nachhaltige Waldbewirtschaftung bedeutet täglichen Verzicht. Darum schaffen wir es als Zivilgesellschaft nicht, Nachhaltigkeit in den Lebensstil zu integrieren, denn das hieße, zu verzichten, zu reduzieren auf das Notwendige. Etwa beim Verbrauch von Energie …

DIE FURCHE: Zwischen Ökonomie und Ökologie besteht ein breites Spannungsfeld. Wie löst die Forstwirtschaft das in ihrem Bereich?

Montecuccoli: Eine nachhaltige Waldwirtschaft lebt die drei Säulen Ökonomie, Ökologie und Soziales. Der Wald hat vier Funktionen: Nutzung für die Holzwirtschaft, Schutz im Gebirge, Erholung für den Menschen sowie Wohlfahrt, womit etwa der Wasserrückhalt, die Staubfilterung, die Lärmabschirmung und so weiter gemeint sind. Wir wollen hinsichtlich des Nutzens der Wälder unser integriertes System fortsetzen und nicht jenes der USA übernehmen. Dort bestehen eigene Naturschutzparks, dann solche für Freizeit und Sport, andere Flächen wiederum dienen intensiver Holzwirtschaft. Unser traditionelles, mitteleuropäisches Modell ist anders, wir machen alles auf einer Fläche, die Holznutzung, aber mit Rücksicht auf Ökologie, und andere Nutzungsansprüche.

DIE FURCHE: EU-Richtlinien, zusammengefasst unter Natura 2000, würden mehr an Schutz und Schutzzonen vorsehen.

Montecuccoli: Natürlich. Die Freizeit-Nutzer wollen mehr Wanderwege, die reinen Naturschützer wünschen mehr Laubholz und Totholz für Insekten und Vögel, und die Holzindustrie kommt und sagt, macht’s einen Fichtenacker. In jeder Gruppe sind Experten, die ihre Positionen argumentieren können. Aber gäbe man jedem freie Hand, wären wir im amerikanischen System: für jeden Zweck - Naturschutz, Freizeit, Holzwirtschaft - eigens ausgewiesene Flächen. Wir Waldeigentümer wollen das nicht. Unser System hat sich historisch als das bessere erwiesen. Österreichs Forstwirtschaft ist kleinteilig strukturiert, man kann nicht auf 50 Hektar alle drei Sektoren unterbringen oder diese Fläche nur einem davon widmen. Aus aller Welt kommen Forstleute, um unser System zu studieren. Wir setzen große Hoffnungen in die Verhandlungen der EU-Staaten, dass es im Rahmen von Forest Europe gelingt, unseren integrierten Weg der Bewirtschaftung in der Konvention zu verankern.

DIE FURCHE: Wie soll die Wertschöpfungskette verlängert, die Wertschöpfung gesteigert werden.

Montecuccoli: Meine Vision als Waldbesitzer ist, dass in Zukunft alle Häuser in Europa aus Holz gebaut werden, mit der Sonne beheizt und aus Biomasse-Energie versorgt werden. Unsere Aufgabe im Rahmen des Klimaschutzes ist es, Holz möglichst lange nicht zu verbrennen. Eigentümer jeder Waldfläche, sei sei noch so klein, können durch ihre Bewirtschaftung zur positiven Energiebilanz beitrage. Hier sind wir größeren Betriebe als Berater gefragt.

DIE FURCHE: Holz wird aber erst in jüngster Zeit als Baustoff gegenüber Stahl und Beton nicht mehr so diskriminiert wie noch vor Jahren.

Montecuccoli: Holz hat eine positive Kohlenstoffbilanz, eine positive Energiebilanz - man kriegt immer mehr Energie heraus, als hineingegeben wurde - und es wirkt als Baustoff isolierend. Ich bin schon sehr gespannt, was mit dem vielen Styropor passiert, dass gerade überall verbaut wird.

DIE FURCHE: Warum war Holz als Baustoff so lange im Hintertreffen?

Montecuccoli: Anderes hat sich durchgesetzt, und zwar auf Basis billiger Energie aus Erdöl. Diese Zeiten müssen mit Blick auf Klima und auf Umwelt endgültig vorbei sein, denn es ist definitiv nicht nachhaltig, dessen Vorräte auszubeuten. Aber die Energiekosten bestimmen letztlich das meiste. Uns wird vorgeworfen, Biomasse erhielte Förderungen. Doch die Nabucco-Pipeline wird von den Staaten subventioniert. Der Schutz des Castor-Transportes durch mehrere Tausend Polizisten ist doch eine Förderung der Atom-Industrie.

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