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Der Balanceakt des Budgets

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Die Schwierigkeiten, die alljährlich bei Ausarbeitung des neuen Staatsvoranschlages überwunden werden müssen, sind keine isolierten Erscheinungen Österreichs. Vielmehr handelt es sich um Tendenzen, an denen alle Staaten des freien Europa leiden: nämlich die steigenden Ansprüche der Interessenten, die Spendenfreudigkeit vor Neuwahlen und die voreiligen Hoffnungen auf plötzliche Erhöhungen mancher Einnahmen. Der Umfang und die Rangordnung der Investitionen gewinnen von Jahr zu Jahr an Bedeutung. Trotzdem werden im Vertrauen auf neue Zuwachsraten gewissermaßen „Vorschüsse auf das künftige Nationalprodukt“ ausgezahlt. Finanzminister Dr. Korinek hat in seinem Exposé mit Recht dargelegt, daß ein Entschluß des Parlaments, neue Anforderungen ausnahmsweise für die knappe Frist eines Jahres zurückzustellen, die bedrängte Situation des Fiskus erheblich bessern könnte.

Der Staatsvoranschlag 1964 ist vom politischen Standpunkt ein Erfolg der beiden Regierungsparteien, weil die Aktionsfähigkeit der Koalition demonstriert und außerdem bewiesen wurde, daß ein vernünftiger Ausgleich aller Beteiligten durchaus eine Stützung des Wirtschaftslebens mit Hilfe namhafter Investitionen ermöglicht. Dieser Fortschritt wurde aber auch dadurch ermöglicht, daß der Voranschlag des laufenden Jahres streng eingehalten wurde. Das Prestige der Himmelpfortgaese ist daher gestiegen. Außerdem wurde eine Reform im Sinne der „Budgetwahrheit“ eingeleitet, indem man zunächst die durchlaufenden Posten beseitigte, die eine künstliche Aufblähung des Budgetrahmens verursacht hatten. Die pädagogischen Kapitel des Rechnungshofes über die „unwirksame Gebarung“ erinnerten ständig an den Übelstand, daß der Staatsvoranschlag oft als Kontokorrentkonto dienen mußte.

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Nachlassen der Steuerdynamik

Ein Blick auf die Steuererträge (siehe Tabelle „Die Steuerdynamik“) zwingt jedermann sofort zur Frage: Werden die öffentlichen Abgaben im laufenden Jahr die im Budget vorgesehenen Summen tatsächlich erreichen? Von Jänner bis September ergaben die Einnahmen 31 Milliarden Schilling, somit in neun

Monaten 71,8 Prozent des veranschlagten Jahresertrages, doch wird die kleine Differenz von 3,2 Prozent im vierten Quartal, das stets unerwartet hohe Eingänge bringt, zweifellos ausgeglichen, vermutlich sogar überschritten. Bei einem Steuerbukett, das — ganz abgesehen von den Zöllen, zwei Zuschlägen und fünf Beiträgen, den Stempelmarken und Rechtsgebühren, der Umsatzsteuer und dem Rechnungsstempel — gegenwärtig sieben Verbrauchssteuern, zehn Verkehrssteuern und zehn direkte Steuern umfaßt, sind zuverlässige Schätzungen ungewöhnlich schwierig, mögen sie nun den Gesamtertrag oder einzelne Steuergruppen betreffen. Jede Abgabe unterliegt ihrer individuellen

Entwicklung, und nur die durchschnittliche Zuwachsrate dürfte ein echtes Spiegelbild der Konjunktur bieten. Von Jänner bis September sind etwa die Einnahmen aus der Umsatzsteuer (+ 5,5 Prozent), der Mineralölsteuer (+ 9,4 Prozent) und den direkten Steuern (+ 7,5 Prozent) lange nicht mehr im gleichen Ausmaß gestiegen wie in der analogen Periode des Vorjahres, während die Zölle (+ 4,8 Prozent) und die Gewerbesteuern (+12,7 Prozent) höhere Zuwachsraten erzielten. Jedenfalls sind bei den Tendenzen, die den Eingang und die Ergiebigkeit der einzelnen Steuerkategorien beeinflussen, zwar nicht tiefgehende, aber beachtenswerte Änderungen fühlbar, die letzten Endes auf eine Abschwächung der Steuerdynamik Fiinm slaujten.. .•

Die zweite Frage gilt natürlich dem Staatsvoranschlag 1964. Ist der Gesamtsteuerertrag (+ 8,2 Prozent) richtig eingeschätzt oder das trügerische Ergebnis einer allzu optimistischen Beurteilung der Konjunktur? Die Stockung und die Stagnation, die der lange und strenge Winter zur Folge hatte, wurden zwar überwunden, aber die internationale Konjunktur unterliegt manchen Hemmungen. Prognosen sind daher unmöglich. In weiser Voraussicht hat der Fiskus auf Steuererhöhungen und die Einführung neuer Abgaben verzichtet, weil man an der Grenze der Tragfähigkeit ist und jedes weitere Anziehen der Steuerschraube die gegenteilige Wirkung hervorrufen könnte.

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