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Der erstarrte Freibetrag

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Für jede der sieben in unserem Einkommensteuergesetz aufgezählten Einkunftsarten besteht so etwas wie eine tatsächliche oder formelle Begünstigung, die sich in einer Minderung des zu versteuernden Einkommens niederschlägt. Entweder werden Teile- des Einkommens, die nach dem Gesetz besteuert werden könnten, durch eine großzügige Prüfung der Betriebsausgaben, teilweise auch nur durch eine Pauschalierung, nicht erfaßt, oder es sind ausdrücklich Freibeträge in einer bestimmten Höhe festgelegt.

Die Freibeträge haben keineswegs den Charakter von „Steuergeschenken“, sondern stellen den Versuch einer Milderung der Steuerprogres- .sion dar. Man kann darüber hinaus die Freibeträge auch als pauschale Abgeltung von Aufwendungen ansehen, welche der Erhaltung der Einkommenserzielungsquelle (etwa der Qualität der Arbeitskraft) dienen, aber nicht belegbar sind.

Die Freibeträge sind nun in Abstimmung mit einem bestimmten Preisspiegel und Steuertarif zu sehen. Bei Aenderung der Bezugsgrundlagen müßten die Freibeträge mitgeändert werden, wenn auch nicht immer gleichzeitig und mechanisch. Da's bedeutet: Steigen die Preise oder die Durchschnittseinkünfte, bedarf ’es einer Valorisierung der Freibeträge.

Im Verlauf der letzten Jahre sind so die Freibeträge für die mittätige Ehegattin, deren Bezüge nicht steüermindernd abgesetzt werden können, erhöht worden, während andere Ein- kömmensbeziehergruppen erstmalig Steuerfreibeträge zugesprochen erhielten, wie die Bezieher von Einkünften aus Kapitalvermögen, um die kleinen „Kapitalisten“ zu begünstigen. Den geänderten Preisverhältnissen trug man auch bei der Ansetzung der Wertgrenze für Bagatellanlagegüter Rechnung, das sind Anlagegüter, die wegen der Geringfügigkeit der Anschaffungskosten bereits im Anschaffungsjahr voll abgeschrieben werden können. Der in Frage kommende Höchstanschaffungsbetrag wurde um 50 Prozent auf 1200 S (in der Deutschen Bundesrepublik 600 DM) erhöht.

Ebenso setzte man den Freibetrag für die „Sonstigen Bezüge“ von Dienstnehmern (Weih nachtsremuneration, 13. Monatsgehalt) erheblich hinauf. Ein Freibetrag wurde jedoch seit 1955 mit einer beachtenswerten Hartnäckigkeit erstarren gelassen: Der Freibetrag für die unversteuerten Nebenbezüge eines veranlagten Arbeitnehmers gemäß § 93 Abs. 2 EStG., der nach nach einer geringfügigen Erhöhung nunmehr seit Jahren mit 3 6 0 0 S gleichsam betoniert ist. Nun trifft die Begünstigung aus der. Gewährung des obenerwähnten Freibetrages nicht irgendwelche Privilegierte, sondern jene Lohnbezieher, welche nebenher, in Heimarbeit oder etwa als Stundenbuchhalter, zu ihren Löhnen etwas dazuverdienen wollen.

Wenn man weiß, wie und in welchem Umfang beispielsweise unter dem Titel „Repräsentationen“ oder „Pkw.-Aufwendungen“ Beträge steuermindernd abgebucht werden können, die jedoch tatsächlich der privaten Lebenshaltung gewidmet wurden, vermag man die Sparsamkeit des Gesetzgebers nicht recht zu verstehen, um so mehr, als der im Rahmen einer allfälligen Erhöhung des Freibetrages entstehende Steuerausfall -wegen der geringen Zahl der in Frage kommenden Steuerträger unbeachtlich ist und‘in keinem Verhältnis zu anderen Aufwendungen steht, dfe, zuweilen Vom Gesetzgeber in einer Art sportlicher Freigebigkeit dem Budget aufgelastet werden.

Abgestellt auf ein Preisniveau und vor allem auf eine durchschnittliche Einkommenshöhe von gestern, wirkt der monatliche Freibetrag von maximal 300 S geradezu anachronistisch, wozu noch kommt, daß er vor allem jene Gruppen von Einkommensteuerpflichtigen betrifft, welche durch die letzten Steuersenkungen — in Schillingen gerechnet — nicht allzu stark begünstigt wurden. D i e B e t r o f f e n e n sind meist Intellektuelle, die nicht pfuschen können. Wie allen Dienstnehmern ist ihnen zudem die „Last“ der Steuerehrlichkeit durch die Technik des Steuerabzugsverfahrens ohnedies abgenommen worden. Die Fixierung des Freibetrages auf Jahre hinaus stellt jedenfalls allmählich eine Zumutung, wenn nicht eine Verletzung des Smithschen Prinzips der Steuergerechtigkeit, dar und ist der kleinlichen Art vergleichbar, mit der man etwa die Rechtfertigung von Werbungskosten prüft (siehe „Oester- reichische Steuer- und Wirtschaftskartei“, 15/16, 1959).

Geradezu selbstverständlich für das .finanzpolitische und vor allem das steuerpolitische Denken in Oesterreich ist es, daß die Finanzverwaltung bei Festlegung der Höhe des Freibetrages in keiner Weise auf den Familienstand der veranlagten Dienstnehmer Rücksicht nimmt. Warum denn auch? Dįe Valorisierung der steuertarifarischen Kinderermäßigungen, die nach einem seinerzeitigen Gutachten von Hofrat Dr. Schimetschek heute je Jahr und Kind etwa 7000 S betragen müßte, ist auch erst zu einem Sechster erfolgt. Jedenfalls stehen die Begünstigungen für die Familie in einem beachtlichen Widerspruch zu der Großzügigkeit, die man sonst bei Reduktionen der allgemeinen Steuerbelastung bewiesen hat (vgl, die Tabelle XII in der Abhandlung des Herrn Bundesministers für Finanzen „Bedeutung und Struktur der öffentlichen Einnahmen und Ausgaben für die Wirtschaftsentwicklung Oesterreichs").

Der neue Nationalrat muß-sich ohnedies mit einer Reihe von Steuergesetzeh befassen, so mit der Haushaltsbesteuerung, für welche heute ein gesetzloser Zustand besteht. Warum sollte nicht auch die Valorisierung des Freibetrages für unversteuerte Nebenbezüge von veranlagten Dienstnehmern in eine ..kleine“ Steuerreform eingebaut werden können?

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