Der Euro-Klub ist wie ein Sauerstoffzelt

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Wenn der Euro alles andere denn in Bestform ist, so liegt das nicht am Währungssystem, sondern an der mangelnden Effizienz der europäischen Wirtschaft.

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Wenn der Euro alles andere denn in Bestform ist, so liegt das nicht am Währungssystem, sondern an der mangelnden Effizienz der europäischen Wirtschaft.

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Im Jahr 1995 sank der Wert des US-Dollars zeitweise unter zehn Schilling, im Jahresdurchschnitt betrug sein Mittelwert damals 10,05 Schilling. Die Dollar-Schwäche war Aufsehen erregend, aber niemand wäre auf die Idee gekommen, dem sogenannten Greenback die Überlebenschance abzusprechen.

Bei manchen Europäern löst das Formtief des Euro hingegen Störungen im Selbstbewusstsein aus. Unbegreiflich ist das nicht, denn alle Europäer können sich noch an die Vor-Euro-Zeit erinnern, also an ein Leben ohne Währungsunion. Und so lange es die neue Währung als Münze und Papiergeld nicht einmal gibt, sind Zweifel am Sinn des ganzen Unternehmens jederzeit abrufbar.

Ungeachtet dessen spricht alles für den Euro. Wenn Europa weltweit jemals gleichberechtigt an der Seite der USA stehen will, dann ist eine gemeinsame Währung Voraussetzung. Sie ist nicht die einzige Voraussetzung, denn auch ein gemeinsames außenpolitisches Konzept und eine überzeugende europäische Verteidigung gehören dazu - aber die gemeinsame Währung ist unabdingbar.

Dass die Gründung der Währungsunion eine qualitative Leistung war, haben die Amerikaner indirekt längst anerkannt. Seit die Währungsunion mit der Stufe zwei ihrer Vorbereitung (1994) klarere Konturen bekam, wird die Europäische Union auch in der amerikanischen Politik Ernst genommen, zumindest nach dem Motto: Da könnte etwas daraus werden. Sollten manche US-Finanzleute heute mitleidig auf die neue Währungseinheit herabschauen, weil sie weit entfernt davon ist, mit dem Dollar eine 1:1-Parität zu bilden, so kann man den Vorgang mit Gelassenheit beobachten. Die USA werden den Euro in dem Augenblick als gegebene, von Schwankungen ihres Wertes unbeeinflusste Größe hinnehmen, wenn das Geld für die breite Masse amerikanischer Touristen eine praktische Funktion bekommt. Wenn Amerikaner also auf ihrer Europa-Tour viel seltener wechseln müssen und wenn sie beim Shopping von Lissabon bis Helsinki vergleichbare Preise vorfinden. Und wenn in fremden Tourismuszentren und irgendwann sogar vor ihrer Haustür in Lateinamerika neben dem Dollar auch der Euro selbstverständlich gern akzeptiert und anstandslos gewechselt wird.

Dem europäischen Publikum hat die Währungseinheit schon jetzt greifbare Vorteile gebracht. Preise und Leistungen sind für Touristen ohne Taschenrechner vergleichbar geworden, die Fremdenverkehrswirtschaft erhält nach Aussagen von Wirtschaftsforschern positive Impulse. Egon Smeral vom Wirtschaftsforschungsinstitut erklärt den Zusammenhang so: "Die Errichtung der Währungsunion bedeutet für den Tourismus, dass die wechselkursbedingten Verlagerungen der internationalen Reiseströme im Euro-Raum praktisch verschwunden sind. Von diesen Entwicklungstendenzen profitiert insbesondere der österreichische Tourismus, da sich unsere wichtigen Konkurrenzländer in Südeuropa durch Abwertung keine Preisvorteile mehr herausschlagen können." Gerade für die österreichische Fremdenverkehrswirtschaft, die seit Beginn der 90-er Jahre von einer Existenzkrise in die nächste schlitterte (und Österreichs Leistungsbilanz hinunterzog), bewährt sich der Euro-Klub wie ein Sauerstoffzelt.

Für Europas Wirtschafts gilt: Dank Euro und Maastrichtkriterien ist sie dabei, den Abstand zum amerikanischen Niveau zu verringern. Alle Indizien sprechen dafür, dass es gelingt.

Wenn der Euro alles andere denn in Bestform ist, so hilft nur eines: den irrationalen Teil solcher Bewertungen ignorieren, die rationalen Ursachen der Schwäche aber so rasch wie möglich beheben. Sie liegen nicht am Währungssystem, sondern an der mangelnden Effizienz der europäischen Wirtschaft. Und auch daran, dass die EU ihr Erfolgsimage manchmal mit Lust beschädigt. Die Boykottaktion der 14 gegen Österreich war ein typisches Beispiel dafür.

Der Autor ist stellvertretender Chefredakteur des WirtschaftsBlattes.

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