Der hürdenreiche Weg zur Mindestsicherung

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Die bedarfsorientierte Mindestsicherung wird an die Transparenzdatenbank gekoppelt. Ihre Einführung zum 1. September 2010 ist am koalitionsinternen Ringen gescheitert.

Geht es um die Bedürftigen, dann ist Franz Küberl, Präsident der Caritas, ohnedies immer in voller Fahrt. Erst recht, wenn es um die Einführung der bedarfsorientierten Mindestsicherung geht, die nicht wie vorgesehen bis zum 1. September zustande kommt. Küberl zur FURCHE: „Hier muss man als Erstes an das Stück erinnern, um welches es geht.“

Begonnen habe die Debatte um die Mindestsicherung bereits im Jahr 2006 mit einer Vereinbarung des damaligen Wirtschaftsministers Martin Bartenstein mit dem damaligen Sozialminister Erwin Buchinger. Diese hätten, so Küberl, „eine kluge sozialpolitische Innovation beschlossen“, damit vor allem jene Menschen, die ihrerseits Menschen zu erhalten hätten, „etwas erhalten“. Es sei also um die Zusammenführung von Arbeitslosengeld und von Notstandshilfe gegangen. Dazu hat es ein Jahr später, im Dezember 2007, sogar eine Fachtagung gegeben, deren Referate und Expertise in einer über einhundertseitigen Dokumentation vorliegen. Am Weg zur Mindestsicherung haben ihre Vertreter in der SPÖ aber die politische Marschroute ohne die Länder und ohne den Koalitionspartner ÖVP geplant. Jetzt ist die Sache gehörig ins Stocken geraten. Selbst, wenn ständig im Parlament verhandelt wird.

Im vorigen Herbst brachte Finanzminister und ÖVP-Chef Josef Pröll seine Initiative einer Transparenzdatenbank ins Spiel. Damit sollte jedem Haushalt und jeder Familie gezeigt werden, welche Sozial- und Transferleistungen sie erhalten. Diese Offenlegung sei, so die ÖVP, mit der Mindestsicherung inhaltlich und politisch zu verbinden, um Doppelgleisigkeiten und Missbrauch zu unterbinden.

Die Sozialdemokraten ihrerseits wehrten sich stets gegen eine als Junktimierung empfundene Verbindung der beiden Projekte – allerdings erfolglos.

Zeitverlust droht auch in den Ländern

In dieser Woche, just jener des SPÖ-Parteitages, der am Samstag, 12. Juni, in Wien abgehalten wird, spitzte sich die Auseinandersetzung zu. Am Dienstag wurde zwischen Klubobmann Karlheinz Kopf (ÖVP) und Sozialminister Rudolf Hundstorfer bis in die Nacht verhandelt, ebenso noch am Mittwoch seit dem Morgen, um den Fahrplan zu halten: eine Entschließung am Donnerstag, 10 Juni, im Sozialausschuss zu fassen, damit die Mindestsicherung am 17. Juni parlamentarisch abschließend behandelt werden kann, um am 1. September wie geplant in Kraft zu treten. Dieses Datum ist nicht zu halten.

Die Gründe dafür liegen in zwei Umständen: Die Volkspartei bleibt bei ihrer Koppelung mit der Transparenzdatenbank. Jeder Steuerzahler und Empfänger von Sozialleistungen soll genau diese Zahlen bei der Finanz erhalten, dort elektronisch Einschau nehmen können. So werde Datensicherheit gewährleistet, heißt es aus der ÖVP. Und damit wird die Forderung der SPÖ abgeschmettert, die Transparenzdatenbank bei der Statistik Austria zu führen. Der zweite Hinderungsgrund sind die Länder, die aufgrund ihrer Zuständigkeit für die Sozialhilfe an der Umsetzung der Mindestsicherung mitzuwirken hätten – nicht zuletzt, um eben Doppelgleisigkeiten et cetera zu vermeiden. Dafür sind vom Bund mit den Ländern Vereinbarungen zu schließen, was – mit Ausnahme Kärntens – erfolgt ist, aber es fehlen noch eine erforderliche Landtagsbeschlüsse, nicht zuletzt etwa in der Steiermark, die am 26. September einen neuen Landtag wählt, der bis dahin nur noch einmal zusammentritt. Es sind also das politische Tauziehen der Koalitionsparteien und jenes zwischen Bund und Ländern, die den Weg zur Mindestsicherung so hürdenreich gestalten. Und wenn es um die Transparenzdatenbank geht, spielt Neid möglicherweise mit eine Rolle.

Die Transparenzdatenbank stehe, so Küberl, für ihn in keinem Zusammenhang mit der Mindestsicherung. Und wenn die Transparenz ein Problem sei, dann nicht eines dieser sozialpolitischen Maßnahme. Jedenfalls dürfe nicht mehr Neid entstehen, sondern man müsse vielmehr eine Haltung unterstützen, wonach jene, die diese Mindestsicherung bräuchten, sie auch erhalten. Genau davon gebe es viele, meinten dazu Wiens Kardinal Christoph Schönborn und Caritas-Direktor Michael Landau. Sie appellierten, einmal mehr, Menschen, die am Rande des Minimums lebten, „nicht im Stich zu lassen“: Die Arbeitslosenzahlen und die täglichen Erfahrungen der Caritas zeigen, dass Armut Realität sei.

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