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Der Kampf ums Gerstl beginnt

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Während Österreichs Hausfrauen verzweifelt die billigen EU-Preise bei den Lebensmittel suchen und nur wenige Lockangebote billiger Massenprodukte finden, bekommen Österreichs Bauern immer weniger für die Früchte ihrer Arbeit bezahlt. Die vielgefürchtete „ Marktbereinigung” zu Lasten der Bauern ist voll im Gange. Auf einen kurzen Nenner gebracht: Die Reichen werden reicher und die Armen immer ärmer.

Das statistische Zentralamt hat in einer ersten Hochrechnung festgestellt, daß die Talfahrt der Einkommen der österreichischen Bauern weiter ging. Die Einkommen aus der Land- und Forstwirtschaft sanken gegenüber dem Vorjahr um 12,6 Prozent auf 34 Milliarden Schilling. Der Wert der Agrarproduktion aber sank um nur 3,2 Prozent. Der „Grüne Bericht” für 1993 stellt fest, daß bereits seit 1991 die Einkommen der Bauern sinken und sinken.

Für Investitionen, um „eurofit” zu werden, blieb den Bauern daher kein Spielraum. Der „Grüne Bericht” stellt eine „Zurückhaltung bei Investitionen” fest. 1993 investierten Landwirte nur noch 9,23 Milliarden Schilling in ihre Betriebe, um satte acht Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Das war die geringste Investitionssumme seit 1985!

Währenddessen rüsten die Verarbeitungsbetriebe kräftig auf. Just parallel zur Veröffentlichung der schlechten Einkommen der Bauern gab die Wien Milch AG bekannt, daß bei ihr der Raiffeisenkonzern Austria Milch und Fleischvermarktung (AMF) einsteigt und 600 Millionen Schilling investiert. Die Wien Milch wiederum hat im Vorjahr mit Schärdinger Milch AG die Milchbe-teiligungs AG (MIBAG) gegründet. Für heuer wird ein Umsatz von fünf Milliarden Schilling erwartet.

Die als „Strukturbereinigung” beschriebene Konzentration der Verarbeitungsbetriebe geht also ungebremst weiter. Neu ist, daß verstärkt die verschiedenen Verarbeitungsbereiche untereinander verschränkt werden, sodaß der österreichische Bauer Gefahr läuft, sich bald einem einzigen agrarindustriellen Komplex gegenüberzusehen, der die Preise, so wie bei der Milch, diktiert, und zwar kräftig nach unten.

Was nutzt es dem einzelnen Bauern, wenn in anderen EU-Staaten die Marktpreise höher sind, er aber dorthin nicht liefern kann. Zudem hat Österreich einen äußerst ungünstigen Zeitpunkt ausgewählt. Seit 1992 gibt es in der EU die neue „Gemeinsame Agrarpolitik”, die das Ziel hat, die Agrarpreise in Europa bis nahe den Weltmarktpreisen abzusenken. Aufgrund dieser EU-Politik verfiel alleine in Deutschland der Schweinepreis zwischen Juni 1992 und Oktober 1993 um 40 Prozent. Österreichs Bauern müssen diesen Preisverfall abrupt per Jahresbeginn nachvollziehen.

Wenn Landwirtschaft in industriellen Maßstäben betrieben wird, bleibt nicht viel Platz für kleine Bauern übrig. Während in Österreich noch 60 Prozent der Bauern als kleine Nebenerwerbslandwirte ihre Höfe am Leben erhalten, ist der Anteil dieser schon aussterbenden Sorte von kleinen Betrieben nur noch halb so groß.

Das Sterben kleiner Bauernhöfe wird noch rasant zunehmen, sind in Österreichs Bundesländern zwischen 35 und 50 Prozent der Bauern älter als 55 Jahre. Mit potentiellen Jungü-bernehmern, weiß Raumplaner Theodor Quendler in einer Studie zu berichten, können oft bei weniger als 60 bis 40 Prozent der in Pension gehenden Bauern rechnen! 1993 gab es noch 267.000 landwirtschaftliche Betriebe, um 11.000 weniger als im Vorjahr.

Für heuer werden elf Milliarden Schilling an Zuschüssen aus Brüssel erwartet. Die „Marktordnungsprämien” für Tiere und Felder in der Höhe von sechs Milliarden Schilling werden zur Gänze von der EU gezahlt. Von 4,5 Milliarden Schilling Lagerabwertung zahlt die EU 2,4 Milliarden. Während der nächsten vier Jahre könnten von der EU 2,4 Milliarden Schilling in das „Ziel 1 Gebiet” Burgenland fließen und in die umweltfördernden Maßnahmen des ÖGPUL-Programms, soferne sie von der EU anerkannt werden, 2,4 der vorgesehen 5,5 Milliarden.

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