Der Mythos vom sicheren Gold

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Auch die angeblich "stabilste“ Wertanlage unterliegt heftigen Schwankungen. Derivate verursachten den Höhenflug des Goldes - und nun seinen Kurssturz.

Eine der vielen nicht besonders wohltuenden Nachrichten der Woche ist, dass nichts mehr sicher scheint. Selbst jene braven Leute, die sich auf felsenfestem Terrain zu bewegen glaubten, mussten erkennen, dass auch ihre Vermögen schwanken können. "Gold ist krisensicher“, so lautet die Devise, mit der sich Marktschreier, darunter auch Nobelpreisträger, seit Jahren breites Gehör verschafften. Diese These hat sich mitten im neuen Krisenbeginn mit einem Kursverlust von 20 Prozent zum Vormonat als zumindest angreifbar herausgestellt.

Aber warum kam es ausgerechnet jetzt zu diesem Einbruch. Fürchten nicht gerade jetzt Anleger allerorten und mit ihnen Politik und Realwirtschaft ein drohendes Gewitter über der Weltwirtschaft? Müsste nicht gerade unter diesen Voraussetzungen Gold noch begehrter und damit teurer werden? Müsste sich nicht gerade jetzt eine Panikblase auf dem Markt blähen, anstatt zu platzen. Das alles erscheint auf den ersten Blick nicht logisch.

Nicht nur viele auf Sicherheit setzende Anleger hat der Goldsturz überrascht, selbst ausgewiesene Rohstoffexperten sprechen von einem "historischen“ und "vollkommen unerwarteten“ (Commerzbank Deutschland) Einbruch. Noch in der Vorwoche hatten die renommiertesten Analysten der Deutschen Bank und der Schweizer UBS einen Einstieg in Gold empfohlen. Und nun das.

Um den Ursprung des Kurssturzes zu ergründen, muss man ins Frühjahr vergangenen Jahres zurückgehen. Da begann George Soros, einer der Star-Investoren der Finanzwelt, sich von Gold-Wertpapieren zu trennen. Soros unkte, es sei bald vorbei mit der Gold-Euphorie und prophezeite das Platzen der "ultimativen Blase“. Hernach verkaufte er seine Goldinvestments im Wert von 774 Millionen Dollar beinahe zur Gänze. Der Goldkurs stieg zwar weiter, doch im September dieses Jahres trauten auch die großen Hedgefonds den ungebremsten Gewinnaussichten nicht mehr - und stießen ihre Papiere ab.

Riskante Goldgeschäfte

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass es sich bei den Veranlagungen nicht um phyisches Gold handelt, sondern um sogenannte Gold Exchange Traded Funds (ETFs). Das sind börsengehandelte Fonds, die auf eine Preisentwicklung spekulieren. Ein Investor wettet auf steigende Kurse und gewinnt in diesem Fall. Bleibt der Preis gleich, verliert der Investor. Das ist ein wichtiger Unterschied zum Kleinanleger, der sich Goldmünzen kauft, um den Wert seines Vermögens zu erhalten, dem also tendenziell gleichbleibende oder nur leichter Gewinne ausreichen. Bei den bislang üblichen ETF-Veranlagungen, die die Mehrheit des Goldmarktes darstellen, musste der Goldkurs steigen, will der Anleger Verluste vermeiden. Von risikoarmer Wertanlage kann hier also kaum die Rede sein. Riskante Derivatgeschäfte beherrschen den vermeintlich stabilsten aller Märkte.

Das zeigt eine der großen Fehlentwicklungen in den Finanzmärkten der vergangenen Jahre auf: Wetten auf Marktentwicklungen sind zum wichtigsten Teil des Marktes selbst geworden. Das ist bei Gold offensichtlich nicht anders als bei den amerikanischen Immobilien 2007. Auch damals waren es die Wetten (in ungleich höherem Volumen) auf die Entwicklung der Kreditsicherheit der Hausbesitzer und Kreditgeber, die den Immobilienmarkt selbst und damit die Bauwirtschaft, einen der wichtigsten Konjunkturmotoren der US-Wirtschaft, in den Keller trieben - wo er sich noch heute befindet.

Eine Frage der Stabilität

Das führt automatisch zur Frage, ob Investitionen in echtes Gold lohnen. Immerhin, so heißt es, könne Gold seinen Wert niemals ganz verlieren. Richtig: Nimmt man das langjährige Mittel als Basis, liegt Gold inflationsbereinigt pro Feinunze bei 410 Dollar (aktuell sind es 1600 Dollar/Stand 12. Oktober). Doch bezieht man die enormen Kursschwankungen im Lauf der Jahre mit ein, wird auch dieser Wert relativ. 1980 kostete die Feinunze Gold mehr als 1900 Dollar. Inflationsbereinigt wären das heute 2300 Dollar. Bis zum Jahr 1998 fiel der Wert bis auf 200 Dollar, um erst 2008 wieder kräftig anzusteigen.

Dass Gold eine stabile Anlage sei, ist so gesehen ein Gerücht - es sei denn, man hätte in extremis mehrere Jahrzehnte Zeit, um auf einen lukrativen Verkaufszeitpunkt zu warten.

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