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Der neue Entwurf

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Leider ist auch der soeben veröffentlichte neue Gesetzentwurf der bisherigen steuerlichen Tendenz treu geblieben. Die angekündigten Verbesserungen der Kinderermäßigung sind zwar vorgesehen, aber in einem so enttäuschend dürftigen Ausmaß, daß praktisch keine Aende- rung an der Ueberbesteuerung der Familien eintritt.

Hingegen sieht der Entwurf weitgehende Steuersenkungen für den Steuerpflichtigen und seine Ehefrau vor, was vor allem den Ledigen und den kinderlosen Ehepaaren zugute kommt. Auch dafür einen Vergleich mit 3 945: Bei einem Jahreseinkommen pro Person der Familie von 1800 RM betrug die Einkommensteuer im Jahre 1945 für einen Ledigen 11 Prozent, für eine Familie mit drei Kindern 7,7 Prozent pro Person. Beim wertmäßig gleichen Einkommen 1954 von rund 13.000 S ist im Entwurf eine steuerliche Belastung (einschließlich 18 Prozent Zuschläge) vorgesehen für Ledige 5,6 Prozent, für eine Familie mit drei Kindern 18,6 Prozent vom Einkommen.

Dementsprechend werden auch die Mindestlebenshaltungskosten (Existenzminimum) nur für die’Ledigen steuerfrei bleiben; für diese allerdings in einem das Existenzminimum beträchtlich übersteigendem Ausmaß. Hingegen wird bei Verheirateten (mit Ausnahme der doppelt verdienenden Ehepaare) noch immer nicht das Existenzminimum für alle Familienmitglieder steuerfrei sein. Ein Teil des Existenzminimums wird von einer Steuer getroffen, die von Familienmitglied zu Familienmitglied immer progressiver ansteigt.

Aus den Berechnungen der verschiedenen Institute kann man ungefähr folgende Jahresbeträge als Existenzminimum ableiten: Für den Flaushaltvorstand 7000 S, für seine Ehefrau 6000 S, für jedes Kind (im Durchschnitt der 21 Jahre steuerlicher Zusammenrechnung mit dem Haushaltvorstand) je 5000 S. Wenn nun ein Steuerpflichtiger mit drei Kindern ein Einkommen bezieht, das gerade genau für das Existenzminimum seines Fünfpersonenhaushaltes ausreicht, so muß er 1214 S Einkommensteuer bezahlen. Das kommt einem vollen Monatsverbrauch seiner drei Kinder gleich. Für eine

Familie mit fünf Kindern beträgt die Steuer auf das Existenzminimum 1683 S.

Kein Wunder ist es, daß die Familien so überbesteuert werden müssen, wenn man bedenkt, daß das Staatsbudget die Wirkung einer Waage hat. Die von den Begünstigungen ausgeschlossenen Steuerpflichtigen müssen durch höhere Steuerleistungen auch den Ausfall wettmachen, der infolge von übermäßigen Begünstigungen anderer Steuerpflichtiger entsteht. Eine echte Senkung von Steuern könnte es wohl nur dann geben, wenn auch die Ausgabenseite des Budgets gesenkt würde. Aber solange wir Steuerträger nach wie vor für 23 Milliarden Staatsausgaben aufkommen müssen, kann eine Steuersenkung wohl nur in einer Umschichtung bestehen. Man hat nicht umsonst schon vorausgehend die LImsatzsteuer von 2 Prozent auf 5,25 Prozent erhöht. Den Ausfall bei der Einkommensteuer bezahlt somit auch wiederum der Steuerträger, aber in seiner Eigenschaft als „Konsument“. Und davon sind die Familien wiederum am stärksten betroffen, weil sie ihr ganzes Einkommen für den Einkauf von Konsumgütern verwenden müssen. Aber das sind längst bekannte Binsenwahrheiten. Die Umsatzsteuer hat seit jeher als unsoziale und markthemmende Steuer gegolten. Sie wird sowohl im alten sozialdemokratischen Parteiprogramm wie auch im Grundgesetz der sozialen Marktwirtschaft (These 3) abgelehnt. Man wird daher auch in Oesterreich einmal öffentlich darüber reden müssen, ob es wirtschaftlich und sozial richtig ist, die Umsatzsteuer zur budgettragenden Steuer auszubauen.

Diese steuerlichen Tendenzen, die in Oesterreich derzeit herrschen, gereichen zunächst zumindest den Ledigen zum Vorteil. Aber ist dies nicht nur ein vermeintlicher Vorteil? Die allermeisten Ledigen werden in wenigen Jahren auch zu den Verheirateten und Familienerhaltern gehören und dann durch viel mehr Jahre die Last der doppelten Ueberbesteuerung spüren müssen, als sie jetzt die doppelte Begünstigung genießen. Den vorehelichen Ledigen ist somit durch dieses Steuersystem nicht ge-liolfen. Es ist auch fraglich, ob den dauernd ledig oder kinderlos bleibenden Staatsbürgern geholfen ist, wenn um den Preis ihrer viel zu weit gehenden steuerlichen Begünstigungen unser Volk den Weg des aussterbenden Volkes weiter fortsetzt und bis zur fremdvölkischen Unterwanderung zu Ende geht.

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ln einer gemeinsamen Stellungnahme begrüßen das Institut für Sozialpolitik und Sozialreform, der

Oesterreichische Familienbund und der Katholische Familienverband den Entschluß des Finanzministeriums, den alten Plan der linearen Steuersenkung fallen zu lassen und die Steuer der Familienerhalter in stärkerem Maß zu senken Allerdings hätten die genauen, nunmehr veröffentlichten Ziffern ergeben, daß die steuerliche Besserstellung der Familienerhalter bei weitem nicht das angekündigte Maß erreiche. Von einer „bedeutenden Begünstigung für Kinderreiche“ könne daher keine Rede sein.

Die Steuergerechtigkeit erfordere vor allem, argumentierten das Institut und die Familienorganisationen, die Steuerfreiheit des Existenzminimums Die in dem Entwurf vorgesehenen Sätze der Kinderermäßigung lassen aber pro Kind einen Betrag von höchstens 250 S steuerfrei, während die Minderung der Leistungsfähigkeit für Familienerhalter rund 500 S monatlich betrage. Um diese Minimalforderung des unbesteuerten Existenzminimums zu verwirklichen, müßte die Kinderermäßigung verdoppelt werden.

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