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Der ökologische Fortschritt blieb bloß Papierform

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Vor 50 Jahren wurde in Bretten Woods die Weltbank gegründet (siehe Seite 8). Für Umweltschutzgruppen kein Grund zum Feiern.

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Vor 50 Jahren wurde in Bretten Woods die Weltbank gegründet (siehe Seite 8). Für Umweltschutzgruppen kein Grund zum Feiern.

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Die Umweltpolitik der Weltbank befindet sich in einer wichtigen Übergangsphase. So beginnt der „Umweltbericht 1993" jener Institution, die seit mehr als einem Jahrzehnt im Kreuzfeuer der Kritik steht. Und weiter: „Zu ihren Schlüsselelementen gehört die Verlagerung des Schwerpunkts von der Formulierung von Richtlinien hin zu ihrer tatsächlichen Umsetzung vor Ort; eine größere Konzentration auf die Schaffung von staatlichen Institutionen zum Umweltmanagement; (...) und eine stärkere Retonung der sozialen Aspekte einer umweltfreundlichen Entwicklung."

Auf dem Papier hat sich tatsächlich in den letzten Jahren einiges getan. Strenge Richtlinien wurden erlassen, nichtstaatliche Gruppen beteiligt, eine heute 200köpfige Umweltabteilung wurde gegründet, Umweltverträglichkeitsprüfungen wurden durchgeführt, und gar eine neue Forstpolitik erlassen, die Projekte zur Schlägerung tropischer Urwälder verbietet. Und es gab einen signifikanten Anstieg sogenannter Umweltprojekte.

Doch die Realität sieht anders aus! Umweltprojekte der Weltbank sind oft nicht so umweltfreundlich, wie der Name glauben macht. Und die fortschrittlichen Öko-Richtlinien werden kaum eingehalten. So fanden US-Umweltorganisationen heraus, daß allein bei 46 Projekten im Energiebereich, die im ersten Halbjahr 1993 vorlagen, nur zwei den Richtlinien entsprachen. Eine interne Untersuchung konnte kein einziges Projekte finden, bei dem die umgesiedelten Menschen - wie vorgeschrieben - ihren vorherigen Lebensstandard wieder erreichen konnten.0 Die neue Forstpolitik schließlich ist weltbankintern vielen schon wieder zu streng und könnte noch dieses Jahr abgeschwächt werden.

Einige Reispiele aus der jüngsten Vergangenheit:

■ Daß soziale Aspekte nicht von der Umweltproblematik zu trennen sind, läßt sich am indischen Staudammprojekt Narmada demonstrieren, das bereits zum Symbol für desaströse Weltbank-Projekte geworden ist. Allein für den ersten Damm dieser geplanten Kraftwerkskette sollen 240.000 Menschen vertrieben und 13.700 Hektar Wald überflutet werden. „Wir ertrinken eher, als unser Land zu verlassen," sagen die Ureinwohner. Und vernichtende Kritik kam sogar von einer durch die Weltbank beauftragten Untersuchungskommission. „Die Auftragserteilung an eine Gruppe externer Experten, die nicht unumstritten war, ist ein bis dahin einmaliger Vorgang in der Geschichte der Weltbank und zeigt, wie ernst die Vorwürfe genommen worden sind", so Walter Rill, der österreichische Vertreter in der Weltbank. Dennoch: Wieder und wieder wurden die von Indien beantragten Kredite für Narmada gewährt, auch mit Zustimmung Österreichs.

■ Ebenfalls gegen den massiven Widerstand der Betroffenen wurde 1991 ein Kredit für den Pak Mun-Damm in Thailand gewährt. Tau-sende Menschen müssen ihr Land verlassen, Teile eine Nationalparks werden zerstört, wichtige Fischgründe vernichtet. Österreich stimmte zu, die österreichischen Firmen Voest und Elin lieferten Turbinen und Generatoren.

■ Im Mai 1994 stimmte das Bank-Direktorium einem Forstkredit für Weißrußland zu. Geplant ist eine 600prozentige Steigerung der Holzexporte. Doch ein Fünftel der weißrussischen Wälder sind durch den Super-Gau von Tschernobyl verstrahlt. Was die Weltbank nicht hinderte, dem Projekt nur eine Umweltprüfung mittlerer Kategorie an-gedeihen zu lassen. „Die einzige dabei befragte nichtstaatliche Organisation war ein Jagd- und Fischerereiverband," berichtet Cameron Dun-can von Greenpeace.

Österreichs Vertreter in der Weltbank hat allen vorhin erwähnten Krediten zugestimmt, sofern sie bereits beschlossen sind. „Der Stimmanteil, den unsere Stimmrechtsgruppe vertritt, beträgt insgesamt rund fünf Prozent der Gesamtstimmen", erklärt Walter Rill. Österreichs Gewicht innerhalb der Gruppe beträgt etwa achtzehn Prozent. „Die Möglichkeiten für Österreich, Entscheidungen in der Weltbank allein wirkungsvoll zu blockieren, sind daher nicht nur stark limitiert, sondern praktisch nicht vorhanden." Zumindest könnte Österreich aber dafür sorgen, daß sich die Gruppe der Stimme enthält. Doch auch das ist bisher praktisch nie geschehen.

Warum diese Diskrepanz zwischen wohlklingenden Papieren und der bitteren Realität? „Pressure to lend" nennt Rruce Rieh vom amerikanischen Enviromental Defence Fund eines der Hauptprobleme: Das Weltbankmanagement stehe unter Druck, möglichst viele Projekte zu finanzieren. Denn die großen vorhandenen Geldsummen müssen ausgegeben werden, und so wird genommen, was kommt. Ohne Rücksicht auf Verluste.

Crux Nummer zwei: Weiterhin viel zu stark konzentriert sich die Rank auf Großprojekte, die finanztechnische leichter zu verwalten sind als viele kleine. Für Umwelt und Sozialstrukturen dagegen werden Projekte mit zunehmender Größe auch zunehmend gefährlich. Die Umweltabteilung schließlich ist isoliert, darf zwar durchaus Kritik üben und Verbesserungsvorschläge bringen, aber wird in die wesentlichen Entscheidungen dann nicht einbezogen. Das Direktorium schließlich ist mit der Fülle der Projekte überfordert, die täglich auf seinem Tisch landen.

Auch in Österreich sagen nun zahlreiche Umwelt- und Entwicklungorganisationen: „50 Jahre sind genug!" Fruchtlosen Debatten müßte, so die Kritiker, nun endlich handfester Druck folgen. Ihre Forderung: Die Weltbank-Reiträge Österreichs sollen eingefroren werden, solange es keine grundlegenden Reformen gibt und die Weltbank so wie bisher nicht einmal ihre eigenen Richtlinien einhält.

1) Alexis Widerstein: 50 Jahre Weltbank, ein Dossier des Österreichischen Ökologie-Instituts im Auftrag von Greenpeace, ÖIE, CARE Österreich, Frauensolidarität, Global 2000, Freunde der Erde, Gesellschaft für bedrohte Völker.

Der Autor ist

Regenwaldexperte von Greenpeace Österreich

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