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Der Preis fiir die Eurowährung

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Ganz Europa ist zum Sparen gezwungen, nicht nur Osterreich. Das Ziel: Teilnahme am Jahrhundertprojekt „Eurowährung”.

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Ganz Europa ist zum Sparen gezwungen, nicht nur Osterreich. Das Ziel: Teilnahme am Jahrhundertprojekt „Eurowährung”.

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Das Projekt „Eurowährung” soll 1999 beginnen, die Eintrittsbedingungen der EU-Mitglieder hat der Maastrichter Vertrag in den sogenannten Konvergenzkriterien festgelegt. Von den fünf Kriterien (Preisstabilisierung, Zinssatzharmonierung, Währungsstabilität innerhalb des Europäischen Währungssystems, Neuverschuldung und Staatsverschuldung) stellen die beiden letzten Kriterien für die meisten Staaten die größten Hürden dar. Alle Kriterien erfüllen derzeit nur Luxemburg und Deutschland. Osterreich weicht nicht sehr stark davon ab und ist auch durch den Test der Hartwährungspolitik mit Deutschland besser für die Europawährung qualifiziert als viele andere EU-Mitglieder.

Es wäre geradezu frivol, würde Osterreich jetzt leichtfertig seine erreichte wirt- . schaftliche Stellung in Europa verspielen. Das könnte geschehen, wenn es nicht gelänge, den Anstieg der Staatsverschuldung einzubremsen. Die Situation des Staatshaushaltes hat sich seit Beginn der neunziger Jahre aus mehreren Gründen deutlich verschlechtert. Die Rezession 1993 sowie das Inkrafttreten der Steuerreform 1994 hat zu Mindereinnahmen geführt, zusätzliche soziale Maßnahmen (Karenzgeld, Pflegegeld) sowie die Kosten im Zusammenhang mit dem EU-Beitritt haben das Defizit des Staatshaushaltes drastisch anwachsen lassen und • der Staatsverschuldung eine neue Dynamik verliehen.

Die Kosten des EU-Beitritts dürften sich für den österreichischen Staatshaushalt 1995 netto auf rund 43 Milliarden Schilling belaufen, die Nettokosten für den Bundeshaushalt betragen rund 27 Milliarden Schilling. Darin enthalten sind die Nettozahlungen im Ausmaß von rund 13 Milliarden Schilling, die Österreich an die EU leistet und die Überbrückungszah-lungen an die Landwirtschaft angesichts der Einkommenseinbußen durch die sofortige Umstellung an die gemeinsame Agrarpolitik der EU. In den kömmenden Jahren klingen die Übergangszahlungen ab, sodaß die Nettozahlungen nach Brüssel mit den österreichischen Budgetlasten wieder zusammenfallen werden. Im Jahr 2000 dürften die Nettobeiträge in den EU-Haushalt knapp über 20 Milliarden Schilling betragen. Daß Österreich ein Nettozahler ist, ergibt sich aus der einfachen Tatsache, daß wir das viertreichste EU-Land sind.

Auch ohne die Zielvorgaben durch die Maastrichtkriterien stellt sich für jedes Land die Frage nach der Tragfähigkeit der Fiskalpolitik. Das künftige Wachstum und der Wohlstand einer Nation sind durch steigende Defizite mehrfach gefährdet.. Zum einen kann die zusätzliche Kreditnachfrage des Staates, indem die Zinsen ansteigen, die Finanzierungen privater Investitionen verdrängen, zum anderen wirken saftige Defizite inflationär. Auch wenn diese Gefahren für kleine offene Volkswirtschaften kurzfristig gering sind, verliert ein Land mit hohen Defiziten allmählich an Glaubwürdigkeit in der internationalen Finanzwelt, was eine Abwertung seiner Währung zur Folge hätte.

Je größer ein Defizit wird, umso schwieriger wird es politisch, es zu sanieren (siehe Sparpaket I). Letztlich wird ein Staat mit hoher Auslandsverschuldung durch Schwankungen auf den internationalen Kapitalmärkten (zum Beispiel steigende Zinsen, Wechselkursschwankungen) verletzbarer. Um die Manövrier-barkeit für die nationale Wirtschaftspolitik nicht ganz zu verlieren, muß der Schulden-stand stabilisiert beziehungsweise verringert werden.

Österreich hat wie die anderen EU-Mitglieder der Europäischen Kommission bereits ein Konvergenzprogramm überreicht, das aber offensichtlich ungenügend ausgefallen ist. Deutliches Signal dafür war der „blaue” Brief, mit dem die Europäische Kommission Österreich im Juli ermahnte, noch größere Anstrengungen zu unternehmen, um die Konvergenzkriterien im Bereich des Staatshaushaltes zu erfüllen. Nach dem Sparpaket I für 1995 schnürt Österreich nun das Sparpaket II für das Jahr 1996. Während beim Sparpaket I die Regierung die Sozialpartner übergangen hatte und dadurch politisch nahezu Schiffbruch erlitt, wurden diesmal die Sozialpartner bereits im Mai 1995 beauftragt, einen Sanierungsvorschlag vorzulegen. Der nun vorliegende Entwurf der Sozialpartner („Gutachten zur Budgetkonsolidierung” des Beirats für Wirtschaftsund Sozialfragen) hat ein Sanierungsvolumen für den Bundeshaushalt von rund 33 Milliarden Schilling. Im Gegensatz zum Sparpaket I werden nunmehr die höheren Einkommensschichten stärker zur Sanierung herangezogen, die Lasten sind gerechter verteilt.

Das Paket ist komplex und besteht aus ausgaben- und ein-nahmenseitigen Komponenten. Einige Punkte werden sicher schwer durchsetzbar sein (zum Beispiel die Streichung der Familienbeihilfe für Studierende ab dem 19. Lebensjahr, die Kürzung des Bundeszuschusses zur Wohnbauförderung der Länder), andere sind reiner Etikettenschwindel (etwa die Bezeichnung „Ökosteuer” für die Erhöhung der Energiesteuer auf Strom und Gas - sie wirkt nur inflationär), einige Einnahmenwünsche (beispielsweise Privatisierungserlöse) entsprechen eher unspezifizierten Wunschvorstellungen, grundlegende Eingriffe in die Ausgabendynamik (zum Beispiel Reform des Pensionssystems) sind nur vage angedeutet.

Dennoch dürfte die Regierung gut beraten sein, sich im wesentlichen auf die Vorschläge der Sozialpartner zu stützen. Nicht vergessen sollte man, daß sich die Sparmaßnahmen der Sozialpartner und auch der Bundesregierung nur auf das Bundesbudget beziehen. Die Maastrichtkriterien gelten aber für den gesamten Staatshaushalt.

Gerade seit den Mehrbelaj stungen der Länder durch die Beteiligung an den EU-Beitrittskosten beschwören alle Versuche, das Bundesbudget auf Kosten der Länder zu sanieren (zum Beispiel durch die Kürzung der Wohnbauförderung), ein zusätzliches Konfliktpotential herauf und sind im Hinblick auf die Maastrichtkriterien kurzsichtig und unwirksam.

Das Volumen, um das die Sozialpartner das Budget 1996 durch Einsparungen und Mehreinnahmen sanieren wollen, entspricht ungefähr jener Größenordnung, die notwendig ist, um die Staatsschuldendynamik mittelfristig zu stabilisieren. Sie bremst die Inlandsnachfrage und damit das reale BIP bis 1998 um rund einen halben Prozentpunkt. Die Anhebung der Energiesteuern wird die Inflation leicht anfachen. Die spannende Frage ist aber: Reichen die bisherigen Sparpakete, um die Maastrichtkriterien bis 1998 zu erreichen?

Die Antwort fällt mit „jein” aus. Das laufende Defizit des Gesamtstaates dürfte damit unter die Maastricht-Marke von drei Prozent des BIP fallen. Die Staatsverschuldung wird stabilisiert, dürfte aber weiterhin über der Maastricht-Marke von sechzig Prozent des BIP bleiben. Dies alles unter der Voraussetzung, daß die Sanierungsanstrengungen der österreichischen Bundesregierung nicht mit dem Budget 1996 erschöpft sind. Zur Teilnahme an der Eurowährung dürften letztlich die österreichischen Anstrengungen genügen, da es für die Europäische Kommission bei der Bewertung der Maastrichtkriterien ausreicht, wenn ein Land (etwa Irland) in seinem Konvergenzprogramm glaubhaft eine Tendenz in Bichtung Konvergenz erkennen läßt.

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