Den Konsum der Weltbevölkerung nimmt der Weltentwicklungsbericht heuer unter die Lupe, seine Entwicklung, Verteilung und die Art, wie die verbrauchten Güter erzeugt werden. Erwähnt wird zunächst der enorme Konsumanstieg: mal 16 seit 1900 und mal zwei seit 1975. "Mehr Menschen sind besser ernährt und besser untergebracht als je zuvor", heißt es in dem Bericht. Diese Steigerung ist allerdings äußerst ungleich verteilt: "Die ärmsten 20 Prozent der Weltbevölkerung waren von der Konsumexplosion praktisch ausgeschlossen. Weit über eine Milliarde Menschen konnten ihre elementarsten Bedürfnisse nicht decken." Auch geht der Zuwachs auf Kosten der natürlichen Ressourcen. Auf diesen Aspekt geht der Bericht besonders ein.
Zwar sei es weltweit zu einer deutlichen Steigerung der Effizienz des Einsatzes von Energie gekommen und die Produkte seien heute weniger materialintensiv als in der Vergangenheit, dennoch bewege sich die Menschheit in zwei Bereichen auf "äußerste Grenzen" zu: * Luftverschmutzung und Abfälle überschreiten "die Absorptions- und Regenerationsfähigkeit unseres Planeten". Viermal so viel CO2 wie vor 50 Jahren beginnt, sich auf das Klima auszuwirken: "Erhöhte Häufigkeit von Wirbelstürmen und Dürren, schnelleres Aussterben bestimmter Tier- und Pflanzenarten ..."
* Anlaß zu Sorgen gibt auch die Schädigung der erneuerbaren Ressourcen. Schon jetzt leiden 20 Länder unter Wasserknappheit, ist ein Sechstel der Landfläche durch Überweidung dauerhaft geschädigt, geht der Bestand an Wäldern (mit ihrer für den Wasserhaushalt wichtigen regulierenden Funktion) stark zurück (seit 1970 um ein Drittel), schrumpfen die Fischbestände...
Bemerkenswert an dieser Entwicklung sei: "Die Wohlhabenden profitieren vom Füllhorn des Konsums. Aber es sind die armen Menschen und Länder, die einen großen Teil der Kosten tragen müssen." Von den weltweit 2,7 Millionen Todesfällen durch Luftverschmutzung sind 80 Prozent Arme in ländlichen Gebieten der E-Länder. "Armut und Umwelt sind in eine Abwärtsspirale geraten," diagnostiziert der Bericht. Wo früher die Ressourcen geschädigt worden sind, treffe man heute auf besondere Armut, die wiederum zu umweltschädigendem Verhalten verleite: "Fast die Hälfte der ärmsten Weltbevölkerung - mehr als 500 Millionen Menschen - leben auf Grenzböden."
Positiv wird das steigende Umweltbewußtsein registriert. Es biete die Chance für eine Kurskorrektur. Vor allem den Ländern der Dritten Welt wird nahegelegt, nicht die Fehler der Industrieländer zu wiederholen und einen umweltfreundlichen Weg der Wirtschaftsentwicklung einzuschlagen, der auf die Armen Rücksicht nimmt: intensivere landwirtschaftliche Anbaumethoden, Sonnenenergie, energiesparende Techniken ...
Eines stehe jedenfalls fest: Das Konsumniveau der Milliarde armer Menschen auf der Erde müsse angehoben werden. Allerdings werde man dieses Anliegen nur dann sinnvoll verwirklichen, wenn umweltverträgliche Techniken zum Einsatz kommen, insbesondere im Bereich der Energieversorgung. Was dann im Bericht folgt, liest sich wie ein Forderungskatalog der "Grünen": * Umstrukturierung von Steuern, * Engagement der öffentlichen Hand bei Verbraucheraufklärung und Umweltschutz, * Stärkung internationaler Mechanismen zur Steuerung globaler Konsumwirkungen, * Global denken, lokal handeln ...
Über soziale Aspekte des "Berichts über die menschliche Entwicklung 1998" siehe auch den Beitrag: "Die ärmsten Reichen" in Furche 39/1998
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