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Digital In Arbeit

DIE BARGELDLOSE GESELLSCHAFT

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Digitales Geld: Die neue Kunstwährung steckt noch in den Kinderschuhen, aber Einkaufen ohne Münzen und Banknoten ist im Kommen.

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Digitales Geld: Die neue Kunstwährung steckt noch in den Kinderschuhen, aber Einkaufen ohne Münzen und Banknoten ist im Kommen.

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Wir sind längst auf dem Weg ins Informationszeitalter, auch wenn uns die gewaltigen Veränderungen, die damit einhergehen, oft noch gar nicht so richtig ins Bewußtsein gerückt sind. So sind auch in der Bankenwelt Entwicklungen im Gang, die Geld in Form von Münzen und Banknoten in absehbarer Zeit überflüssig werden lassen. Die bargeldlose Gesellschaft ist im Kommen.

In Osterreich gibt es zur Zeit rund 1,5 Million Scheckkarten mit Banko-matfunktion. Hauptsächlich sind das die bekannten Eurocheque-Debitkar-ten. Darüber hinaus gibt es noch 2.100 POS-Kassen. Sie sind meist bei Tankstellen und in den Supermärkten zu finden. Die Handhabung ist praktisch: Die Karte wird durchgezogen, der Nummerncode eingegeben und nachdem der Kunde den aufscheinenden Betrag mit einem „O.K." bestätigt hat, wird der Betrag abgebucht. Der Jahresumsatz über die POS-Kassen beträgt 2,3 Milliarden Schilling. Die meist mit der Bank direkt verbundenen POS-Systeme werden von den Banken stark beworben.

700.000 bis 800.000 Österreicher besitzen Kreditkarten, einige davon mehrere. Alles in allem sind hierzulande etwa eine Million Kreditkarten im Umlauf. Den Hauptteil des Kuchens teilen sich VISA und Eurocard mit je 45 Prozent. Bei Einkäufen mit Kreditkarten fallen jährlich 6,5 Millionen Kreditkartenbelege an. Mangels eines elektronischen Terminals bei den 28.000 Vertragspartnern in Österreich - nur 4.000 verfügen über ein derartiges Gerät - müssen noch drei Viertel der Belege manuell bearbeitet werden.

Große Hoffnungen setzt Österreichs Geldwirtschaft in die Chipkarte. Das ist die „neue", Anfang dieses Jahres ausgegebene Bankomatkarte, in die ein Minicomputer eingelassen ist. Bargeld wird auf dieser Chipkarte in Form elektronischer Werteinheiten gespeichert. Die sogenannte „elektronische Geldbörse" wird bei Bankomaten aufladbar sein, wozu diese erst umgerüstet werden müssen. Die Adaptierung der Bankomaten zu „Geldtankstellen" soll jedoch noch in diesem Jahr abgeschlossen werden.

Unterschiedlich wird die zukünftige Marktentwicklung bei den elektronischen Bankingformen - Telebanking und Telefonbanking - ein geschätzt. Während die einen von 50.000 Telefonbanking- und 30.000 bis 40.000 Telebankingnutzern sprechen und die Wachstumsrate bis 40 Prozent schätzen, glauben hingegen andere, daß diese Bankingformen eher auf einen kleinen Kreis beschränkt bleiben.

Mit Telebanking können Bankgeschäfte über den Bildschirm abgewickelt werden. Für die Absicherung gegen unbefugte Benützung gibt es eine persönliche Identifikationsnummer, eine Geheimzahl oder ein Paßwort und eine Transaktionsnummer, die nur für jeweils eine Transaktion verwendet werden kann. Für Telebanking können sich nur rund ein Prozent der fünf Millionen Kontoinhaber begeistern.

Zunehmende Akzeptanz für Telebanking erwarten sich die Experten von Multi Bank Standard, der von der Studiengesellschaft für Zusammenarbeit im Zahlungsverkehr entwickelten Software. Damit werden alle bankenspezifischen Teleban-king-Software-Pakete untereinander kompatibel und können auch bankenübergreifend genützt werden. Das Telefonbanking - dabei ist der Kunde mit einem Bankangestellten über das Telefon verbunden -bleibt ohne Rationalisierungseffekt für die Banken. Walter Rothensteiner, Generaldirektor der Raiffeisen Zentralbank (RZB), sagte anläßlich eines Gespräches über die „Zukunft der Banken" im Management Club in Wien, er sehe im Telefonbanking nur eine Übergangslösung.

Viel positiver beurteilt Rothensteiner die Chancen der Banken im Internet. Mit weltweit -zig Millionen Teilnehmern und geschätzten 160.000 Nutzern bis Ende 1997 in Österreich - davon 85 Prozent Akademiker und drei bis fünf Prozent der privaten Haushalte - muß dieses Medium ernst genommen werden. Schon jetzt präsentieren sich alle großen österreichischen Banken im Internet. Das werde, wie Rothensteiner meint, zu mehr Markttransparenz und Konditionenausgleich führen. Bankabwicklungen über Internet sind derzeit allerdings noch nicht möglich. Daß der Computer die persönlichen Dienstleistungen der Bank überflüssig machen beziehungsweise verdrängen könnte, befürchtet Rothensteiner nicht. Dagegen spreche auch eine Umfrage, derzufolge 85 Prozent der Bankkunden nicht auf den persönlichen Kontakt verzichten möchten. Auch stoßen Bankinnovationen bei Menschen über 50 auf keine große Begeisterung. Bei einer Lebenserwartung von 80 bis 85 Jahren werde man daher bestrebt sein, die traditionellen Bankdienstleistungen in den nächsten 35 Jahren aufrechtzuerhalten, allerdings, unabhängig vom Zweigstellennetz, ist Rothensteiner sicher: „In den Ausbau der Zweigstellen wird nichts mehr investiert".

Forciert werde hingegen der Ausbau der Selbstbedienung. Standardisierte Routinegeschäfte könnten Automaten erledigen - unabhängig von den Banköffnungszeiten. Den Schwerpunkt werden die Banken auf Beratung durch qualifizierte Mitarbeiter setzen.

Auf die Beschäftigungssituation im Bankensektor angesprochen, gibt Rothensteiner zwar zu, daß die Bankarbeitsplätze tendentiell verringert werden. Er ist allerdings sicher, daß „der natürliche Abgang durch Pensionierungen als Steuerungsinstrument vollkommen ausreichen wird".

Die Autorin ist

freie Mitarbeiterin der Furche.

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