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Die Blechkarawane rollt...

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Nur noch wenige Wochen trennen uns vom Beginn der Urlaiubssaison 1969. Die Dispositionen sind getroffen: Die Gäste kommen mit dem Flugzeug, mit Autobussen, per Bahn, vor allem aber mit dem Personenwagen, der nach wie vor im Fremdenverkehr nach ' Österreich vorherrscht.

Nach dem Stagnationsjahr 1967, das zum erstenmal einen Rückgang um 1 Prozent brachte, schlug die Saison 1968 mit 7,3 Millionen Fremden und 47,7 Millionen Nächtigungen alle bisherigen Rekorde. Dies wirkte sich mit Einnahmen von 17,9 Milliarden Schilling entsprechend günstig aus, obwohl die gleichfalls gesteigerte Reiselust der Österreicher auf der anderen Seite den respektablen Betrag von 6,7 Milliarden Schilling verschlang. Der Nettoertrag von 11,2 Milliarden Schilling kann sich dennoch sehen lassen. Der starke Zustrom ausländischer Gäste, der die Zahlungsbilanz in so erfreulicher Weise aufpoliert, wirkt sich natürlich in einer empfindlichen Zusatzbelastung des Straßennetzes 'aus. Ausgehend von der Tatsache, daß 85 Prozent der Fremden mit dem eigenen Wagen reisen, schätzen die Experten diese' Belastung auf rund 2 Millionen Pkw-Einheiten. In Österreich selbst sind derzeit knapp über 1 Million Personenwagen zugelassen. Der Vergleich allein zwischen diesen beiden Zahlen sagt genug, welch Probleme der Ausländerreiseverkehr auf unseren Straßen schafft.

Bei weitem die meisten Fremden zieht Tirol an, mit einem gewissen Respekteabstand folgen Salzburg und Kärnten. In diesen Zentralräumen des Fremdenverkehrs konzentriert sich naturgemäß auch die Masse ausländischer Autos. In den Monaten Juli und August schnellen demnach die Spitzenwerte der Verkehrsbelastung gigantisch in die Höhe. Und das führt zu reichlich grotesk anmutenden Situationen. So braucht man in den Ferienmonaten für die Strecke Wien-Salzburg mitunter genauso lang wie für die Strecke Kufstein—Wien, nämlich fünf Stunden.

Noch so großangelegte Aufklärungsaktionen über das richtige Fahrverhalten im Gebirge können hier kaum Abhilfe schaffen. Denn auf der einen Seite werden die schlechten Autofahrer sicher nicht aussterben, auf der anderen Seite wächst die sommerliche Blechkarawane von Jahr zu Jahr. Demnach spielt der Straßenbau in den Bemühungen, Österreich trotz wachsender Konkurrenz als Fremdenverkehrsland attraktiv zu halten, eine ganz entscheidende Rolle. Die Verantwortlichen haben dies eigentlich schon vor einem runden Jahrzehnt erkannt, doch erst jetzt sind deutliche Anzeichen erkennbar, diesem Problem mit kompakten Maßnahmen an den Leib zu rücken. So soll der endlose Biechiwunm, der sich heute in der Hauptreisezeit Tag für Tag von Kufstein auf Innsbruck zuquält und der für diese 73 Kilometer im Schnitt drei Stunden braucht, mit der Inntalautobahn einen leistungsgerechten Verkehrsweg erhalten.

Man hat Maßnahmen beschlossen, die eine Halbierung der Bauzeit ermöglichen, und so wird diese Route schon im Jahre 1972 zur Verfügung stehen. Die erste Gebirgsautobahn Europas über den Brenner wird heuer mit dem Abschluß der Bauarbeiten im letzten einen Küometer langen Abschnitt vollendet werden. Den. Realitäten der Fremdenverkehrszahlen trägt Österreich auch mit dem Bau der Tauernauto-bahn Rechnung, die auf kürzestem Weg Salzburg mit Kärnten verbindet. Denn es hat den Experten immerhin mehr als zu denken gegeben, daß das südliche Seengebiet eine so starke Anziehungskraft ausübt, obwohl die Verkehrswege vor allem für,die aus dem Norden kommenden Gäste alles andere denn ideal sind. Die Route Salziburg—Villach wird in den nächsten fünf Jahren soweit fertiggestellt sein, daß sie auf längere Zeit den zu erwartenden Verkehrsströmen leistungsmäßig gewachsen ist.

Über die Sofortmaßnalhmen hinaus laufen indessen umfangreiche Studien, mit deren Hilfe man sich ein Bild über die künftig zu erwartenden Verkehrsströme schaffen will. Dabei spielt naturgemäß auch der Fremdenverkehr eine besondere Rolle. Im Rahmen der Untersucbungen zur Neubewertung des Bundesstraßennetzes, von denen das Bautenministerium versprochen hat, sie noch heuer zum Abschluß zu bringen, nimmt dieser Aspekt einen besonderen Platz ein. Die Verkehrsprognose 1980, die auch einen Ausblick auf die Erwartungen zum Zeitpunkt des Eintretens der Vollmotorisierung gibt, enthält ein eigenes, ausschließlich dem Fremdenverkehr gewidmetes Kapitel. Dabei springen vor allem zwei Tatsachen ins Auge: Auch in Zukunft werden Tirol, Salzburg und Kärnten zu den bevorzugten Fremdenverkehrsgebieten gehören.

Die vom Fremdenverkehr ausgelöste Zusatzbelastung des Straßennetzes wird sich in vielen Bereichen verdoppeln.

Wirft man einen Blick auf die Motorisierungsprognose der Bundesrepublik Deutschland, die schließlich das Hauptkontingent der ausländischen Österreichurlauber stellt, so sieht man deutlich, daß diese Erwartungen keineswegs übertrieben sein dürften. Im Jahre 1970 werden in der Bundesrepublik Deutschland 14,2 Mülion Personenwagen zugelassen sein, für 1980 erwartet man im Land des Wirtschaftswunders 19,1 Millionen Pkw-Einheiten. Österreich muß sich daher mit dem beschleunigten Ausbau des Straßennetzes sputen, damit die ferienwü-ligen Gäste auch ins Land herein können...

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